Werner Pfister war fast fünf Jahrzehnte fürs Brauhaus tätig. Er war der „Mister Brauhaus“. Und er fungiert seit fast zwei Jahrzehnten als „Bürgermeister“ im Klingenbrunn. Diese Woche hat Pfister, der seit 38 Jahren in ei-ner Werkwohnung auf dem Brauhausgelände gewohnt hat, seinen Stadtteil verlassen. Wegen der Brauhauspleite stand ihm die Mietwohnung nicht mehr zur Verfügung. Unter dem Motto „der letzte Brauhaus-Mohikaner geht“, nahm er am Donnerstag Abschied vom Brauhausgelände und seinem Klingenbrunn.
Pfister hat Kaufmann gelernt, arbeitete bei Möbel Brändlein und lernte dort den legendären Brauhauschef Sepp Enthammer kennen. Der kaufte statt Möbel den jungen Pfister ein. 1963 fing Pfister, damals 21, als Expedient beim Brauhaus an. Enthammer war der Brauhauschef mit der längsten Amtszeit von 25 Jahren.
Pfister war der erste von ihm eingestellte Mitarbeiter und zuständig für alles, „was raus- und reinkommt“. Rein kamen Fremdgetränke wie dereinst Erdinger Weißbier und Alkoholfreies. Raus ging das Brauhausbier, weshalb er auch den Fuhrpark verantwortete.
Enthammer bat den Gochsheimer außerdem, auf dem Betriebsgelände zu wohnen – für Notfälle. Enthammer ist auch die jahrelange, fruchtbringende Verbindung vom Brauhaus zum Bürgerverein „zu verdanken“. Das hat sich jetzt alles erledigt.
Zuletzt hat Werner Pfister arg gelitten. Das langsame Sterben seiner Brauerei hatten er und seine Frau Marie Luise beim Blick in den Brauhaus-Hof täglich vor Augen. „Das war eine lebendige Brauerei, ein Gewusel. Und wenn man beobachten muss, wie die Eingeweide rausgerissen werden, dann tut das sehr weh“, sagt er. Das Brauhaus sei ein Stück Schweinfurter Geschichte. 150 Jahre aus wirtschaftlichen Interessen einfach so wegradiert, „das kann ich nicht begreifen“.
Die Kirchweih des Bürgervereins Klingenbrunn Ende Juli fand erstmals nicht auf Brauereigelände statt. Der SC 1900 hatte Asyl gewährt. Es habe „prima geklappt“, zieht Pfister ein positives Resümee. Entgegen seiner „Anordnung“ ist er aber doch, wie all die Jahre, an seiner Wohnung (da noch im Brauhaus) abgeholt worden.
Eine „besondere Veranstaltung, Emotion pur, unvergesslich“, schildert er. Im Brauhaushof haben die „Unterthereser“ das Lieblingslied des „Bürgermeisters“ angestimmt: „Gruß an Tirol“. Es habe dabei aber eine Stimmung „wie bei einer Beerdigung geherrscht“.
Viele frühere Brauhausmitarbeiter waren gekommen, standen an den Fenstern nebeneinander und es „herrschte betretenes Schweigen, Schockstarre“. Weil alle wussten – Ex-Mitarbeiter und Klingenbrunner: „Es ist das letzte Mal auf Brauhausgelände.“ Auch er habe einen Frosch im Hals gehabt, habe anfangs nicht reden können.
Beim Rausmarschieren vom Hof zum sich anschließenden Festzug durch den Stadtteil intonierten die Musiker das Lied „Aufwiedersehen“. Das bleibe haften, sagen Werner und Marie Luise Pfister. Sie gingen nun mit einem „lachenden und einem weinenden Auge“. Der Bürgerverein lebt ja weiter.
Dann schnappen sich die Eheleute, die seit 50 Jahren verheiratet sind, einen letzten Brauhauskasten und marschieren damit vom Brauereigelände, als „letzte Mohikaner“. In der Elsa-Brändström-Straße haben sie eine neue Bleibe gefunden.