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ÜCHTELHAUSEN: Ein Blick in die „Hölle von Kalkutta“

ÜCHTELHAUSEN

Ein Blick in die „Hölle von Kalkutta“

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    In der Hölle von Kalkutta: Müllkinder, ist eines der neuen Projekte des Vereins zur Hilfe für Kinder in der Dritten Welt.
    In der Hölle von Kalkutta: Müllkinder, ist eines der neuen Projekte des Vereins zur Hilfe für Kinder in der Dritten Welt. Foto: Foto: Stefan Geiger

    „Wir leben im Jahr 2015 und noch immer werden Menschen bei lebendigem Leib von Ratten angefressen.“ Die Südtirolerin Petra Theiner redet sich in Rage. 2003 reiste sie das erste Mal nach Indien, in „die Hölle von Kalkutta“. Der Begriff Hölle ist wörtlich gemeint: 25 Millionen Menschen leben hier auf engstem Raum zusammen, es hat 48 Grad und die Luftfeuchtigkeit liegt bei rund 95 Prozent, der Lärm ist ohrenbetäubend. 10 Millionen Menschen leben in Slums. Seitdem war sie acht Mal in Indien mit einem für sie klaren Auftrag: „Hoffnung auf einen besseren Morgen“ zu geben. Und jedes Mal hat sie „Dankbarkeit und Zufriedenheit mit nach Hause genommen“, was ihr die Kraft zum Weitermachen gibt.

    Theiner eine leidenschaftliche Erzählerin als Rednerin beim Fest zum 25-jährigen Bestehen des „Vereins zur Hilfe für Kinder in der Dritten Welt“. Eng arbeitet sie bei unterschiedlichen Hilfsprojekten mit dessen Vorsitzendem Heinrich Hackenberg zusammen. Der Verein hätte sich keine bessere Rednerin einladen können. Theiners Bilder erschüttern, ihre Worte rütteln auf.

    „Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, auch Menschen wirft man weg“, mahnt sie. Sie kann all das belegen. Nach fünf Jahren vergeblichen Bemühens durfte sie erstmals an den Müllbergen Kalkuttas vorbeifahren. Heimlich filmt sie Bilder, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Kinder, die zwischen all dem Müll, der förmlich zu riechen ist, nach Essbarem oder Verwertbarem suchen. Ebenfalls heimlich gefilmt: Kinder, die Steine klopfen, bis sie nicht mehr aufrecht gehen können. Theiner wird wütend: „Und diese Steine werden von europäischen Firmen gekauft und das Zertifikat ,Keine Kinderarbeit‘ gleich dazu!“

    „Es gibt in Indien einen Spruch, der besagt: In Indien funktionieren nur der Sonnenauf- und der Sonnenuntergang, alles andere ist Überraschung“, erzählt sie. Sie hat viele solche „Überraschungen“ erlebt. Frauen, die mit Benzin übergossen und angezündet werden, weil sie ihren Männern nicht gehorchten. Menschen, die drei Stunden lang laufen, um ein bisschen Wasser zu ergattern. Fälle von Lepra und Rachitis, Krankheiten, die nach den offiziellen Verlautbarungen der Regierung längst ausgestorben sind. Die Gräuel scheinen schier endlos, aber Theiner bleibt nicht bei den Widrigkeiten stehen.

    Sie hilft, beispielsweise Anita, die sie in ihrer Slumbehausung mit hohem Wundfieber gefunden hat; beide Beine waren ihr von einem Zug abgefahren worden. Hilfe im Krankenhaus gibt's nur gegen Bares, und so zahlt sie 17 Euro am Tag, das Essen und die Medikamente sechs Wochen lang. Der Mann von Anita verdient, wenn‘s gut läuft, 10 Euro im Monat, erklärt sie. „Diese Menschen haben keine Chance.“

    Im Fokus des Vereins, der vor 25 Jahren von einer Handvoll engagierter Schweinfurter Polizisten gegründet worden ist, stehen aber die Kinder. In Indien und Namibia wurden seitdem 1400 Patenschaften vermittelt, und das bei rund 300 Mitgliedern. Die Mitgliedsbeiträge werden zur Deckung der Unkosten gebraucht, so dass von einer Spende über 100 Euro auch wirklich 100 Euro bei den Betroffenen ankommen, erklärt Hackenberg. Knapp vier Millionen Euro habe man in diesen 25 Jahren in die unterschiedlichsten Projekte investiert, Krankenhäuser und Schulen gebaut beziehungsweise bauen lassen. Es sind die Einheimischen vor Ort, die selbst Hand anlegen. „Sie haben doch Zeit und die Schule, die sie selbst gebaut haben, ist ihre Schule und hat einen ganz anderen Wert.

    “ „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist die oberste Prämisse der Förderprogramme. „So schön Patenschaften sind, betont Kassier Sven Zillmer: damit das Engagement nachhaltig bleibt, müsse man auf Zukunft hin immer mehr in Projekte investieren. In enger Zusammenarbeit mit den Salesianern Don Boscos setzen sie auf Bildung für die Kinder, gründeten das Projekt „Rachitis“ und die „Aktion Slumkinder“. Neu dazugekommen ist im vergangenen Jahr das Projekt „Müllkinder“. „Wir sind alle auch verantwortlich für das, was wir nicht tun“, mahnt Theiner.

    Bürgermeisterin wird Patin

    Die Schirmherrschaft für die Jubiläumsfeier übernahm Landrat Florian Töpper. Lobenswert fand er den globalen Einsatz und schlug gleich den Bogen zu den globalen Gästen hier in der Region. Er wehrte sich gegen den teils abwertenden Begriff Wirtschaftsflüchtlinge, „Jeder will doch, dass er seine Familie versorgen kann“, meinte er.

    Bürgermeisterin Birgit Göbhardt wurde gleich konkret, sie suchte sich ein Patenkind aus und spendete 500 Euro für das sogenannte „Samstagsfest“, bei dem Kinder einen Tag lang Kinder sein und satt werden dürfen. Pater Gomes Nirmol aus Kalkutta, für eine Woche in der Region, ließ seinen Dank musikalisch erklingen. Mit dem Akkordeon spielte und sang er beim Festgottesdienst das Vaterunser in seiner Heimatsprache, beim Festakt dankte er einigen Vereinsmitgliedern für ihr besonderes Engagement, es waren dies Gabi Hoch, Gerda und Michael Hesselbach, Sven Zillmer und Herbert Weichold sowie Monika und Werner Hackenberg.

    Für Treue geehrt

    Hackenberg ehrte dann die Mitglieder, die dem Verein bereits seit 25 Jahren die Treue halten, allen voran die Gründungsmitglieder Margarete und Johann Wagner, sowie Josef Frink, Brigitte und Winfried Bauer und Walter Lutz.

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