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GEROLZHOFEN/SCHWEINFURT: Die Schraube, die den Fuß aufrichtet

GEROLZHOFEN/SCHWEINFURT

Die Schraube, die den Fuß aufrichtet

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    Die Lage der Schraube im Kunstknochenmodell.
    Die Lage der Schraube im Kunstknochenmodell.

    Der Knick-Plattfuß ist eine „Volkskrankheit“. Rund 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind von dieser – angeborenen oder erworbenen – Fehlstellung betroffen; etwa zehn Prozent der Fälle muss orthopädisch behandelt werden. Sonst drohen aufwändige Operationen im Erwachsenenalter oder Folgeerscheinungen wie Knie-, Hüft- oder Wirbelsäulenschäden. Klassische – und bei Kindern und Jugendlichen auch meist gehasste – Behandlungsmethode ist das Tragen von Einlagen; sie zwingen den Fuß durch einen Keil unter der Ferse in die richtige Stellung.

    Bei etwa zehn Prozent der so behandelten Patienten hilft allerdings auch dies nicht; ihre Schmerzen unter Belastung verlieren sich auch nach monatelanger Behandlung nicht – sie müssen „unters Messer“. Früher galten die Fersenbeinverschiebung oder eine Verlängerung von Achillessehne und Fersenbein als Methoden der Wahl; die Eingriffe waren aufwändig, die Rekonvaleszenzzeiten lang. In den USA werden Kinder auch heute noch in der Mehrzahl der Fälle so operiert. In Europa bevorzugt man inzwischen ein minimalinvasives Verfahren.

    Titanschraube gegen Fehlstellung

    Dr. Stefan Feiler ist niedergelassener Orthopäde in Schweinfurt. Er hat die neue Methode von einem Studienaufenthalt in Italien mitgebracht. Heute operiert er jährlich zwischen 20 und 30 junge Patienten aus der Region Main-Rhön nach dem so genannten „Arthrorise“-Verfahren – „das ist etwa das Aufkommen großer Universitätskliniken“, sagt Feiler. Bei dem Eingriff wird über einen etwa zwei Zentimeter langen Schnitt eine daumennagelgroße Titanschraube in den „Sinus Tarsi“ (Knochenkanal auf Höhe des unteren Sprunggelenks) eingebracht.

    In dem weichen Gewebe knapp vor dem Außenknöchel sorgt sie schon rein mechanisch dafür, dass ein Wegknicken der Ferse nach außen und des Fußlängsgewölbes nach innen erschwert wird. Neuesten medizinischen Erkenntnissen zufolge ist mit ihrem Einsetzen aber auch eine stimulierende Wirkung verbunden, die den Fuß anregt, sich – ergonomisch korrekt – aufzurichten.

    Die noch relativ junge Methode wurde seit Anfang der Achtziger verstärkt in Italien angewendet. Ein ähnliches Verfahren mit einem anderen Implantat (Schraube mit Silikonkopf) konnte Feiler bereits 2007 an der Turiner Klinik von Professor Pisani kennenlernen. „Die heutigen Titanschrauben können theoretisch auch im Fuß verbleiben, wenn keine medizinischen Gründe dagegen sprechen oder jemand den Fremdkörper als störend empfindet““, sagt Stefan Feiler über die europaweit vorangetriebene Technologie, „auch wenn derzeit noch eine Entfernung nach Wachstumsabschluss empfohlen wird. Das muss man individuell entscheiden.“ Pisani war 2007 noch sein „Lehrvater“ bei einem zehntägigen Stipendium in Turin, das ihm die Deutsche Assoziation für Fuß- und Sprunggelenk (DAF) ermöglicht hatte.

    Die Gesellschaft für Fußchirurgie (GFFC) schickte Stefan Feiler 2010 gleich für drei Wochen zum Hospitieren in die USA, nach Dallas und Baltimore. Ein wenig konnte er dort wohl für den „europäischen Weg“ bei kindlichen Knick-Plattfüßen werben, aber auch neue Anregungen mit nach Hause nehmen. Für den Vizepräsidenten des GFFC und dessen fußchirurgischen Mentor, Professor Markus Walther, steuert der in Gochsheim aufgewachsene Feiler jetzt jedenfalls zwei Kapitel zu dessen Online-Lehrbuch für Fußchirurgen bei.

    Dabei geht es um die Behandlung des Hallux Valgus, im Volksmund als „Schiefzehe“ bekannt. Und eben um die Arthrorise beim kindlichen Knick-Plattfuß, bei der Stefan Feiler inzwischen über einige Expertise verfügt. Es gibt sogar Vorlesungsanfragen an ihn zu diesem Thema aus New York. Mit einer deutsch-amerikanischen Firma entwickelt er derzeit ein individuell anpassbares Implantat für die platten Kinderfüße.

    Kapitel fürs Online-Lehrbuch

    Dieser Tage hat er an der Gerolzhöfer Geomed-Klinik wieder „OP-Tag“. Drei betroffenen Kindern wird er mit dem Eingriff dauerhaft Erleichterung verschaffen. Eine Viertelstunde dauert die Operation, anschließend werden die Patienten mit einem Skischuh-ähnlichen „Walker“ und Gehhilfen ein bis zwei Wochen lang mobilisiert sowie eine Woche mit einem Spezialschuh ohne Gehstützen. Nach einer insgesamt sechswöchigen Sportpause sind sie von ihrem Knick-Plattfuß befreit – und das dauerhaft.

    Im Ortho-Zentrum Main-Rhön (www.ozmr.de), einer Gemeinschaftspraxis von fünf Fachärzten in Schweinfurt, Haßfurt und Bad Kissingen, die von Stefan Feiler mit ins Leben gerufen wurde, hat man mit der Methode inzwischen beste Erfahrungen gemacht. Die Erfolgsquote liege bei 85 bis 95 Prozent, ein negatives OP-Ergebnis sei zudem weniger dramatisch, weil die eingesetzte Titanschraube keine Gelenke tangiere: „Man kann sie wieder entfernen – wegen des relativ kleinen Schnittes meist auch ohne Komplikationen“, sagt Feiler.

    @HALLUXInfo mit 400 Followern

    Der Mediziner, der sich in Sachen Fußchirurgie inzwischen durchaus weltweit einen guten Namen erworben hat und unter seinem Twitter-Account @HALLUXInfo über fast 400 „Follower“ verfügt (darunter teils renommierte Kollegen), studierte an der Universität Würzburg. Nach ersten beruflichen Erfahrungen in der Chirurgie der Missionsärztlichen Klinik und einem zwischenzeitlichen Gastaufenthalt in San Francisco kam er für fünf Jahre an das Orthopädische Krankenhaus Werneck.

    2001 gründete er mit seinem Kollegen Dr. Max Lippert eine Gemeinschaftspraxis in Schweinfurt, aus der inzwischen das Ortho-Zentrum Main-Rhön erwachsen ist. Seine operativen Eingriffe führt er neben der Geomed-Klinik auch in Schweinfurt am Krankenhaus St. Josef oder am ambulanten OP-Zentrum der Anästhesisten Dres. Freund durch.

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