Die schriftliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten Irene Mihalic an die Bundesregierung hat es im vergangenen Jahr offenbart: Immer mehr Deutsche legen sich den Kleinen Waffenschein zu. Auch in Schweinfurt nimmt die Zahl „ganz deutlich zu“, sagt Ordnungsreferent Jan von Lackum.
Durch den Kleinen Waffenschein sind Personen berechtigt, sogenannte „erlaubnispflichtige Waffen“ bei sich zu tragen, also Gas-, Signal- oder Schreckschusswaffen ohne scharfe Munition.
Die Zahl der Anträge ist „explodiert“
Wurden 2014 in Schweinfurt gerade einmal 17 Kleine Waffenscheine erteilt, stieg die Zahl 2015 bereits auf 59 an. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Kleinen Waffenscheine dann regelrecht „explodiert“, sagt von Lackum: 184 Personen wurde eine Berechtigung ausgestellt, der Großteil waren Männer. Ein klarer Trend, der sich laut von Lackum wohl auch 2017 fortsetzen wird.
Und „das macht mir Sorge“, sagt er, denn durch die täuschend echt wirkenden Pistolen könne sich ein potenzieller Täter erst recht provoziert fühlen. Außerdem könne auch ein Schuss aus einer Gaspistole im schlimmsten Fall lebensgefährliche Verletzungen hervorrufen.
Angstgefühle ausgelöst durch Hetze
Der drastische Anstieg an Kleinen Waffenscheinen „lässt sich anhand der objektiven Sicherheitslage nicht nachvollziehen“, sagt von Lackum. Ordnungsdienst, Sicherheitswacht und eine „gute Polizeipräsenz“ in der Stadt würden insgesamt zu einer verbesserten Sicherheitslage beitragen.
„Ob die Flüchtlinge in direkten Zusammenhang stehen, wage ich zu bezweifeln.“ Der Ordnungsreferent führt die steigende Nachfrage viel mehr auf „subjektive Angstgefühle“ in der Bevölkerung zurück, ausgelöst durch „Hetze gegen Flüchtlinge, die definitiv betrieben wurde und noch betrieben wird“.
Den Kleinen Waffenschein zu beantragen, ist nicht kompliziert. Wer volljährig ist, bringt beim Bürgerservice seinen Personalausweis mit und füllt dort den Antrag für den Kleinen Waffenschein aus. Danach fragt das Ordnungsamt über das Bundeszentralregister das Führungszeugnis des jeweiligen Antragstellers an. Ist das Zeugnis einwandfrei, bekommt der Antragsteller den Schein gegen eine Gebühr von 50 Euro ausgehändigt.
Ohne Wissenstest oder Gutachten zum Kleinen Waffenschein
Die Ausstellung wird nur verweigert, wenn durch die behördeninterne Prüfung konkrete Anhaltspunkte vorliegen, beispielsweise über Vorstrafen oder eine psychische Erkrankung des Antragstellers. Ein Wissenstest oder ein psychologisches Gutachten finden nicht statt. „Das gibt das Waffenrecht nicht her“, sagt der Ordnungsreferent, weshalb er hier eine Verschärfung des Waffengesetzes begrüßen würde.
Eine Meinung, die auch Sebastian Fischer (Name von der Redaktion geändert) unterstützt, obwohl ihm im vergangenen Jahr der Kleine Waffenschein erteilt wurde. Der 37-Jährige hat bereits langjährige Erfahrung mit Waffen: Er ist Mitglied in einem Schützenverein, besitzt die Waffenbesitzkarte und kann deshalb auch mit scharfen Waffen umgehen.
Die Schreckschusspistole als Schutz im Ernstfall
Die Entscheidung, auch den Kleinen Waffenschein zu beantragen, traf Fischer im vergangenen Februar als er mit einer Gruppe Jugendlicher aneinander geriet. „Dann hat mich jemand mit einer Flasche bedroht“, erinnert sich der Schweinfurter, „es hat also echt nichts mit den Flüchtlingen zu tun“.
Seit dieser Erfahrung will sich Fischer vor allem nachts, wenn er auf der Straße unterwegs ist „einfach sicher fühlen“. Die Schreckschusspistole trage für ihn dazu bei, „dass man sich im Ernstfall schützen kann“. Im Alltag habe er die Pistole deshalb kaum bei sich, bei Dunkelheit trage er sie dagegen häufig unter der Kleidung versteckt.
Am Ende geht es immer noch um eine Waffe
Die Pistole hat er bequem im Internet für rund 240 Euro gekauft. Dafür musste er lediglich eine Kopie seines Personalausweises an den Händler schicken „und das war's“. Die Entscheidung für den Kleinen Waffenschein wurde in Sebastian Fischers Umfeld zum Großteil positiv aufgenommen. Angst vor einer Stigmatisierung oder moralischer Verurteilung durch andere hat der 37-Jährige nicht. Dennoch möchte er ungenannt bleiben.
Jedem, der sich überlegt den Kleinen Waffenschein zu beantragen, rät der 37-Jährige deshalb, diese Entscheidung vorher genau zu überdenken, weil „das ist kein lustiges Thema, denn es geht um eine Waffe“.