Beim Spatenstich für das neue Seniorenzentrum im Juni 2017 ist es den Sennfeldern gedämmert, doch erst jetzt beim Richtfest im Oktober 2018 wird es ihnen offenbar: Mitten im Altdorf steht nun eine „Pflegeburg“, wie Harald Zeidler den dreistöckigen Gebäudekomplex an der Kreuzung Hauptstraße und Johann-Wenzel-Straße bezeichnet. „Das ist viel zu groß, das passt überhaupt nicht ins Umfeld, verhindert den Blick ins Grüne.“ Zeidler hat Klage gegen das Bauprojekt eingereicht.
„Historischer Tag für Sennfeld“
Als am 23. Juni 2017 der erste Spatenstich zum Neubau des Pflegezentrums „Haus am Sennfelder See“ erfolgte, sprach der damalige Bürgermeister Emil Heinemann von einem historischen Tag für die Gemeinde Sennfeld. Jahrelang hatte er sich um den Bau einer solchen Einrichtung in seiner Gemeinde bemüht und dann endlich mit der Schellmann Unternehmensgruppe eine Bauträgergesellschaft sowie mit dem in München angesiedelten Unternehmen Korian Deutschland einen Betreiber gefunden. Über die Seubert-Seniorenimmobilien GmbH in Würzburg, die in ganz Deutschland Pflegeimmobilien an Kapitalanleger vermittelt, wurden gemeinsam mit der Sparkasse Schweinfurt die 104 Einheiten an private Investoren verkauft.
In Sennfeld hätten die Bürger davon nichts gewusst, behauptet Zeidler. Er selbst habe erst auf der Bautafel an der Baustelle von dem Sennfelder Altenheim als Renditebringer und der Größe des Projektes erfahren. „Hier muss die Rendite für die Anlieger gesichert werden“, glaubt Zeidler, dass die Planung des Seniorenheimes „kapitalorientiert“ und deshalb so groß erfolgt ist. Dass die damaligen Gemeinderäte dabei die fränkische Tradition außer Acht und einem dreistöckigen Flachdachkomplex mitten im Altort zugestimmt haben, stimmt ihn traurig.
„Bürgermeister wollte sich ein Denkmal setzen“
„Der Bürgermeister wollte sich ein Denkmal setzen“, glaubt Anwohner Günther Schneider, der Planung, Genehmigung und Bau eines solchen Bauprojektes in einem Gemüseanbaugebiet für ökologisch fragwürdig hält. „Hier wird eine Landschaft zerstört und ein bedeutendes Stück gesunde Umwelt dem kommerziellen Denken geopfert.“
Warum melden sich die Sennfelder aber erst jetzt zu Wort, wenn der Rohbau schon steht? „Wir haben nichts über diese Dimension gewusst“, kritisiert Zeidler fehlende Informationen der Gemeinde für die Bürger.
Nachbarn meldeten Bedenken an
Zumindest die Bauspenglerei Rückert als direkter Nachbar der Seniorenwohnanlage war im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eingebunden worden. Sie hatte auch Bedenken gegen das Bauprojekt angemeldet. Nicht nur wegen der Größe der Seniorenanlage, sondern weil diese unmittelbar neben der Werkstatt ihrer Bauspenglerei entsteht. Dort wird – bereits in dritter Generation – mit Metall gearbeitet, entsprechend entstehen auch Immissionen. In zahlreichen Gesprächen mit dem damaligen Bürgermeister Heinemann habe man darauf hingewiesen, dass es zu Lärmbelästigungen für die Bewohner der Seniorenanlage kommen könne, sagt Firmenchefin Hedwig Rückert. Aber alle Bedenken seien ignoriert worden.
Inzwischen hat die Firma noch ein anderes großes Problem: Über den Hof des Firmengeländes ziehen sich große Risse, ebenso entlang des Sockels und den Wänden an den vier Garagen. Eine Wand ist von oben bis unten gerissen, Tore und Fenster lassen sich nicht mehr richtig schließen. Und an der Pergola hat sich ein massiver Holzpfeiler um einige Zentimeter verschoben. „Das kommt von den Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück“, ist sich Hedwig Rückert sicher. Denn dort mussten zur Grundwasserabsicherung acht Meter lange Stahlspundwände in den Boden gerammt werden. Die Erschütterungen seien so stark gewesen, dass sogar das Geschirr im Küchenschrank gewackelt habe.
Bürgermeister Schulze vermittelt
Bürgermeister Oliver Schulze, der das Bauprojekt von seinem Vorgänger Heinemann „geerbt“ hat, versucht nun zwischen Anwohnern und Bauträgergesellschaft zu vermitteln, bittet um Verständnis für den Baulärm und die verkehrstechnischen Belastungen. Dass die Sennfelder nicht über das Bauprojekt informiert worden seien, das weist er zurück. Es habe eine Bürgerversammlung gegeben, bei der die Pläne vorgestellt worden seien. Außerdem sei hinlänglich bekannt gewesen, dass die Gemeinde dort Bauabsichten für ein Pflegeheim verfolge.
Dass Sennfeld ein Pflegeheim bekommt, sei eine Bereicherung. Und dass dieses mitten im Ort entsteht, sei sinnvoll, weil hier die meisten alten Menschen wohnen und nach dem Einzug ins Heim eine gute soziale Anbindung haben sollen. Schulze räumt allerdings ein, dass die Größe des Hauses mit 104 Einheiten durchaus der Wirtschaftlichkeit geschuldet sei. „In Ortsnähe fällt mir aber kein anderer Platz ein, wo man das hätte besser verwirklichen können.“
Zu wenig Parkplätze am Pflegeheim
Bleibt noch das Thema Parkplätze. Aktuell sind auf dem Baugrundstück nur acht bis zehn Parkplätze eingeplant. Das hält auch Bürgermeister Schulze für nicht ausreichend und verweist auf den großen Schotterparkplatz der ehemaligen SKF-Freizeitanlage in fußläufiger Entfernung, der für Besucher und Beschäftigte „in einem ersten Schritt“ sofort genutzt werden könne. Dass für den Betreiber als Dauerlösung Parkplätze direkt am Wohnheim wünschenswert sind, will Schulze nicht verhehlen. Die benachbarten Gemüsefelder in Gemeindebesitz wären hier eine Option. Dagegen aber haben schon die Grünen im Gemeinderat interveniert. Und auch die Anwohner würden sich das nicht wünschen. „Wir vermissen das grüne Gewissen unserer Gemeinde“, appellieren Günther Schneider und Harald Zeidler an die Gemeindeverantwortlichen, „nicht noch mehr wertvolles Ackerland zu opfern.“