Es gibt derzeit gleich mehrere Interessenten, die in Gerolzhofen nach Flächen für Gewerbeansiedelungen suchen. Die Stadt selbst befindet sich in einer Zwickmühle. Sie begrüßt natürlich jeden potenziellen Investor, egal ob er aus Gerolzhofen oder von außerhalb kommt. Denn damit wird der Standort Gerolzhofen als Mittelzentrum gefestigt. Auf der anderen Seite kann sie meist nur begrenzt Hilfestellung leisten, weil viele Grundstücke in den schon ausgewiesenen Gewerbegebieten sich noch in privater Hand befinden.
Nur weil die Stadt bestimmte Flächen im so genannten Flächennutzungsplan als Gewerbegebiete ausgewiesen hat, heißt dies noch lange nicht, dass ein Unternehmer dort auch gleich bauen kann. Denn erst muss er an die benötigten Grundstücke kommen. Die Stadt besitzt nur im seltenen Fall zusammenhängende Grundstücke. Einem Investor bleibt in der Regel deshalb nichts anderes übrig, als mit der Stadt und parallel dazu auch noch mit privaten Grundstückseigentümern zu verhandeln.
Dies ist schwierig genug. Viele Grundeigentümer wollen momentan überhaupt nicht verkaufen, auch wenn ihr Acker mitten in einem potenziellen Gewerbegebiet liegt. Für den Fall, dass sie sich doch davon trennen wollen, haben die Grundbesitzer in der Regel kein Interesse an Bargeld, sondern wollen ihre Fläche gegen andere Ackerflächen eintauschen. Das geforderte Tauschverhältnis liegt derzeit bei bis zu 1:7. Selbst 1:10 soll schon gefordert worden sein, wird kolportiert. Unter diesen Umständen bei Verhandlungen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, ist selbstredend schwierig.
Deshalb ist es wichtig, dass die Stadt selbst immer genügend eigene attraktive Flächen außerhalb von Gewerbegebieten in der Hinterhand hat, um damit Tauschgeschäfte bedienen zu können. Zum einen für den Fall, dass die Stadt selbst in den Gewerbegebieten Äcker eintauschen kann. Oder zum anderen dass sie den Investoren im Dreiecksgeschäft Flächen verkauft, die diese wiederum gegen Flächen in Gewerbegebieten eintauschen können.
Flächenbedarf der Landwirte
Auf diesen Umstand hatten kürzlich auch die neun Stadträte hingewiesen, die deshalb die langfristige Verpachtung von zehn Hektar städtischem Land zwischen Kläranlage und Kompostanlage an einen Photovoltaik-Betreiber gekippt hatten.
Doch warum sind die Verhandlungen so zäh und langwierig? Warum verkaufen viele Grundstückseigentümer nicht oder wollen auf den ersten Blick schwindelerregend hohe Tauschraten erzielen?
Ein Grund dafür ist, dass landwirtschaftliche Betriebe einfach eine bestimmte Ackerfläche benötigen, um überhaupt noch wirtschaftlich arbeiten zu können, um ihr Vieh füttern oder um ihre mit Biogasanlagen vereinbarten Liefermengen einhalten zu können.
Ein anderes – wohl noch gewichtigeres Argument – sind die aktuellen Grundstückspreise. Hier sei seit einigen Jahren ein deutlicher Anstieg festzustellen, bestätigt Manfred Kraus, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands Schweinfurt. Im Westen und Süden des Landkreises sind die Preise sogar noch höher als im Norden.
War vor einigen Jahren im Raum Gerolzhofen noch ein Quadratmeterpreis für Ackerland von rund 1,50 Euro üblich, so liegt der Preis nun schon bei drei bis 3,50 Euro, berichten hiesige Landwirte. Eine Wertsteigerung also von über hundert Prozent.
Kein Aktienfonds, kein Festgeldkonto kann eine solche exorbitante Rendite bieten. Und da bei der Preisentwicklung das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht scheint, ist die Neigung zum Abstoßen von Flächen derzeit verständlicherweise gering.
Im Gegenteil: Aus Kreisen der Landwirtschaft ist sogar zu erfahren, dass momentan auch „landwirtschaftsferne“ Privatpersonen, die für ihr Geld Anlage-Optionen suchen, ebenfalls versuchen, jetzt noch an Äcker zu gelangen, um damit kurz- und mittelfristig Spekulationsgewinne einzufahren. Experten warnen schon vor einer „Preisblase“ bei Ackerland.
Und wie sind die hohen Tausch-Verhältnisse zu erklären? Dazu muss man wissen, dass die Stadt vor Jahren schon Ackerflächen für das Wohnbaugebiet an der „Weiße Marter“ für einen Preis von 25 Euro pro Quadratmeter aufgekauft hat. Wer heutzutage nicht verkaufen, sondern nur tauschen will oder kann, der ruft beim aktuellen Quadratmeterpreis von gut drei Euro deswegen auch ein Tauschverhältnis von 1:7 bis 1:10 auf – in der Hoffnung, den Gegenwert von 25 Euro samt inzwischen erfolgter Wertsteigerung zu bekommen.
Weniger Geld für Gewerbeflächen
Niedriger sind die Preise (und damit auch die aufgerufenen Tauschverhältnisse) für die Gewerbeflächen. Momentan verkauft die Stadt eigene Gewerbeflächen an Investoren für einen Preis von 15,50 Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommen dann noch Erschließungs- und Planungskosten in etwa gleicher Höhe. „Die Stadt will dabei nichts verdienen“, betont Bürgermeister Thorsten Wozniak. Private Grundstückseigentümer, denen die Stadt Flächen in einem Gewerbegebiet heraustauschen will, orientieren sich natürlich an dem Quadratmeterverkaufspreis von 15,50 Euro – und rufen dann Tauschverhältnisse von 1:5 bis 1:7 auf.
Da kommt es viel auf das Verhandlungsgeschick des Bürgermeisters und seiner Verwaltung an. Erst in jüngster Zeit ist es Wozniak aber gelungen, einige Flächen – beispielsweise an der Alitzheimer Straße – zu erwerben. An anderen Stellen in der Gemarkung aber stockt es. Da bleiben der Stadt zwei Optionen: entweder sie plant ein Gewerbegebiet, um die nicht verkäuflichen Flächen herum (wie gerade eben an der Mönchstockheimer Straße geschehen) oder sie geht den für alle Beteiligten harten Weg eines Umlegungsverfahrens.
Bei einem Umlegungsverfahren wird ein bestimmtes Gebiet von der Stadt komplett überplant. Jedem Grundeigentümer werden von seiner Fläche rund 30 Prozent abgezogen, die die Stadt für die Erschließung des Gebiets mit Straßen, Gehwegen, Kanal, Beleuchtung etc. benötigt. Die verbliebenen Grundstücke bekommen dann einen anderen Zuschnitt, es kann sogar sein, dass sich die Lage des Grundstücks innerhalb des Gebiets verändert.
Der Grundeigentümer kann anschließend seine verbliebenen 70 Prozent frei verkaufen, er muss allerdings für diese Fläche an die Stadt die Erschließung bezahlen.
Risikoabwägung
Letztlich ist es ein Rechenexempel, manchmal auch ein Glücksspiel, ob ein Grundeigentümer seine Fläche vorher für einen Betrag X gleich an die Stadt verkauft beziehungsweise Tauschflächen akzeptiert, oder ob er das Risiko eines Umlegungsverfahrens eingeht und versucht, mit den nur noch 70 Prozent seiner Fläche samt Erschließungskosten in der Summe einen höheren Preis auf dem freien Markt zu erzielen.
Bürgermeister Thorsten Wozniak bestätigte jedenfalls auf Anfrage kursierende Gerüchte, wonach es bereits seit längerem einen nichtöffentlich gefassten Grundsatzbeschluss des Stadtrates gibt, bei einer Blockadehaltung von Grundeigentümern in ein Umlegungsverfahren einzusteigen: „Ja, wir werden es machen, wenn es nötig ist.“