„Wusch!“ Da ist es plötzlich wieder, dieses Geräusch. Ab sofort gibt es keinen Zweifel mehr. Der Mäusebussard ist noch da. Dabei hatte ich ihn insgeheim schon mit seinem Horst in einem anderen Revier gewähnt, nachdem er mich beim Joggen in diesem Jahr so lange unbehelligt gelassen hatte.
Wie vor einem Jahr, nur diesmal mit mehrwöchiger Verspätung, kommt er auf meinem Rückweg von der Stollburg hinunter ins Tal kurz vor dem Waldparkplatz unterhalb der Waldesruh bei Mutzenroth von hinten über mich, wie der Blitz aus heiterem Himmel.
Als es knapp über meinem Kopf wieder „wusch“ macht und ich den schon gewohnten Luftzug verspüre, weiß ich, wer sich nach dieser Attacke auf mich auf einen der nächsten hohen Bäume am Wegesrand schwingen wird, um mich nicht aus den Augen zu lassen und notfalls ein zweites Mal zu vertreiben.
Und wie vor einem Jahr wiederholt sich tatsächlich keine 100 Meter weiter auf dem Wald- und Forstweg das bizarre Schauspiel von Neuem. Nochmals vernehme ich bedrohlich knapp über meinem Kopf den mit dem tiefen „Wusch“-Laut einhergehenden Luftsog.
Obwohl mir in diesem Moment schlagartig klar geworden ist, wem ich hier im Klingentännig bei Mutzenroth ins Gehege gekommen bin, bleibt das mulmige Gefühl. So lange jedenfalls, bis ich, nun langsam laufend, mich dabei immer wieder umdrehend und den Blick nach oben in die Bäume richtend, schließlich wieder den Waldausgang erreiche, ohne weiter belästigt zu werden.
Zu meinem Glück hat der Mäusebussard vom Klingentännig auch diesmal wieder nur Scheinangriffe auf mich geflogen. Gott sei Dank. Der Greifvogel hat eine Flügelspannweite von bis zu 1,30 Metern.
Mensch gehört nicht zur Beute
Normalerweise haben es Mäusebussarde, wie der Name schon sagt, neben einigen zusätzlichen Delikatessen wie Insekten, kleinen Vögeln oder auch Fröschen überwiegend auf Feldmäuse abgesehen. Über ihnen ziehen sie am Himmel ihre Kreise, bevor sie zum Sturzflug auf ihre Beute am Boden ansetzen. Der Mensch gehört nicht zum natürlichen Beutespektrum des Bussards und anderer Greifvögel. Aber so wie im Klingentännig, gilt es derzeit auch im übrigen Steigerwald auf der Hut zu sein.
Die Scheinangriffe auf Jogger, Radfahrer und auch schon einmal auf zügig laufende Wanderer sind nach Aussage von Ornithologen eine Form von „Territorialverteidigung“ in der Zeit der Brut und Aufzucht. Mit ihnen versucht der Greif, fremde Eindringlinge aus dem Revier mit seinem Horst zu vertreiben.
Aus Angst um ihre gerade aufwachsende Brut dulden die Altvögel keine „ungebetenen Gäste“ in ihrer Nähe. Bis zu 36 Tage dauert die Brutzeit. 49 Tage werden die Jungen anschließend im Nest von ihren Eltern versorgt. Erst nach elf Wochen sind sie selbstständig.
Die erwachsenen Tiere begleiten und beschützen die Jungen deshalb in dieser Zeit, in der die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Bussard unwillkommene Eindringlinge in seinem Revier angreift. Meist geschehen diese Zwischenfälle demnach in den Monaten Mai und Juni.
Nähert sich ein „Feind“ dem Nest und damit den Jungen, bleibt dem Bussard nur eine Option, um ihn in die Flucht zu schlagen: Angriff. Würde er fliehen, müsste er sein Nest und seinen Nachwuchs im Stich lassen.
Tempo wie natürliche Feinde
Warum greift er aber in der Regel vorwiegend Jogger und Radfahrer an, aber keine normalen Spaziergänger? Der Grund ist, dass Erstere ein ähnliches Tempo wie die natürlichen Feinde der Greifvögel anschlagen. Deshalb kommt es offenbar zu einer Verwechslung mit sich schneller fortbewegenden Menschen.
Im Normalfall fliegen die „Alten“ dabei wie im Klingentännig bei Mutzenroth eher Scheinangriffe und brechen diese kurz über dem Menschen wieder ab. Es kommt aber auch vor, dass besonders aggressive Vögel mit ihren scharfen Krallen die attackierten Menschen am Kopf verletzen. Dann sollte man auf jeden Fall sofort zum Arzt gehen und sich eine Tetanusspritze verabreichen lassen.
Wie kann man sich gegen einen Angriff wehren? Eine Mütze, noch besser ein Hut oder Helm, schützen vor den scharfen Krallen. Wenn man sich der Gefahr bewusst ist, kann man auch einen Stock, Ast, Regenschirm oder etwas Ähnliches über dem Kopf in die Höhe halten. Der Bussard greift nämlich immer den höchsten Punkt an. Wer ins Visier eines Bussards geraten ist, solle zudem laute Geräusche von sich geben, etwa durch Klatschen in die Hände. Das vertreibt normalerweise die Greife, heißt es. Wichtig sei außerdem, langsam weiterzugehen und nicht zu rennen.
Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, der umgeht, umläuft oder umfährt buchstäblich während der Brutzeit und Aufzuchtphase das seine Lauf- oder Fahrstrecke kreuzende Bussard-Revier.
Der Mäusebussard
In Europa streng geschützt, zählt er hierzulande zu den am häufigsten vorkommenden Greifvögeln. Er erreicht eine Flügelspannweite von bis zu 130 Zentimetern und ein Gewicht von mehr als einem Kilogramm. Oft kann er bei seinen kreisenden Segelflügen oder bei der Jagd aus der Luft beobachtet werden. Vorzugsweise ist der Mäusebussard in kleinen Waldgebieten mit angrenzenden offenen Landschaften wie Wiesen, Feldern oder Äckern als Lebensraum daheim. novo