Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Landkreis Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

WIPFELD: Ein Heimatmuseum hat doch jeder

WIPFELD

Ein Heimatmuseum hat doch jeder

    • |
    • |
    In Bildern erfährt der Besucher vom unrühmlichen Ende des Eulogius Schneider auf dem Schafott.
    In Bildern erfährt der Besucher vom unrühmlichen Ende des Eulogius Schneider auf dem Schafott. Foto: Ursula Lux

    Literatur ist wohl nicht das Erste, das einem zu Wipfeld einfällt. Eher denkt man an einen guten Tropfen Frankenwein oder die Mainfähre. Die kleine Winzergemeinde aber hat viel mehr zu bieten. So kann sie beispielsweise gleich vier berühmte Söhne vorweisen: den Humanisten Conrad Celtis, den Revolutionär Eulogius Schneider, den Theologen der Aufklärung Engelbert Klüpfel und dessen Zeitgenossen, den Aufklärer und Schultheißen Nikolaus Müller.

    Diesen Literaten hat die Gemeinde ein ganz eigenes Denkmal gesetzt. 2009, pünktlich zum 550. Geburtstag von Conrad Celtis, öffnete das Literaturhaus seine Pforten. Es ist nach München und Nürnberg das dritte Literaturhaus Bayerns.

    Gemeinde ließ das Haus aus dem 18. Jahrhundert renovieren

    Lange Jahre war in dem Haus in der Bachgasse die Post untergebracht, und der Postbeamte hatte hier auch seine Wohnung. Als der letzte Postbeamte in den Ruhestand ging, ist das Haus so langsam verfallen, erzählt Brigitte Diemer. 2002 schließlich kaufte es die Gemeinde und ließ das denkmalgeschützte ehemalige Bader-Haus aus dem 18. Jahrhundert renovieren. Für 30 000 Euro wurde das historische Anwesen von der Gemeinde gekauft, für 800 000 Euro saniert, wofür rund 600 000 Euro staatliche Zuschüsse flossen.

    Jetzt war die Frage, was damit anfangen, erinnert sich Bürgermeister Tobias Blesch. Ein Archivraum oder ein Dorfmuseum waren im Gespräch, aber fürs Archiv war es fast zu schade. Und noch ein Heimatmuseum mit Bauernstube – davon gab es doch schon genug. Schließlich entschied der Gemeinderat in Erinnerung an seine berühmten Söhne, hier ein Literaturhaus einzurichten.

    Europäische Fördermittel aus dem Leaderprogramm, Gelder der Unterfränkischen Kulturstiftung des Bezirks und aus dem Kulturfonds Bayern sowie einzelne Sponsoren ermöglichten die Umsetzung.

    Literaturhaus wird gut angenommen

    Anfangs war das Vorhaben für viele Wipfelder „etwas gewöhnungsbedürftig“, meint Blesch, inzwischen aber werde es gut angenommen und sei „ein Aushängeschild für die Gemeinde“. Zu Beginn habe man alle fränkischen Verlage angeschrieben, erzählt der Bürgermeister, diese hätten zum Teil Bücher gesponsert, zum Großteil habe man sie gekauft. Aber auch Autoren, die hier lesen, ließen immer wieder Bücher da.

    Und so können Gäste es sich zu den Öffnungszeiten in der Leselounge bequem machen und schmökern. Vielleicht in dem Buch des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein „Franken, mein Franken“. Wer‘s wissenschaftlich möchte, kann zum Werk von Thomas Schauerte greifen und sich in „Dürer und Celtis“ vertiefen. Für jeden Geschmack ist etwas da.

    Im Obergeschoss, erreichbar über die typischen engen Treppen eines alten Hauses, ist das Museum, in dem die vier Literaten in Wort und Bild vorgestellt werden. Hier gibt es Einblicke in deren Leben und Schriften. Dabei hat jeder der berühmten Söhne einen eigenen Raum und eine eigene Farbe bekommen. Die Werke der Wipfelder Vier werden auch an den „Hörstationen“ lebendig.

    Audiovisuelle Reise in die Vergangenheit

    So ist ein Singspiel des berühmten Conrad Celtis zu hören, das letztmals vor 500 Jahren aufgeführt und nun vom Kammerchor der Universität Würzburg neu vertont wurde. Der Besucher wird audiovisuell mitgenommen auf eine Reise in die Vergangenheit.

    Während oben die Geschichte dominiert, geht es unten eher um die Gegenwart. Brigitte Diemer ist von einem Arbeitskreis der Anfangszeit übrig geblieben. Sie kümmert sich um die Veranstaltungen, die monatlich im Literaturhaus abgehalten werden. Unterstützt wird sie vom Bürgermeister und von dessen Stellvertreterin Maria Lindner.

    „Anfangs waren viele skeptisch, ob das in dem kleinen Raum der Leselounge was wird mit den Veranstaltungen“, erzählt Diemer. Es passen maximal 30 Leute in den Raum, aber gerade das mache auch den Charme der Veranstaltungen aus. Und wenn mehr Menschen kommen oder man – wie beispielsweise bei der „mörderischen Weinprobe“ – auch Tische braucht, dann kann man in den benachbarten Bürgersaal ausweichen.

    Fränkische Autoren präsentieren aber nicht nur im Haus, sondern auch im Außenbereich unter dem großen Nussbaum ihre Werke. Diemer hat inzwischen ihre Stammbesetzung. Das sind Autoren, die immer wieder kommen, wie beispielsweise Hans Driesel, der Schweinfurter Autorenkreis oder der Mainschreibkreis.

    Viele Touristen besuchen das Literaturhaus

    Auch beim Publikum hat das Literaturhaus seine Stammgäste. In den Sommermonaten machen die Touristen regen Gebrauch von den Angeboten. „Dann sind die Gäste zur Hälfte Touristen und zur anderen Hälfte Einheimische“, schätzt Diemer.

    Beliebt sind Mundartveranstaltungen. Diemer erinnert sich an eine Mundart-Rally, bei der die Mundartautoren während der Veranstaltung die Örtlichkeiten wechselten und das Fränkische in seiner unterschiedlichsten Form präsentierten: im Rhöner Dialekt, unterfränkisch und mittelfränkisch.

    Immer wieder ist Diemer auf der Suche nach neuen Ideen. So wurde im Mai das erste Literaturhauskonzert mit einem Gitarrenduo angeboten. Es sei schwer, Menschen für Literatur zu begeistern, weiß Diemer, dennoch ist sie mit dem Besuch der Veranstaltungen zufrieden. „Manchmal würde ich mir mehr Einheimische wünschen.“

    Immer wird auch darauf geachtet, aktuell zu sein. So gab es 2016 eine Rückert-Lesung, heuer kommt Martin Luther zu Ehren, und 2018 wird es eine Echter-Nachlese geben. „Eigentlich ist ja auch noch der 100. Geburtstag von Heinrich Böll“, erinnert Diemer, aber der sei heuer im Schatten von Luther und Echter ganz untergegangen.

    Albert Kestler bietet Führungen an

    Einzig die Angebote für Kinder seien nicht angekommen. Dreimal wurden eine Märchenerzählerin eingeladen und Bastelangebote vorbereitet, aber zu allen drei Terminen kamen nur drei Kinder. „Also haben wir‘s aufgegeben“, sagt Diemer.

    Neben den Veranstaltungen bietet Albert Kestler auf Nachfrage noch Führungen durch das Literaturhaus an. Auch eine gut genutzte Möglichkeit, die berühmten Söhne Wipfelds kennenzulernen. Und nicht selten ein Geschenk, erzählt Diemer. Erst vor Kurzem sei eine Geburtstagsgesellschaft per Schiff nach Wipfeld gekommen, habe das Literaturhaus besucht und sei per Schiff wieder zurück nach Schweinfurt.

    Das Gästebuch erzählt, was den Menschen an diesem kleinen Literaturhaus so gut gefällt: „Eine einzigartige Atmosphäre, die den Vergleich nicht scheuen braucht“, heißt es da. Und ein anderer Besucher lobt ebenfalls die „lockere Atmosphäre“, dazu das „stilvolle Ambiente und die freundliche Aufnahme“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden