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SCHWEINFURT: Die Rock-Monster auf der Mainwiese

SCHWEINFURT

Die Rock-Monster auf der Mainwiese

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    Gene Simmons von Kiss posiert für die Fans.
    Gene Simmons von Kiss posiert für die Fans. Foto: Foto: Laszlo Ruppert

    „Moonchild“ – gleich ein Brett zu Beginn. Irgendwann „Wasted Years“ und „The Number of the Beast“. „Run to the Hills“ und „Two Minutes to Midnight“ als Zugaben. Es ist eine 120-minütige Iron-Maiden-Gala.

    Vergessen die Stunde David-Lee-Roth-Gedudel. David Lee Roth – aus nächster Nähe. Das ist für einen Metal-Fan nicht so weit weg von den Kastelruther Spatzen. Aber was macht man nicht alles für einen Platz in der ersten Reihe? Am 27. August 1988 ganz schön viel. 40 000 Metaller sorgen beim Monsters of Rock auf der Schweinfurter Mainwiese für beste Stimmung, aber auch mächtig Gedränge – und das Ein-Tages-Festival schafft's in die ARD-Tagesschau.

    Wegen sieben Rockbands? Ach, woher. Mord und Totschlag! Sodom und Gomorrha! Alkohol- und Drogen-Exzesse! 30 Jahre ist das jetzt her. Am Vorabend sollen Horden langhaariger Rowdys marodierend durch die Schweinfurter Innenstadt gezogen sein. Tags darauf die Meldung: Tote in Schweinfurt. Der Headliner Iron Maiden erwägt kurzzeitig, seinen Auftritt abzusagen.

    Falschmeldungen über Tote

    Bis sich die Horror-Nachrichten langsam aber sicher als Falschmeldungen entpuppen. Einige Fans haben in der Nacht vor der Veranstaltung das offizielle Camping-Gelände gemieden, weil sie es, hätten sie es für einen Umtrunk in der Stadt verlassen, nicht mehr hätten betreten dürfen – und haben dann ein Oberndorfer Vorgärten als Lager gewählt.

    Es ist in Hecken gepinkelt worden, ein paar Scheiben sind zu Bruch gegangen. Aber die Toten sind einfach mal vom englischen Mutterfestival in Donington, als sieben Tage zuvor zwei Fans während des Auftritts von Guns 'n' Roses erdrückt worden waren, in die Schweinfurter Fernseh-Berichterstattung gerutscht.

    Dass es das damit fürs Monsters of Rock in Deutschland gewesen sein sollte, weiß am 27. August noch keiner. Schon gar nicht am frühen Morgen. Schnell noch zur Tanke in der Landwehrstraße, paar Büchsen Bier holen für den mindestens acht Minuten langen Fußmarsch zur Mainwiese – der sich dann planungsgemäß doch etwas in die Länge zieht. 1988 ist das auf einem Konzert-Gelände nämlich etwas anders als heute, 30 Jahre später, auf Massenveranstaltungen wie Wacken oder Rock im Park.

    Zwar ist das Bier, selbstverständlich auch Essen oder Limo, damals schon überteuert, aber man muss auch noch ewig dafür anstehen – weil eine Bremer Brauerei noch nicht alle 15 Meter einen Getränkestand aufgebaut hat. Also lieber mal den Durst auf Vorrat gelöscht.

    Sieben Bands

    Und weil's 1988 auch noch nicht über 5000 selbsternannt-bekannte Heavy-Metal Bands in mindestens 20 Subgenres gibt, sondern sich die überschaubare Szene allenfalls in Hard Rock und Heavy Metal aufspaltet, sind's eben nur sieben Bands an einem einzigen Tag, die Monsters of Rock zum bedeutendsten Metal-Festival der Achtziger machen. Und wenn die Bandauswahl schon so überschaubar ist, dann schaut man sich eben auch mal Treat an.

    Karte kostete 44 Mark

    Die Karte hat ja immerhin 44 Deutsche Mark plus 4,40 Vorverkaufsgebühr gekostet. Nur: Wer bitte hat Great White zwischen die Thrash-Heroen Testament (die für Megadeth einspringen) und Anthrax platziert? Schwamm drüber: Denn jetzt kommen KISS. 1988 sind die vier Herrschaften längst nicht die sich nur noch schwer in ihren schwindelerregend hohen Plateustiefel haltenden Altherren-Rocker, nein, da knallen Gene Simmons und Co. den 40 000 eine sagenhafte Show in bestem US-Format um die Ohren. In Schweinfurt.

    Ansturm von Metal-Fans

    In den Jahren zuvor war der Deutschland-Ableger des Megafestivals, das in Donington bis zu 100 000 Fans anlockt, auch in Nürnberg zu Gast. Die Entscheidung für die unterfränkische Industriestadt stellt sich als fatal heraus: Denn unter der Hand werden Zuschauerzahlen von an die 60 000 geschätzt, ein Ansturm vom Metal-Fans, mit dem offenbar keiner gerechnet hatte.

    Und ganz schnell stellt sich die schmale Mainwiese mit dem Fluss als einseitiger, so natürlicher wie unüberwindbarer Begrenzung als ungeeignet heraus. Denn wo Massen sukzessive durch ein Nadelöhr hineinströmen, kommen sie nach Konzertende nicht zwingend auf einmal wieder heraus.

    Und kaum ist Iron Maidens Finale „Santuary“ verklungen, sieht man erste Ungeduldige, die die rutschige Böschung hoch zur Straße dem offiziellen Ausgang vorziehen, reihenweise selbige wieder herunter purzeln. Sodom und Gomorrha also vielleicht nicht, Chaos aber allemal. Gut nur, dass die meisten der Heavy-Rocker weitaus friedlicher und besonnener unterwegs sind, als es die Tagesschau zeitgleich noch glauben machen will.

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