Sie ist ganz schön stachlig, aber keine Distel. Sie wächst wild auf unseren Fluren, aber sie wird auch als Heilkraut angepflanzt. Die Karde ist ein vielseitiges und interessantes Kraut, relativ unbekannt, und soll unter anderem gegen Borreliose helfen.
Christian Hennings, Bio-Kräuter-Bauer, bekam vor vier Jahren erstmals die Anfrage von einem Händler, ob er nicht die Karde anpflanzen wolle. „Ich hab's probiert“, erinnert er sich, und die Karde hat sich auf seinen Feldern wohlgefühlt. Das ist nicht mit jeder Pflanze so, erklärt Hennings. Die Arnika Montana beispielsweise habe sich auf den Schwebheimer Böden nicht wohlgefühlt, der Boden war ihr zu alkalihaltig. Die Karde dagegen sei „pflegeleicht“. Was man in einem ökologisch arbeitenden Betrieb halt pflegeleicht nennt. Denn bevor die Karde ihre bodendeckende Größe erreicht, müssen die Fremdkräuter per Hand aus dem Feld entfernt werden.
Auf einem Hektar Land baut er die Heilpflanze inzwischen an. Im April wird das zweijährige Kraut ausgesät, ein Jahr später geerntet, und zwar bevor die Stängel hochschießen und die Karde zu blühen beginnt. Was Hennings verkauft, ist nämlich die Wurzel, und in der steckt die meiste Kraft vor dem Aufblühen. Die Wurzeln werden geerntet, gereinigt, zerkleinert und dann bei 40 Grad Celsius zirka 48 Stunden lang schonend getrocknet. Das fertige Produkt geht vor allem an Arzneimittelhersteller.
Seit einigen Jahren wird die Kardenwurzel als Tinktur oder Tee gegen Borreliose eingesetzt. „Zusätzlich zu Antibiotika, oder wenn diese nicht helfen“, betont Hennings. Dass die Kardenwurzel allein hilft, kann er sich nicht vorstellen, aber unterstützend auf alle Fälle. Manchmal fragen auch Apotheken an, die dann frische Wurzeln wollen und selbst Tinkturen ansetzen.
„Heuer ist die Nachfrage nach der Kardenwurzel noch einmal angestiegen“, berichtet der Kräuterbauer, denn eine amerikanische Firma habe ein Mittel gegen Krebs entwickelt, zu dem sie Kardenwurzeln brauche. Und die holen sich amerikanische Arzneimittelfirmen gerne aus Deutschland, weil die Standards hier so hoch seien. Glykoside, Saponine und Bitterstoffe machen die Heilwirkung der Wurzel aus, die antibakteriell wirken und unter anderem auch das Immunsystem stärken.
Die Karde hat aber auch eine eigene Geschichte. Ihre Fachbezeichnung ist Dipsacus fullonum und weist auf eine Besonderheit der Pflanze hin: Dipsacus kommt aus dem griechischen dipsa, was übersetzt Durst bedeutet. Die Stängelblätter der Pflanze sind so angeordnet, dass sie kleine Trichter bildet, in denen sich Tau und Regenwasser sammelt. Dieses Wasser soll den Wanderern im Altertum als Getränk gedient haben.
Im Mittelalter spielte die Blüte der Karde eine große Rolle. Die Köpfe der Karde wurden getrocknet und zum Kämmen der Wolle vor dem Spinnen benutzt. Heute erledigt man dies längst mit Metallzinken, aber der Vorgang wird immer noch als kardieren bezeichnet.
Eine Mitarbeiterin von Hennings schwört noch auf eine ganz andere Wirkung der Karde. Sie mischt ihrem Hund regelmäßig Kardenwurzeln unters Futter und seitdem habe der keine Zecken mehr. „Und solche Produkte werden zu horrenden Preisen verkauft“, wundert sich Hennings, so viel bekommt er für seine Wurzeln nicht.