Ende Mai haben sich in Stuttgart 90 Menschen getroffen, zwei Drittel Theaterleute – Intendanten, Dramaturgen, Pressesprecher –, ein Drittel Kulturjournalisten. Thema des Symposiums: „Theaterkritik heute“. Klingt für den Außenstehenden vielleicht nach ruhigen zwei Tagen, mit abgehobenen Insider-Diskussionen über Regietheater, Shakespeare-Rezeption oder Schauspiel-Talente.
Doch so war es nicht. Es herrschte Krisenstimmung. Die Theater fühlen sich aus der medialen Öffentlichkeit verbannt, in der Gesellschaft marginalisiert. Sie kämpfen mit einem Rückgang des Schauspiel-Publikums, mit der „Ignoranz der Zeitungen vor Ort“, vor allem aber mit der drastischen Reduzierung von Rezensionen ihrer Aufführungen in der Presse.
In der Tat hat die Leserforschung immer wieder ergeben, dass die Rezension – neben dem Leitartikel über Jahrzehnte hinweg so etwas wie die journalistische Königsklasse – vom Leser weit weniger wahrgenommen wird, als gedacht. Zeitungen in ganz Deutschland haben daraus Konsequenzen gezogen. Was wiederum zur Folge hat, dass der klassische Theaterkritiker akut vom Aussterben bedroht ist. Stattdessen setzt man auf Interviews, Porträts, Hintergrundberichte. Für manche Theaterleute eine annehmbare Kompensation, für andere ein Symptom für den Niedergang des kulturellen Diskurses in Deutschland.
Man kann diese Diskussion führen, sehr viel bringen wird sie allerdings nicht. Lässt sie doch eine dritte Seite außer Acht: den Theaterbesucher. Oder vielmehr den, der eben nicht ins Theater geht. Warum kommt er nicht? Weil die Zeitung ihm verschweigt, wie faszinierend die neueste „Kirschgarten“-Inszenierung ist? Oder weil er lieber eine der unzähligen anderen Freizeitaktivitäten wahrnimmt, die es heute gibt? Wie auch immer, er wird bestimmt nicht lieber kommen, wenn man ihn einen kulturlosen Tropf schimpft. Bernd Feuchtner, Opernchef in Heidelberg und ehemaliger Journalist, brachte es auf den Punkt: „Wenn das Theater gut ist, dann strahlt es von selber in die Gesellschaft.“