Züge rollen schon lang keine mehr. Stattdessen wuchern Unkraut und Buschwerk zwischen den Schwellen. Kein Wunder deshalb, dass die Bahnstrecke von Schweinfurt nach Kitzingen/Etwashausen zwischen Gochsheim und Etwashausen nun auch offiziell stillgelegt ist. Den Bescheid dazu hat das Bayerische Innenministerium als zuständige Behörde auf Antrag der Bayerischen Regionaleisenbahn (BRE) erlassen. Die BRE hatte die Strecke seit Mai 2005 gepachtet und gab sie Anfang des Jahres in desolatem Zustand zurück.
Die Frage, die sich daraus ergibt: Ist diese Stilllegung vereinbar mit Paragraf 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG)? Dort steht nämlich zu lesen, Voraussetzung für eine Stilllegung sei es, dass „Verhandlungen mit Dritten, denen ein Angebot für die Übernahme der Infrastruktureinrichtung durch Verkauf oder Verpachtung zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht wurde, erfolglos geblieben sind.“
Diesen Dritten gab und gibt es. Es ist Markus Blum, alleiniger Gesellschafter der Projektentwicklerfirma Blumquadrat, die in Kitzingen den 73 Hektar Technologiepark „Connekt“ erschließt und für diese Fläche gerne einen Bahnanschluss hätte. Deshalb will Markus Blum den gesamten jetzt stillgelegten Streckenabschnitt kaufen (diese Zeitung berichtete im Juli 2015). Und zwar trotz Stilllegung immer noch. Das bestätigte Blum gegenüber dieser Redaktion.
Er sei sich allerdings mit der DB Netz AG, an die die Strecke nach dem Rückzug der BRE zurückgegangen ist, über den Kaufpreis noch nicht einig. Das liegt daran, dass die BRE die Strecke eigentlich in betriebsfähigem Zustand hätte zurückgeben müssen. Davon ist sie aber weit entfernt.
Eine Begehung habe ergeben, dass die Batterien in den Schalthäusern kaputt sind, bei allen Brücken die notwendigen Zwischen- oder Hauptprüfungen unterlassen wurden, die Schranken nicht funktionsfähig sind und die Gräben längs dem Gleis nicht gereinigt wurden. Das habe zu Einspülungen von Wasser in den Gleiskörper geführt, berichtet Markus Blum.
Allerdings habe er bisher nur mit Bahnvertretern der mittleren Ebene verhandelt. Jetzt will er sich an eine höhere Stelle wenden.
Das Innenministerium zur Frage der Legitimation der Stilllegung: Dem einzigen Interessenten an der Strecke (gemeint ist Blum) sei ein Angebot unterbreitet worden, das nach Überzeugung des Ministeriums den gesetzlichen Anforderungen genügte. Der Kaufinteressent habe das Angebot aber innerhalb der gesetzten Frist nicht angenommen.
Damit seien die Verhandlungen als gescheitert anzusehen. Ein Interessent habe keinen Anspruch darauf, so lange – eventuell jahrelang – zu verhandeln, bis das Ergebnis den eigenen Vorstellungen entspreche, währenddessen der Streckenbetreiber trotz fehlender Einnahmen weiter gesetzliche Pflichten ausüben müsse, zum Beispiel Verkehrssicherungspflichten.
Durch die Stilllegung teilt das Ministerium auch die Ansicht, dass der Weiterbetrieb dieser Strecke dem Eigentümer wirtschaftlich nicht mehr zugemutet werden kann. Dazu stellt das Ministerium fest, dass es nach dem Abzug der US-Truppen aus Kitzingen im Jahr 2006 keine Nachfrage mehr für Eisenbahnverkehr auf der BRE-Strecke gegeben habe, mithin auch keine Einnahmen für den Betreiber.
Dazu muss man allerdings wissen, dass die BRE nicht nur so gut wie nichts für den Erhalt der Strecke getan, sondern für die Nutzung der Strecke auch abschreckende Trassenentgelte verlangt hat.
Noch einmal Paragraf 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes: „Bis zur Entscheidung (über eine Stilllegung) hat das Unternehmen den Betrieb der Schieneninfrastruktur aufrecht zu erhalten.“ Das ist aber durch die BRE für jedermann erkennbar nicht geschehen. Ein Freischnitt vor wenigen Wochen hat eher kosmetischen Charakter, sobald die Vegetationszeit beginnt, wird davon nicht mehr viel zu sehen sein. Fest steht, dass dem Kaufinteressenten Markus Blum keine funktionstüchtige Strecke angeboten werden kann.
Für eine Reaktivierung müssten sich aber die DB Netz AG und Markus Blum doch noch einig werden. Dass die Verhandlungen noch am Laufen sind, bestätigen sowohl Markus Blum als auch das Innenministerium.
Das Ja des Innenministeriums zur Stilllegung geht rechtlich in Ordnung, bestätigt Marcel Gsänger aus Nürnberg, ein ausgewiesener Bahnexperte, der öfter einmal Beiträge für die Insider-Zeitschrift „Bahn-Report“ schreibt. „Eine Strecke darf sehr wohl stillgelegt werden, obwohl noch ein Interessent vorhanden ist“, sagt er.
Es gelte hier zu unterscheiden zwischen der zivilrechtlichen Seite, also den Besitzverhältnissen und der eisenbahnrechtlichen Seite, die sich zum Beispiel auf eine Betriebsgenehmigung bezieht. Da auf dieser Seite kein Interessent mehr auftrat, blieb nach Gsänger dem Ministerium keine andere Wahl, als der Stilllegung zuzustimmen.
Für Markus Blum, der auf der zivilrechtlichen Seite verhandle, sei es unerheblich, ob die Strecke stillgelegt oder betriebsbereit ist. Für eine Wiederinbetriebnahme müsse er so so oder so ein Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen ins Boot holen, das den Bahnbetrieb für ihn übernimmt.
Letzte Station „Freistellung“
Erst Stillegung, dann Freistellung Mit der Stilllegung einer Bahnstrecke ist die vorletzte Stufe vor dem endgültigen Aus erreicht. Das Ende wäre da, wenn die zuständige Planfeststellungsbehörde, hier die Regierung von Mittelfranken in Ansbach, die Freistellung der Strecke und aller dazugehörigen Grundstücke von der Nutzung als Eisenbahnlinie festsetzt (Paragraf 23 des AEG). Das kann auf Antrag des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, des Eigentümers des Grundstücks oder der Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Grundstück befindet, passieren. Die Stadt Kitzingen hat das bereits im August 2015 nach Angaben der Regierung von Mittelfranken für einen Teil eines Grundstücks auf ihrer Gemarkung getan. Laut Regierung sind aber nur ganze Grundstücke freistellungsfähig, so dass die Stadt im Moment eine Grundstücksteilung anstrebt, um den Freistellungsbescheid zu bekommen. Voraussetzung für eine Freistellung, auch Entwidmung genannt, ist ferner, dass kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Strecke als Bahnlinie nicht mehr zu erwarten ist. Fi