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SCHWEINFURT/MELLRICHSTADT: „Die Zeugen sind verstockt, verheuchelt“

SCHWEINFURT/MELLRICHSTADT

„Die Zeugen sind verstockt, verheuchelt“

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    Beruflich haben Carl Friedrich Wilhelm Behl, den ersten Schweinfurter Landgerichtspräsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg, in den ersten Jahren seiner Amtszeit nach dem Krieg Pogromprozesse besonders beschäftigt. Einer davon fand in Mellrichstadt statt. In seinem „Diarium XIII“ (Tagebuch) schrieb Behl seine Erkenntnisse und Wertungen über ein Pogrom nieder, bei dem weit vor der so genannten „Reichskristallnacht“, nämlich schon Ende September 1938, die Synagoge in Mellrichstadt zerstört wurde.

    Henlein-Banditen

    Nach Behls Aufzeichnungen ging die Gewalt von einer Gruppe von Sudetendeutschen aus, die sich damals in Mellrichstadt aufhielten. Der Landgerichtspräsident bezeichnet sie als „Henlein-Banditen“ – in Bezug auf den Anführer der sudetendeutschen Gefolgschaft Hitlers, Konrad Henlein.

    Behl schreibt: „Und nun gingen sie mit ihren Hakenkreuzbinden am Arm, ihren weißen Strümpfen – Symbolen des zur Aggression ausholenden ,Deutschvolkstums‘ – umher, bändelten mit den jüdischen Einwohnern des Städtchens an, die aus ihrer Verschüchterung der Naziverfolger wegen der ,Tschechenkrise‘ ein wenig aufzuatmen wagten, und reizten die halbwüchsige Jugend auf. Schließlich hieß es – wie üblich –, die Juden hätten sie provoziert, und nun wurde beschlossen, sie zu verprügeln, wenn sie am Freitagnachmittag in die Synagoge gingen.“

    Totale Zerstörung

    Doch nicht alle Halbwüchsigen hätten über den Plan schweigen können, die Juden seien gewarnt worden. „Sie sagten den Gottesdienst ab – und nun veranstaltete der Mob, der sich vor der Synagoge eingefunden hatte, wütend, daß die Juden ferngeblieben waren, eine totale Zerstörung der Synagoge mit anschließenden Gewalttaten gegen die Fensterscheiben jüdischer Wohnungen und Geschäfte, die bald in gemeine Plünderung ausartete.“

    Doch ist die Beweislage nach mehr als zehn Jahren extrem schwierig, wie Behl einräumt, und das wird genutzt: „Heute will keiner mehr etwas mit der Verfolgung der etwa 20 bis 25 jüdischen Familien des Städtchens zu tun gehabt haben. Keiner hat den Mut, sich zu dem einstigen Antisemitismus zu bekennen. Alle beteuern heuchlerisch, sie seien gar nicht gegen die Juden, aber man fühlt fast gegenständlich die Atmosphäre der Lüge. Die Zeugen sind verstockt, verheuchelt, verängstlicht und im tiefste Innern verbiestert.“

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