Sie ist Nummer drei der zwölf Kelly-Kinder, davon neun musizierenden: Maria Patricia Kelly, die mit Gitarrist Ralph Herrnkind den Stattbahnhof beehrte. Die Halle hat sich nicht ganz gefüllt – aber nach eigenem Bekunden spielt Patricia Kelly, nach all dem schnöden Rummel mit Gold- und Platin-Schallplatten und Abermillionen verkaufter CDs, sowieso lieber im kleinen Kreis: „Ihr seid alle lieb.“
Nur die Grippe, die hat Patricia voll erwischt. Auch wenn der Auftritt bis zuletzt unsicher war und sie vom Stattbahnhof-Team mit „Kartoffeln und Spargeln“ aufgepäppelt werden musste, wie die Künstlerin im leicht hopsenden Deutsch erzählt: Dank einer Tasse Tee zwischendurch ist die glockenhelle, bärenkräftige Stimme rasch wieder geölt. Ausgiebig berichtet Patricia von den Abenteuern ihrer musikalischen Großfamilie: wie sie sich am Anfang als Straßenmusikanten („ganz ohne Kreditkarte“), mit einem VW-Bus durch Italien geschlagen haben. Oder in einem Doppeldeckerbus durch London – sie hat die entsprechenden Busmodelle dabei. Wie Paddy während einem der seltenen irischen Schneestürme zur Welt kam (natürlich im Wohnwagen) und Papa Kelly Hebamme spielen musste.
Von den ganz großen Momenten des Clans, wie der Entdeckung durch die Plattenfirma Polydor 1979, und den ganz traurigen, etwa dem frühen Tod der Mutter – es folgt ein Lied, das ihr Paddy gewidmet hat. Oder zuletzt, als mit dem legendären Hausboot alles den Fluss runterging: „In Amsterdam, da haben wir uns den Ruf geholt – die Altkleidersammlung“, scherzt Patricia. Kiffer, ja die gab es damals während der „schönen Zeit“ in Holland auch, nimmt sie einen Zwischenruf auf. Stefan Raab hat damals auch vorbeigeguckt, erfährt man, er ist Joey Kelly heute aber sportlich einfach nicht gewachsen.
Mag die Kellymania weiland die Nation gespalten haben („wir waren die Punks der Musikszene“, sagt Patricia mit Blick auf das Wandgemälde im Saal): Singen kann die heute mit einem Russen verheiratete Kelly-Family-Erbin, da gibt es nichts zu meckern. Die gestenreiche Show mit Trommel- und Tanz-Einlagen wirkt zwar etwas eigenwillig, das polyglotte Liedgut erhält permanenten Zuckerzusatz.
Das Ganze ist aber ebenso hingebungs- wie stimmungsvoll angerührt – und schmeckt, nicht zuletzt dank der romantischen Lichttechnik, schon erfrischend. Auch die Fans sind am Ende gerührt.
Egal, ob sie nun französische Chansons („Eine Familie ist wie ein Lied“), Celtic Folk, Gospels, Rock, Pop, Blues (meist alles zusammen) oder eine fromme spanische Weise zum Besten gibt: Man muss sie einfach liebhaben, die grazile Sängerin, zumal sie die Sympathien ihres buchstäblich „Halleluja“ singenden Publikums erwidert: „Geht es euch gut soweit?“
Aber wer würde sich bei dieser augenbefeuchtenden Mischung aus Kuschelrock und Rock aus der Altkleidersammlung nicht wohlfühlen? In der Pause erhält die Kelly einen Blumenstrauß, bevor sie mit Evita-mäßiger Grazie auf die Empore entschwindet. Am Ende will Schweinfurt sie gar nicht mehr von der Bühne lassen, Gitarrist und Banjospieler Ralph muss auf ihre schmerzenden Stimmbänder verweisen. „I wish you a beautiful life“, haucht Patricia Kelly als Zugabe ins Mikro, dann wendet sie sich „Kirschkernsäckchen und Schüsslersalzen (Nr. 5 und Nr. 7)“ zu, um ihre Erkältung auszukurieren: Gute Besserung und ebenfalls ein schönes Leben noch.