Der Transporter mit dem DSDS-Logo wackelt, dumpf dringen Fetzen von Gesang nach draußen. Wer hinter dem Absperrband den Hals lang macht, sieht drinnen einen Mann mit dichtem Lockenschopf und ausgebreiteten Armen tanzen. Es ist Guillermo Sánchez Cordero, der Kubaner bewirbt sich gerade bei „Deutschland sucht den Superstar“.
Die alte Dame unter den deutschen Castingshows sucht wieder nach Kandidaten für die neue, mittlerweile 14. Staffel. In 47 Städten im deutschsprachigen Raum macht die Produktionsfirma mit den „Casting-Trucks“ Station und sortiert für die Promi-Jury schon mal vor. Bis Dieter Bohlen über die Kandidaten richten wird, ist es noch ein weiter Weg.
Auf dem Schweinfurter Schillerplatz hat das DSDS-Team am Freitag eine kleine Casting-Festung aufgebaut. An einer Seite ein aufblasbares Kuppelzelt, in dem die registrierten Bewerber warten. Eine Schleuse mit Security, ein Anmelde-Pavillon, eine improvisierte Personalecke mit Kaffeepad-Maschine und Aschenbecher und zwei umgebaute Kleintransporter mit Glasschiebetür. „Man sieht ja gar nix“, meint ein enttäuschter junger Mann, der mit seiner Mutter extra zum Gucken gekommen ist.
Freundin erschrecken mit Spontan-Teilnahme
Sie wollten mal schauen, was bei der Marketing-Maschine DSDS so für Leute mitmachen. Naja, dann eben nur ein Foto mit dem Anmelde-Pavillon im Hintergrund. Um daheim die Freundin zu erschrecken. „Schatz, ich mach' spontan mit!“
Kubaner Cordero aus Zeil am Main (Lkr. Haßberge) gibt im Kleintransporter derweil alles. Zwischen Mehrfachsteckdosen, Wasserflaschen und Laptops hocken zwei Produzenten und mustern ihn. Seine Stimme ist glasklar. Cordero kann wirklich singen, das ist ein Kriterium. Und er hat diese wilden Haare, das charmante Lächeln, den spanischen Akzent – man kann sich gleich vorstellen, wie RTL ihn für die Show in Szene setzen würde. In den Teilnahmebedingungen steht deutlich, dass am Ende die Produzenten entscheiden, welchen Song einer singt und welche Klamotten er dabei trägt.
Der 31-Jährige hat den Kuba-Klassiker „Dos Gardenias“ und „La Camisa Negra“ von Latino-Star Juanes vorbereitet. Zwei Lieder auf Spanisch? Nix für RTL. „Sie waren begeistert von meinem Gesang und der Bewegung, aber ich muss heute Abend noch mal wiederkommen mit einem Lied auf Englisch“, erzählt Cordero draußen vor der Absperrung. Also schnell los, drei Stunden Zeit für ein komplett neues Lied. Die Juroren finden ihn offensichtlich interessant, sonst hätte er sofort die Absage kassiert.
Manche bekommen sofort einen Korb
So wie zum Beispiel Franziska Jahn aus Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt), die „noch an ihrer Stimme arbeiten“ soll. Oder Deutschrapper Nick Persch aus Haßfurt (Lkr. Haßberge), der nach seiner Performance ein bisschen sauer ist: Das DSDS-Motto diese Jahr heißt „No Limits“ – keine Grenzen also, alle Musikstile seien erlaubt, außerdem auch Duos, Gruppen, ganz egal. Aber wer nur rappt und nicht singt, hat dann doch verloren.
Wenn das Truck-Team einen Kandidaten für geeignet hält, muss er hier in Schweinfurt gleich Papierkram erledigen, es werden Fotos gemacht und er bekommt eine Einladung zum „Jurycasting-Workshop“ in Köln. Da werden die Teilnehmer dann vor einer „Vorauswahl-Jury“ auftreten, die entscheidet, ob sie danach beim „Jurycasting“ mit den Promi-Prüfern mitmachen dürfen. Wohl damit Dieter Bohlen trotz umfangreicher Selektion noch jemanden zum Bloßstellen hat, kommen in den Castings auch Leute weiter, die nicht wie ein Superstar-Vögelchen singen. RTL nennt das in den Presseunterlagen zur Castingtour eine „repräsentative Auswahl“, damit die Zuschauer bei „witzigen Casting-Shows die ganze Bandbreite der Bewerber kennenlernen“.
Ein gesundes Selbstbewusstsein gehört dazu
Vielleicht werden die Zuschauer auch Daniel Barnes kennenlernen, Künstlername „Kid Scully“. Der US-Amerikaner aus Würzburg kann was, er ist der Kandidat für den gefühlvollen R'n'B-Song. Muskeln, dunkler Teint, Tattoos, verspiegelte Sonnenbrille, Cap: „Da waren ein Mann und eine Frau im Truck, die Frau hat nach zwei Sätzen direkt gesagt, dass ich weiter bin“, sagt Barnes und grinst.
Warum er hier ist? „Natürlich for the Winning!“ Vor acht Jahren hat er schon mal mitgemacht, war aber zu jung. Und wenn er rausgeflogen wäre? „Dann hätte ich schon bös' an mir gezweifelt.“ Dass die Gewinner der vergangenen Staffeln alle eine recht geringe Halbwertszeit am Pophimmel hatten, diese Gefahr sieht er für sich nicht. Er würde am Ball bleiben, Marketing auf allen Kanälen, dann bliebe er bestimmt oben. Ob man für diese DSDS-Sache schon ein gesundes Selbstbewusstsein brauche? „Auf jeden Fall. Ein bisschen ein Arschloch bin ich schon“, sagt Barnes und lacht. Dann muss er weiter, mehr Fotos machen.