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SCHWEINFURT: Die Trilogie des Scheiterns

SCHWEINFURT

Die Trilogie des Scheiterns

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    Luftnummer Bällewerfen: Jeder Wurf birgt hier die Gefahr der Schulterluxation.
    Luftnummer Bällewerfen: Jeder Wurf birgt hier die Gefahr der Schulterluxation. Foto: Fotos: Martina Müller

    Gute Laune, ausgelassene Stimmung, Spaß und Nervenkitzel in den Fahrgeschäften: Das ist Volksfest. Für die anderen. Nicht für mich. Ich erlebe auf dem Festplatz Momente des Scheiterns, Augenblicke der Hilflosigkeit, Anflüge einer Depression.

    Glatt, rutschig, Kraxelbaum

    Der Kraxelbaum mitten im Hahn'schen Festzelt hat's mir angetan. Wer es an dem glatten Stamm bis ganz nach oben schafft und an der Glocke bimmelt, muss keine Lokalrunde zahlen, sondern erhält eine Freimaß Festbier. Das lohnt sich doch. Und allzu schwer sieht es auch nicht aus für einen halbwegs trainierten Mittvierziger.

    Leider steht der Kraxelbaum unmittelbar neben der Brauhaus-Box. In der sitzt die Schweinfurter Prominenz und reibt sich schon die Hände. Dem Pressefuzzi zusehen, wie er sich bis auf die Knochen blamiert – herrlich. Darauf schon mal einen „Willi“ – der packt des eh net.

    Wie wahr. Der Kraxelbaum ist unbezwingbar. Kaum hat man ein paar Zentimeter gewonnen, rutscht man diese unweigerlich auch schon wieder hinunter. Die Jeans zu glatt, die Hände zu fettig. Oder ganz einfach: die Muskeln zu schwach. Schade. Wie gerne hätte ich von da oben mein Siegerlächeln in die Brauhaus-Box geworfen. Beim nächsten Mal sitz' ich halt doch wieder da unten und erfreu' mich am Scheitern der anderen.

    Luftnummer Bällewerfen

    Es sind nur zehn Dosen. Sie bilden eine Pyramide. Wenige Meter vor meinen Augen. Und ich habe drei Bälle. Wäre doch gelacht, wenn ich dieses Kunstgebilde nicht abräumen würde. Klar weiß ich, dass es die anderen auch nicht schaffen. Aber was soll daran schwer sein? Nichts ist schwer – im Gegenteil. Die Bälle sind federleicht. Jeder Wurf eine potenzielle Schulterluxation. Bällewerfen ist eine echte Luftnummer, abräumen unmöglich.

    Beim ersten Mal filetiere ich ganz rechts eine Dose aus dem Stapel. Dass der Rest stehen bleibt, widerspricht allen Gesetzmäßigkeiten der Physik, glaube ich. Wurf zwei ist erfolgreicher: Zwei Büchsen fallen. Mit dem dritten Wurf räume ich die drei oberen Reihen komplett ab. Unten stehen noch vier Dosen, eine kullert hilflos dahinter herum und will einfach nicht vom Brett fallen. Ehrlich gesagt: Bällewerfen war noch nie mein Ding. Über eine Drei bin ich in der Schule mit dem Schlagball nie hinausgekommen. Note Drei, versteht sich – nicht Meter.

    Gentleman-Boxen

    Jessi Heinen macht auf der Bühne seiner Boxbude mächtig Wirbel. Seine Jungs tänzeln um ihn herum, traktieren die Birne, malträtieren den Boxsack. Wenn schon scheitern, dann richtig – aber lieber ohne blutende Nase, blaues Auge, drei Tage Kopfweh. Neben der Bude steht ein Automat. Nette Sache: Die Birne klappt runter, man prügelt drauf und kann anschließend ablesen, wie hart man getroffen hat.

    „Komm mal her, John aus Liverpool oder Victor aus Kiew“, rufe ich wohlgemut. Hier kann ich verlieren, ohne dass es weh tut. Gerne macht das der kräftige Bursche allerdings nicht, den Jessi da nach unten schickt. Und er schaut mich auch so komisch an. Wird er wirklich gegen die Birne schlagen und nicht gegen meine? Er wird. Gut 8600 Punkte, „he, schlag mir den Automaten nicht kaputt“, brüllt sein Chef. Bei mir hat er diese Befürchtungen nicht. Immerhin: 7600 Zähler und alle Knochen noch heil. Damit kann ich leben. „Kannst jetzt raufkommen, hast dich für einen Kampf qualifiziert“, brüllt Jessi. Blöder Scherz.

    Keine Angst vor Lukas

    Kraxeln, boxen, Bälle werfen – klassische Rummel-Attraktionen, für die ich mich nur noch am Rande interessiere. Auch Geschäft Nummer 38 ist nicht mein Ding. Es ist der EC-Automat, an dem ich mit meiner Karte leider auch scheitere. Egal. Im Festzelt wird man mir eine schöne Maß einschenken, für zivile 6,60 Euro, da kann ich dann meine Wunden lecken und mich aufbauen lassen mit ein paar netten Worten von einer feschen Bedienung im Dirndl.

    Auf dem Weg dorthin blickt mich eine Schaustellerin von schräg unten listig an. „Hau den Lukas, der Herr?“ Bin ich vogelwild? Hier, in aller Öffentlichkeit? Dreimal gescheitert, jetzt auch noch das? Die Alte legt nach: „Oder ham's Angst?“ Angst? Ich? Vor Lukas? Nicht damals auf dem Schulhof und heute gleich dreimal nicht. Her mit dem Hammer.

    Ich hole weit aus; ich spüre das Gewicht des Hammers, die Wucht, mit der er auf den Ambos saust. Wenig später gehen die Lichter an, am Kopfende der Blechfigur. Es klingelt, laut, das ganze Musikerviertel kann es hören. Ich schlage noch mal; es klingelt wieder. Noch mal – lange wird die Elektronik das nicht mehr mitmachen. Freie Auswahl – zwischen ein paar mehr oder weniger geschmackvollen Schlüsselanhängern. Jetzt freu' ich mich aufs Festzelt. Auch bis dort hinein müsste sich mein Triumph inzwischen herumgesprochen haben. Vermutlich werde ich jubelnd empfangen...

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