Für den katholischen Gefängnispfarrer Hans Lyer geht es um viel mehr als um ein Feuerwerk. Er sieht dahinter sowohl den biblischen Ansatz als auch die gesellschafts-politische Dimension und hier wiederum ganz besonders die Menschen, mit denen er tagtäglich in der Jugendstrafanstalt in Ebrach zu tun hat. Ähnlich wie der mythische Vogel Phoenix, der aus seiner verbrannten Asche wieder neu ersteht, oder wie der an Ostern aus dem Tod auferweckte Christus sollen am Ostersonntag die „abgestürzten“ Häftlinge der JVA in Ebrach symbolisch wieder aufsteigen, wenn bei seiner Lichtinszenierung im Rahmen des „Ebracher Osterfeuers“ zu Igor Strawinsky gleichnamiger Ballett-Musik ein riesiger Feuervogel im Orangeriegarten mit pyrotechnischen Effekten in Feuerwerkslicht getaucht und so spektakulär in Szene gesetzt wird.
Die Botschaft der Ermutigung
Diese Botschaft der Ermutigung, die hinter dem Feuervogel steckt, haben Kirche und Seelsorge in ein Gefängnis zu bringen, so die Position Lyers. Denn der Feuervogel ist für ihn ein Sinnbild der Arbeit mit den jugendlichen Strafgegangenen. Der Gefängnispfarrer: „Es geht hier um Resozialisierung oder theologisch gesprochen, um eine Theologie der Befreiung.“ Bezogen auf die Welt der Gefangenen bedeute das: Wie bekomme ich durch schulische oder berufliche Qualifizierung während meiner Haft wieder Flügel, um zurück in die Gesellschaft zu finden.
Von Gefangenen gebaut
Auch und gerade die Gefangenen seien Kinder dieser Gesellschaft, in die sie nach der Verbüßung ihrer Strafen wieder zurückkehren. Die Frage sei deshalb, wie man ihnen in der Haft gerecht wird, wie man sie behandelt, ohne die Opfer zu vergessen, so Lyer. Dies sei eben der gesellschaftspolitische Aspekt der biblischen Botschaft, die da lautet: Ich bin ein Abgestürzter, aber es gibt eine Perspektive. So sei der Vogel zugleich Hoffnungssymbol, sagt der Pfarrer, den sie hier alle nur Hans nennen.
An dem metallenen Vogel hat ein Kreis von rund zehn Gefangenen seit November einmal wöchentlich unter der ehrenamtlichen künstlerischen Mithilfe des Künstlers Clemens Muth (Ebensfeld bei Staffelstein) gearbeitet. Anhand eines Modells machte man sich in Hans Lyers Kreuzgang-Atelier und vor allem in der von Erwin Tinter und Jochen Schwang geleiteten Anstaltsschlosserei, fachlich beraten von den beiden Handwerksmeistern, daran, Metallstäbe aus Stahlrohr zu biegen und Drahtteile aus Stahlgittermatten an den einzelnen Teilen des Vogels durch Schweißen zu fixieren, ehe man ihn durch die Bemalung obendrein zu einer bunten Erscheinung werden ließ.
Pyrotechnik-Profis am Werk
Herausgekommen ist ein stattlicher Metall-Vogel mit einer Spannweite von neun Metern und einer Rumpflänge von acht Metern. Am Ostersonntag wird er auf einem drei Meter hohen Gerüst stehen.
In Gruppen- und Einzelgesprächen mit den Gefangenen ging es parallel zu der Arbeit an dem Kunstprojekt darum, die Dynamik vom persönlichen Absturz und Scheitern (sei es durch Drogensucht, Alkoholismus, Gewalt oder andere Formen der Kriminalität) und vom Wieder-Aufsteigen und Wieder-zurück-ins-Leben-finden auf sich selbst zu beziehen. So sucht und findet der katholische Gefängnispfarrer über die Kunst im Knast auch immer wieder den Zugang zu den Inhaftierten, um sie zum Nachdenken über sich und ihr Leben zu bewegen.
Teile aus Tschechien
Aus Tschechien besorgte Original-Teile von abgestürzten Militärflugzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg, die noch an dem Vogel angebracht werden, sollen das Thema „Mein Absturz“ zusätzlich deutlich machen, wobei es hier weniger um Abstürze im Leben, sondern um Krieg, Tod und die Mahnung zum Frieden geht. Professionelle pyrotechnische Unterstützung erhält Hans Lyer bei der Lichtinszenierung „Lumen Christi“ erneut von „seinen Freunden aus Böblingen“, wie er sie bezeichnet. Damit ist die Firma IP gemeint. Die Abkürzung steht für Innovative Pyrotechnik. Die Leute um den international bekannten Feuerwerker Joachim Berner haben bereits Projekte mit den Rolling Stones, Tina Turner oder AC/DC umgesetzt, und sind zum Beispiel auch für die Indoor-Feuerwerke beim „Boxen im Ersten“ verantwortlich.
Wenn der riesige Feuervogel am Ostersonntag im Orangeriegarten gegenüber vom Gefängnis zur weltberühmten Ballett-Musik von Igor Strawinsky (siehe gesonderten Bericht) und zu Texten von Gefangenen, die in der „Schreibwerkstatt“ der JVA zum Thema „Absturz“ und „Vogel“ entstanden sind, in Feuerwerkslicht getaucht wird, werden die an dem Projekt beteiligten Gefangenen selbst jedoch ausgesperrt bleiben. Sie werden das Geschehen auch nicht von ihren Zellen aus verfolgen können, da sich diese im rückwärtigen Bereich des Gefängnisses befinden. So werden sie allenfalls Musik und Feuerwerk hören. Eine DVD wird ihnen das Erlebnis aber nachträglich auch visuell nahe bringen.
Es ist übrigens nicht das erste pyrotechnische Kunstprojekt dieser Art, das Hans Lyer mit Gefangenen umsetzt. Zuletzt hatte am 3. Oktober 2011 die Lichtinszenierung „Feuriger Franziskus“ 1300 Menschen in Vierzehnheiligen begeistert.
Der besondere Reiz derartiger Veranstaltungen liegt für Hans Lyer darin, dass es hierdurch gelingt, die in der JVA und insbesondere in ihren Betrieben geleistete Arbeit nach draußen zu transportieren und das zu zeigen, was dort entsteht, wie etwa jetzt der selbst gefertigte Feuervogel oder in Vierzehnheiligen zum Beispiel der „Gitterwelten“-Turm.
Der Eintritt ist frei
Zum „Ebracher Osterfeuer 2012“ und der Lichtinszenierung „Lumen Christi“ am Ostersonntag, 8. April, um 21 Uhr laden gemeinsam die Marktgemeinde sowie die katholische und evangelische Kirchengemeinde ein. Der Eintritt ist frei.
Der Feuervogel von Igor Strawinsky
Im Dezember 1909 erteilte Sergei Pawlowitsch Djagilew dem damals weitgehend unbekannten Igor Strawinsky den Auftrag, zum Ballett für seine berühmte Balletttruppe „Ballets Russes“ die Musik zu schreiben. Der Text und die szenische Handlung stammen von Michail Fokin, einem der bedeutendsten Tänzer und Choreografen der Truppe Djagilews. Er gilt als Begründer des modernen Balletts.
Die Handlung basiert auf den zwei russischen Volksmärchen vom „guten Feuervogel“ und vom „Unsterblichen Zauberer Kaschtschei“. Im Garten des Zauberers lebt der Feuervogel. Der junge Prinz Iwan fängt auf der Jagd den Vogel. Dieser bittet ihn um seine Freiheit und der Prinz lässt ihn wieder frei. Als Dank dafür erhält Iwan eine Feder des Vogels, der magische Kräfte innewohnen. Im Garten des Zauberers Kaschtschei werden 13 Jungfrauen gefangen gehalten, darunter die Prinzessin, in die Iwan unsterblich verliebt ist. Als er das Gartentor berührt, ertönt ein Glockenspiel. Daraufhin erscheint Kaschtschei mit seinen Dämonen, um Iwan zu töten. Doch die Wunderfeder des Feuervogels schützt den Prinzen. Da erscheint der Feuervogel und lässt seine magische Musik erklingen, die die Dämonen zum Tanzen zwingt. Dann singt er ein Schlaflied und Kashtschei und seine Helfer fallen in einen tiefen Schlaf. Der Feuervogel führt Iwan zu einer Höhle, in der ein Ei versteckt ist, das die Seele von Kaschtschei enthält. Der Prinz zerschlägt das Ei, und bricht so die Macht des Zauberers, indem dieser stirbt und sein Zauberreich verschwindet. Die 13 Jungfrauen, darunter die Prinzessin, sind wieder frei. novo