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Editorial: Kunstvolle Entlarvungen

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Editorial: Kunstvolle Entlarvungen

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    Wolfram Weimer ist ein guter Redner. Ein guter Erzähler. Er kennt die Macht der Worte, die Macht der Sprache. Vor allem aber kennt er die Macht der Bilder. Er würde sich nicht dazu versteigen, eine Plattitüde zu sagen wie „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, widersprechen würde er dieser Volksweisheit vermutlich aber trotzdem nicht.

    Weimer war Chefredakteur bedeutender Tageszeitungen, 2004 hat er das Politikmagazin „Cicero“ gegründet, dessen Herausgeber er heute ist. Neulich hat er auf Einladung der Sparkasse in Schweinfurt über „Die Macht der Medien“ gesprochen. Und damit vor allem die Macht der Bilder gemeint.

    Denn es sind Bilder, über die sich die Vertreter der Berliner Republik inszenieren. Ursula von der Leyen, raffiniert ausgeleuchtet in Feldherrinnenpose, im Hintergrund die Trans-All-Maschine. Horst Seehofer, wie er im Zirbelstüberl mal so richtig auf den Tisch haut, so heftig, dass ein Wasserglas in die Luft fliegt. Sigmar Gabriel, in einer Hand die Aktenmappe, die andere väterlich behutsam am Griff des Kinderwagens. Angela Merkel, in weißer Hose auf dem Waldboden am Ufer eines uckermärkischen Sees sitzend. Das Jackett im Blau des Himmels, das Lächeln gelöst, gleichsam unbelastet von der Mühsal von Amt und Verantwortung.

    Es sind Kamera-Gemälde an der Grenze des Surrealen, ihr Schöpfer ist der Fotograf Wolfgang Wilde. Wolfram Weimer sieht ihn als eine moderne Version von Diego Velásquez (1599–1660) – Maler am Hofe des spanischen Königs Philipp IV. Die Parallele drängt sich auf. Beide Künstler inszenieren ihre Modelle – deren Wunsch nach Selbstdarstellung gehorchend – als beherrschende Persönlichkeiten. Bei Wilde ist jeglicher Hintergrund, so artifiziell er auch konstruiert sein mag, nur fokussierendes Beiwerk, bei Velásquez verschwindet der Hintergrund oft gleich ganz.

    Beide Künstler können in einem Bild ganze Geschichten erzählen, und nicht immer ist dabei klar, ob diese Geschichten die Dargestellten tatsächlich im besten Licht zeigen – im übertragenen Sinne, natürlich.

    Papst Innozenz X., den Velásquez 1650 porträtierte, fand sich zu gut getroffen: „Troppo vero“, nannte er das Bild, das ihn mit deutlichen Zeichen des Alters und der Resignation zeigt.

    Die Berliner Politiker hingegen scheinen sich nicht an ihrer kunstvollen Entlarvung zu stören. Hier gilt wohl die Devise: Hauptsache abgebildet werden.

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