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FRANKENWINHEIM: Die Rituale der jüdischen Bevölkerung

FRANKENWINHEIM

Die Rituale der jüdischen Bevölkerung

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    Einblicke: Beim Dorfrundgang öffneten die heutigen Besitzer Anna Kratschmer, Otto Kunzmann und Rudolf Kaim ihre Höfe oder griffen selbst zum Mikrofon und berichteten von Erinnerungen an die ehemaligen jüdischen Mitbewohner von Frankenwinheim.
    Einblicke: Beim Dorfrundgang öffneten die heutigen Besitzer Anna Kratschmer, Otto Kunzmann und Rudolf Kaim ihre Höfe oder griffen selbst zum Mikrofon und berichteten von Erinnerungen an die ehemaligen jüdischen Mitbewohner von Frankenwinheim. Foto: Foto: Stefan Polster

    Über 50 interessierte Teilnehmer konnten Claudia Göllner, Evamaria Bräuer und Stefan Polster anlässlich der Ausstellung Landjudentum in Unterfranken beim Dorfrundgang in Frankenwinheim begrüßen. An fünf ehemaligen jüdischen Anwesen spürte man dem Brauchtum und den Ritualen der jüdischen Bevölkerung nach, ließ dabei Zeitzeugen zu Wort kommen und stellte die letzten jüdischen Bewohner in dem jeweiligen Haus aus der Zeit um 1930 vor.

    Frankenwinheim war eine Gemeinde mit einem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil. 1870 waren von 546 Dorfbewohnern 100 mit jüdischem Glauben somit 18 Prozent. In den Folgejahren ging die Anzahl zurück. Im Jahr 1910 lebten noch 58 Juden in Frankenwinheim bei insgesamt 588 Bewohnern. An jüdischen Einrichtungen gab es die Synagoge mit Mikwe und als reinen jüdischen Verein den Toralernverein „Limud Tora“.

    Es wurden die ehemaligen Anwesen der Familien Kolb, Friedmann, Hirsch und Niedermann sowie die Synagoge besucht. Dabei behandelte man Feste wie das Purim, dies erinnert an die Errettung des jüdischen Volkes in der persischen Diaspora. Kinder verkleiden sich hierbei ähnlich unserem Karneval. Anschaulich wurde eine Messusa erläutert, die Schriftkapsel die im rechten Türpfosten am Hauseingang angebracht war, teilweise auch an weiteren Türpfosten im Haus. In der Schriftkapsel befindet sich ein Stück Pergament, auf dem zwei Abschnitte aus dem 5. Buch Moses geschrieben sind, das ist der sogenannte Haussegen.

    Man beschäftigte sich mit der Bar-Mizwa beziehungsweise Bat-Mizwa, damit wird die Religionsmündigkeit bezeichnet, die bei Jungen mit 13 Jahren und bei Mädchen mit zwölf Jahren gefeiert wird. Vor allem für die junge Generation waren auch Berufe wie Ellenwarenhändler oder die Tätigkeit eines Schmusers interessant. Der Schmuser konnte von seinem Beruf nicht alleine leben, in der Regel waren das Hausierer, die viel in der Gegend herum kamen. Dadurch wussten sie, wo ein heiratsfähiger Mann oder ein hübsches Mädchen wohnten, und brachten diese zusammen.

    Am ehemaligen Haus des Metzgers Niedermann erklärte Evamaria Bräuer das Schächten der Tiere und andere Ernährungsvorschriften der Juden. Aber nicht nur die Nahrung, auch die Kleidung frommer Juden soll koscher sein, das heißt, sie darf nur aus einem Material, zum Beispiel nur aus Baumwolle, bestehen und keine künstlichen Fasern und Farben aufweisen.

    An der Synagoge ging man näher auf den Rabbiner Josef Kissinger ein, übrigens ein Onkel des späteren amerikanischen Außenministers Henry Kissinger. Josef Kissinger war über 50 Jahre Rabbiner, Schächter und Vorbeter in Frankenwinheim. Dabei würdigte nicht nur die jüdische Bevölkerung sein Wirken, sondern die gesamte Dorfgemeinschaft nahm am Fest zu seinem Jubiläum teil. Ein gelebtes „Mitten unter uns“, dies zeigt sich auch dadurch, dass Josef Kissinger 48 Jahre als Schriftführer in der Freiwilligen Feuerwehr Frankenwinheim tätig war. Aus einer Dankesrede für Josef Kissinger ist der schöne Satz überliefert: „Möge aber auch in seinen Gemeinden (er war zuständig auch für die Filialen Brünnau und Lülsfeld) der gute Wille und die billige Einsicht Platz greifen, ihrem verdienstvollen, langjährigen Religionsführer durch Verabreichung eines zeitgemäßen Gehaltes einen sonnigen, sorglosen Lebensabend zu bereiten.“

    Natürlich durften Erläuterungen zur Mikwe, dem Tauchbad, nicht fehlen. Diese konnte nur noch auf einem Bilddokument bewundert werden und das befindet sich auch in der Ausstellung in Gerolzhofen, die noch bis Sonntag, 25. Mai, geöffnet ist.

    Die nächsten Veranstaltungen zu ähnlichem Thema in Frankenwinheim sind am 26. Mai um 19.30 Uhr im Begegnungszentrum, wo der Aktionskünstler Gunter Demnig einen Vortrag über sein Projekt Stolpersteine hält. Am 27. Mai um 9 Uhr werden dann sechs Stolpersteine für die Familie Kolb in der Rosenbergstraße verlegt.

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