Es sollte in einem würdigen Rahmen erfolgen, doch die sprunghaft gestiegenen Coronazahlen machten die geplante Veranstaltung unmöglich. Ein Dorfspaziergang zu den Stolpersteinen und ein kulturelles Rahmenprogramm waren vorbereitet, die Pressemitteilung war geschrieben und dann kam die amtliche Verfügung des Landratsamtes dazwischen. So entschied die Projektgruppe, dass es klüger wäre, die Übergabe des "Denkortes" im Moment nicht mit einer größeren Veranstaltung zu verbinden. Die Gesundheit hat oberste Priorität.
Die Gemeinde Frankenwinheim beteiligt sich am Projekt "Denkort Deportationen" in Würzburg. Seit der Eröffnung am 17. Juni stehen Gepäckstücke aus 47 Gemeinden in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. 20 weitere Gemeinden haben ihre Zusage gegeben, sich ebenfalls noch mit einem Gepäckstück zu beteiligen.
Gedenkstein am Rathaus
Frankenwinheim hat sich bei der Auswahl des Gepäckstücks für einen Schulranzen entschieden, um hiermit besonders die jüdischen Kinder und Jugendlichen einmal in den Blick zu nehmen. Ein weiterer Grund war der Aufstellungsort. Man entschied sich, nicht noch einen weiteren Denkort in der Gemeinde zu schaffen, sondern das Gepäckstück in den bestehenden Gedenkstein vor dem Rathaus zu integrieren. Seit 1999 wird in Frankenwinheim mit einer Steinstele der deportierten jüdischen Mitbürger gedacht. Das heutige Rathaus war früher auch die Schule für die Gemeindekinder.

Ermordet mit 13 Jahren
Die künstlerische Gestaltung des Schulranzens übernahm der Münsterschwarzacher Pater Meinrad Dufner. Er führte die Skulptur in Bronzeguss aus. Der Schulranzen steht symbolisch für die Büchertasche von Walter Friedmann. Er wurde von der Zeitzeugin Anna Kratschmer als ein guter Schüler beschrieben, da er in der Schule hinter ihr saß, konnte er ihr so manches Mal beistehen und ihr einsagen, wenn sie etwas nicht wusste. Er war immer sehr hilfsbereit, erinnert sich Kratschmer. Er hatte blonde Haare, blaue Augen und einen guten Freund. Walter hatte auch eine Büchertasche. Die durfte er allerdings nicht mitnehmen, als man ihn 1942 abholte und nach Ostpolen in den Raum Lublin deportierte. Dort wurde er mit seinen Eltern und den beiden Geschwistern Ilse und Gerhard in einem der angrenzenden Vernichtungslager ermordet. Walter war damals gerade 13 Jahre alt.

Was mag in so einem Kind vorgegangen sein? Das fragt die neue Skulptur auf dem Kirchberg in Frankenwinheim. Künstlerpater Meinrad hat sich viele Gedanken dazu gemacht, als er das Kunstwerk schuf. Er beschäftigt sich schon seit 2010 mit der Thematik und schuf bereits mehrere Gedenkstätten in Würzburg. Meinrad stellte sich vor, wie die Schulkinder die Treppe vor der Schule herabstürmten und das jugendliche Leben im Dorf in vollen Zügen genossen. Am 25. April 1942 hatte dies ein jähes Ende, die Familie Friedmann wurde mit acht weiteren Frankenwinheimern an diesem Tag von Würzburg nach Polen deportiert.
Symbol für das jugendliche Leben
Der Schulranzen mit seiner Schiefertafel symbolisiert für Pater Meinrad das jugendliche Leben und steht für die Hoffnung auf das Großwerden. Der mitgeführte Teddy gibt einem Kind die Zusage liebender Nähe und Geborgenheit sowie Heimatgefühl. Der Künstler erläutert, dass er diese Symbole gewählt hat, da sie im krassen Gegensatz zur Deportation und dem Ende in der Gaskammer stehen. "Es war eine schwere Spannung, die Freude einer kindlichen Seele und den Denkort an die Verbrechen in der Skulptur einzufangen. Vielleicht ist sie in den Augen des Teddys zu sehen. Ich wollte den Opfern eine innige Hommage bezeugen." Die Montage der Skulptur auf dem Gedenkstein übernahm Florian Tully aus Gerolzhofen. Eine erklärende Informationstafel konnte nicht rechtzeitig geliefert werden und wird in Kürze noch montiert.
Zahlreiche Spender
Das Projekt wurde finanziell durch Spenden der Familie Gruber, Familie Finster, Familie Fröhlich, KLJB Frankenwinheim, Stiftung der Kreissparkasse Schweinfurt, Buchingerstiftung, Stiftung der Raiffeisenbank Frankenwinheim, von Anton Helbig, Steffen Rudolph, Werner Gottlieb und einem großen Zuschuss aus dem ILE-Regionalbudget Main-Steigerwald ermöglicht.
Deportationen aus Unterfranken 1941-1944In insgesamt neun Transporten zwischen November 1941 und Dezember 1944 hat der NS-Staat die jüdischen Bürgerinnenn und Bürger Unterfrankens deportiert – 2 069 Männer, Frauen und Kinder. Ziele waren die Durchgangs- und Vernichtungslager im besetzten Osteuropa: Riga-Jungfernhof, Izbica und Krasniczyn im Raum Lublin in Ostpolen, Theresienstadt und Auschwitz. Voraussetzung hierfür war die Besetzung von Lettland, Polen und Tschechien durch das Deutsche Reich. Nur 63 jüdische Unterfranken überlebten. Vor dem Abtransport mussten sich Jüdinnen und Juden in Würzburg und Kitzingen an einem Sammelpunkt einfinden. Dort wurden sie auf entwürdigende Weise kontrolliert und beraubt. Auf drei Wegstrecken mussten die Menschen in Würzburg dann – meist am hellen Tag – von den Sammellokalen zu den Bahnhöfen laufen.Quelle: HP DenkOrt