Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadt Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

SCHWEINFURT: Ein Licht anzünden für den Bruder

SCHWEINFURT

Ein Licht anzünden für den Bruder

    • |
    • |
    Literarischer Friedhofsgang: Eine Station war der Jüdische Friedhof. Rechts Albrecht Garsky, der die Veranstaltung auch initiierte.
    Literarischer Friedhofsgang: Eine Station war der Jüdische Friedhof. Rechts Albrecht Garsky, der die Veranstaltung auch initiierte. Foto: Foto: Hannes Helferich

    Auf dem Weg vom Sachs-Grab zu den Kindergräbern, den Stationen fünf und sechs, löst die Dunkelheit die Dämmerung ab. Die Lichter auf den Gräbern im Hauptfriedhof, die es gerade am Sonntag nach Allerseelen und Allerheiligen in größerer Zahl als sonst gibt, steigern das Besondere dieses erstmals veranstalteten „Literarischen Friedhofsgangs“ noch.

    Sieben Stationen hat Albrecht Garsky ausgesucht. Hier liest der Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung eine Kurzgeschichte, da ein Gedicht, dort einen Bibeltext, die natürlich vom Tod und der Trauer, aber auch vom Leben handeln, von Trost und Hoffnung sprechen. Das wichtigste aber: Sie nehmen die Stimmung auf.

    Die meisten der 25 Premierenteilnehmer stimmen an jeder der Station ein in das von Garsky ausgewählte und angesungene Lied. Am Ende sind alle froh, dass sie sich am Sonntag in den Hauptfriedhof aufgemacht und diese nachdenkliche Stunde in außergewöhnlicher Atmosphäre miterlebt haben.

    Garsky hat einen solchen Friedhofsgang einmal in Aschaffenburg gesehen. Heuer setzte er seinen Entschluss um, Ähnliches auch in Schweinfurt zu veranstalten. Erste Station ist nahe dem Treffpunkt am Haupteingang das Grab einer Schweinfurter Familie. Der Grund ist das schlichte Holzkreuz mit „Christus als der, der uns die Botschaft von der Erlösung gebracht hat“. Garsky liest aus einem Paulus-Text.

    Nur wenige Meter sind es bis zum Jüdischen Friedhof. Garsky erklärt die Symbolik der Steine, die Angehörige statt Blumen auf die Grabstellen legen. Anders als christliche Friedhöfe sind jüdische für die Ewigkeit gemacht. Die Gräber werden niemals eingeebnet, sie bleiben erhalten, was die vielen schiefstehenden Grabsteine erklärt. Garsky trägt ein Gedicht aus einem jüdischen Gebetbuch über die Toten vor. Er stimmt das bekannte „Schalom chaverim“ an, fast alle singen mit.

    Station drei: Die Kriegsgräber. Ein Stein erinnert an die 20-Jährig am so genannten Black Thursday, dem größten Bombenangriff der Alliierten auf Schweinfurt, am 14. Oktober 1943 umgekommenen Maria Jürgensmeyer. Hier erinnert Garsky an die Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs. „Unvorstellbar“, sagt er und zitiert aus einem Gedicht von Erich Fried. Es heißt: „Wenn ich leben will“.

    Wir erreichen die Stelle im Friedhof, wo die Grabsteine abgelaufener Gräber gesammelt, abgelegt werden. Garsky ist passend bei Bertold Brecht fündig geworden: „Ich benötige keinen Grabstein“. Brecht hat gedichtet, dass, sollte die Menschheit ihm doch einen Grabstein widmen, dann draufstehen müsse: „Er hat Vorschläge gemacht“.

    Am Sachs-Grab gibt es die angekündigte Schmunzelgeschichte nach Johann Peter Hebel. Sie handelt vom deutschen Handwerksburschen, der in Amsterdam unterwegs ist, Fragen stellt zu einem großen Schiff, prächtigen Gebäude und eine vom ihm beobachtete Trauerfeier. Immer bekommt er eine Antwort: „Kannitverstan“. Seine Reaktion: „Armer Kannitverstan, was hat er nun von all seinem Reichtum“.

    Kindergräber

    Danach die Abteilung mit den Kindergräbern. Wie überall hatte Garsky am ausgesuchten Grab zuvor zwei große Lichter entzündet. Sie sorgen auch hier, es ist längst stockdunkel, für eine besondere Stimmung. Die Familie musste die am 9. Dezember 2002 geborenen Zwillinge kurz nacheinander beerdigen. Garsky liest ein Gedicht von Ludwig Uhland zum Tod eines Kindes vor. In das Bonhoeffer-Lied „Von den guten Mächten“ stimmen alle ein.

    Station 7 ist inmitten des Hauptfriedhofs. Wer will, greift sich eine Kerze, die er/sie als Schlusspunkt an den Grabstein eines Angehörigen bringen, dort entzünden soll. Das müsse nicht heute sein. Die Teilnehmer hören zum Abschluss einen Text von Ingrid Schreiner. Er heißt: „Ein Licht anzünden“, für eine Freundin, die schon länger krank, oder für den Bruder, der im vergangenen Jahr ganz plötzlich gestorben ist. Garsky wird den Friedhofsgang spätestens um Allerheiligen 2014 wieder anbieten. Der Resonanz wegen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden