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SCHWEBHEIM: Die verschnürten Briefe

SCHWEBHEIM

Die verschnürten Briefe

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    Zeitbilder: Den Briefwechsel seiner Eltern verarbeitete Bernhard Gehringer zu einer umfassenden Liebesgeschichte mit tiefen Einblicken in den Alltag von 1939 bis 1947.
    Zeitbilder: Den Briefwechsel seiner Eltern verarbeitete Bernhard Gehringer zu einer umfassenden Liebesgeschichte mit tiefen Einblicken in den Alltag von 1939 bis 1947. Foto: Foto: Ursula Lux

    Kaum hatte Bernhard Gehringer die Briefe und Tagebuchaufzeichnungen seiner Mutter in einem Buch verarbeitet, fand er beim Ausräumen des elterlichen Hauses drei Schuhkartons mit verschnürten Briefen. Es waren Liebesbriefe, die sich seine Eltern in der Zeit von 1939 bis 1947 geschrieben hatten. Und wieder lernte Gehringer seine Eltern von einer ganz anderen Seite kennen.

    Der Autor ist in der Region kein Unbekannter. Der ehemalige Schwebheimer ist Germanist und arbeitete als Gymnasial- und Seminarlehrer in Schweinfurt. Im ersten Buch über seine Eltern setzte er sich mit zwei jungen Menschen auseinander, die im Dauerfeuer der Berieselung nationalsozialistischer Propaganda aufwuchsen und diese verinnerlicht hatten.

    Eine Liebesgeschichte eingebettet in das Dritte Reich und die Kapitulation

    Sein jetzt neu erschienenes Buch „Die verschnürten Briefe – Geschichte einer Jugendliebe“ erzählt von der Liebesgeschichte der Eltern, eingebettet in den kleinbürgerlichen Alltag im Dritten Reich und in der Zeit nach der totalen Kapitulation. Die Briefe geben Einblick in die Gefühlswelt der Liebenden, geprägt von hohen Idealen wie Treue und aufeinander Warten, aber auch in die Gefühlswelt einer fränkischen Kleinstadt am Beispiel von Rothenburg ob der Tauber.

    Dort arbeitet Irmi Schlör, die Mutter, in der elterlichen Bäckerei. Fritz Gehringer, der Vater, schreibt aus dem Reichsarbeitsdienst, von der Rekrutenausbildung, vom Fronteinsatz in Karelien und von der Junkerschule in Klagenfurt, wo die jungen Offiziersanwärter der Waffen-SS bis Juli 1944 gedrillt werden, um als letzte Wunderwaffe eingesetzt zu werden.

    Die letzten Briefe kommen von der Westfront, aus dem Lazarett und dem Internierungslager 

    Die letzten Briefe kommen von der Westfront, aus dem Lazarett und schließlich aus den Internierungslagern. Gesehen haben sich die beiden selten, erklärt Gehringer, deshalb vielleicht auch der ausgiebige Briefwechsel.

    Das Entziffern der Briefe erwies sich als eine zeitaufwändige Arbeit, das Papier war vergilbt und brüchig. Die Schrift, oft mit Bleistift geschrieben, verblasst. Gehringer las und diktierte die Inhalte, die von einer Schreibkraft getippt wurden. Dann wurden die ungefähr 1000 Briefe handschriftlich exzerpiert, das Wesentliche herausgearbeitet. „Man hätte die Briefe nicht eins zu eins abdrucken können, das wäre für den Leser schrecklich langweilig gewesen“, erklärt der Autor.

    Schließlich wurde das Ganze in Buchform gebracht. Ein erster Teil beschäftigt sich mit den Jahren 1939 bis 1945. „Es ist schön zu sehen, wie die Beziehung der beiden wächst, und auch die Fähigkeit, sich mitzuteilen, von einschichtig naiv bis intensiv“, erklärt Gehringer. Interessant ist auch der Blick in die Gedankenwelt und die Ideale dieser Generation in der Zeit des Nationalsozialismus, wie sehr der Moralkodex der Zeit sie geprägt hat und die beiden „die SS-Ideologie, nach der Mann und Frau Gefährten im Lebenskampf sind, zelebriert haben“.

    Der zweite Teil des Buches gibt die Zeit nach dem Kriegsende wieder. Alltagsgeschichten aus Rothenburg spiegeln die Art und Weise, wie diese Generation versucht, wieder in eine wie auch immer geartete Normalität zurückzufinden. Diese durch und durch von Naziideologie durchdrungenen und siegesgewissen jungen Menschen mussten sich völlig neu erfinden, erklärt der Autor. Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes eine „lost generation“, eine verlorene Generation.

    Fritz, sein Vater, Hoffnungsträger in der Waffen-SS, plant inzwischen ein Café aufzumachen oder eine Keksfabrik. Studieren war nicht mehr möglich. Der Traum, Architekt zu werden, musste wie viele andere Träume begraben werden. Eines aber blieb und hielt, der Rückzug in die Zweisamkeit: „nur du und ich.“

    Tiefe Einblicke in die Träume und Hoffnungen

    Im dritten Teil des Buches beschreibt der Autor seine Eindrücke von den im Briefwechsel benannten Originalschauplätzen. Eine lesenswerte Liebesgeschichte, die tiefe Einblicke in die Träume und Hoffnungen, aber auch die Fragen und Enttäuschungen jener Generation gibt, die Anfang und Mitte der 1920er-Jahre das Licht der Welt erblickte.

    Für den Autor bleibt neben einem 400 Seiten umfassenden Buch und einer intensiven Auseinandersetzung mit seinen Eltern und deren Welt jetzt vor allem eine Ein- beziehungsweise Aussicht: „Als Nächstes schreibe ich einen Krimi, was ganz Entspannendes, denn das ist eine Ochsentour gewesen.“

    Einblicke in sein Werk gibt der Autor Bernhard Gehringer bei einer szenischen Lesung mit Originalfotos und Musik am Freitag, 26. Juni, in der Mehrzweckhalle in Schwebheim.

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