Es ist normalerweiser einer der Höhepunkte des Jahres in Dingolshausen: Der Umzug mit vielen Motivwägen zur Kirchweih – im Sprachgebrauch "Kerm" genannt. Viele Menschen säumen dann normalerweise die Hauptstraße des Ortes. Es gibt einen Glühweinstand der Ministranten, gute Stimmung und die örtliche Köhlerkapelle spielt Musik. Anschließend nehmen die beiden amtierenden Kirchweih-Prediger – derzeit René Hauck und Tobias Zeiß – lustige Missgeschicke humorvoll aufs Korn.
Doch in diesem Jahr ist wegen der Corona-Pandemie alles anderes. Ein Umzug mit Predigt und vielen Menschen: undenkbar. Doch die Verantwortlichen um Marc Funk von den Kirchweihburschen ließen sich nicht entmutigen. Ein "Kirchweih-to-go-Paket" (wir berichteten) enthielt neben einigen anderen Sachen ein Grußwort der Bürgermeisterin und die Kirchweihpredigt - in gedruckter Form. Wie kam das an?
Tradition bewahren
Der ehemalige Bürgermeister Lothar Zachmann war selbst viele Jahre Kirchweihprediger. Er findet es "eine super Idee, um auch in schwierigen Zeiten das Brauchtum aufrechtzuerhalten". Mit diesen Worten zollt er den Verantwortlichen, aber auch der örtlichen Gastronomie – diese bot passendes Essen zum Mitnehmen an – großen Respekt. "Wir hoffen aufs nächste Jahr und halten zusammen, damit unser Brauchtum weiterlebt", macht Zachmann deutlich.
"Wir finden das Ganze sehr gut, da in diesem Jahr ja alles eingeschränkt ist und man nicht zusammen feiern darf", sagen auch Holger und Claudia Zehner. Einer der Kirchweihburschen, Christian Herbst, findet es "super, was die Jungs und Mädels auf die Beine stellen, um unsere Tradition zu bewahren". Ein weiterer ehemaliger Bursche, Stefan Weigel, hat sich ein Paket bestellt und macht deutlich: "Mit diesem Paket wird jeder daran erinnert, dass jetzt eigentlich Kirchweih wäre." Er findet es eine "super Aktion" der Verantwortlichen. Dieser Meinung ist auch Ernst Greb: "Eine sehr, sehr gute Idee, um die Kirchweihtradition aufrechtzuerhalten."
Engagement der Verantwortlichen
Dass das Brauchtum auch heute noch erlebt werden kann, ist Karl Bauers Engagement zu verdanken: Im Jahr 1982 ergriff er – zusammen mit dem bereits verstorbenen Heinz Krahn – die Initiative, die fast vergessene Tradition wieder zu beleben. Der heute 96-Jährige finde das Engagement der heutigen Verantwortlichen "sehr gut", übermittelt Christel Heberle, die Tochter von Karl Bauer.

Im Kirchweihpaket "to go" war neben der Predigt auch ein Grußwort von Bürgermeisterin Nicole Weissenseel-Brendler. In gereimter Form zollt sie den Verantwortlichen Respekt: "Ich danke unserer Jugend hier im Ort, führen trotz Corona die Traditionen fort." Und natürlich kommt sie in ihrem Grußwort auf die Wahl zu sprechen: "Doch eins ist klar, auch ohne Witz, statt zwä, tun jetzt vier Bischwinder im Gemerat sitz, mit der Bürchermesterin an der Spitz."
Allen Dingolshäusern und Bischwindern dankt sie in ihrer Rede: "Habt herzlichen Dank für das kreative Jahr, egal was mit Corona auch geschah." Sie lobt explizit die Kirchweihburschen für deren Engagement. "Für mich ist es wichtig, dass wir es schaffen, an unseren Traditionen festzuhalten."
Missgeschicke und Ereignisse
In der Predigt gingen Tobias Zeiß und René Hauck auf einige Missgeschicke und Ereignisse des vergangenen Jahres ein: "Am 1. Mai endete seine Amtszeit, 24 Jahre war er stets für uns bereit", so die Prediger in Richtung Lothar Zachmann. "Lang hat er gehofft und saß auf Kohlen, doch gegen Töpper gab es nix zu holen." Auch die Wahl von Nicole Weissenseel-Brendller zur neuen Bürgermeisterin kommt in der Predigt vor: "Wie's jeder weiß, is die Gewinnerin, die Traustädter Bischwinnerin."
Telefon und Ski
Dass man besser das Telefon laden und auch die mit dem Telefon kombinierte Klingel nicht abstellen sollte, war ebenfalls zu lesen: "Der Schulbus war schon weg und aufs Klingeln hat keiner reagiert, so habe ich mein Schicksal halt akzeptiert." Der Bub, der seinen Bus verpasst hatte, hatte sich nur an die Weisung der Eltern gehalten: "Die Aufregung der Eltern konnt er gar net versteh, ist keiner daheim, is der Holzschuppen der Plan B." Einen Rat haben die Prediger auch parat: "Wollt ihr kein Streß und nicht verzagen, müsst ihr bloß den Akku laden."
Interessante Predigt
Auch auf den Maibaum, der damals aufgrund von Corona nicht gestellt werden konnte, kamen die Prediger zu sprechen. So wurden gelb-weiße Fähnchen verteilt und viele Dingolshäuser schmückten damit Bäume und Sträucher. Beim Weinfest "für zu Hause" wurden viele Pakete durch fleißige Helfer verteilt. So konnte in den Privathaushalten kräftig gefeiert werden.
Ein vermeintlicher Feuerwehreinsatz (trotz Probealarm waren zwei Mitglieder zum Feuerwehrhaus geeilt), ein Problem auf der Baustelle (das Wasser aus der Steckdose war am Ende eine defekte Dachrinne) und ein Unfallschaden an einer Garage ("Der Hausherr erwägt Betonpoller anzubringen") standen weiterhin in der sehr interessanten Predigt, die von mehreren Burschen erstellt worden war.