Den 11. November 1991 wird der Bergrheinfelder Norbert Mohr nie mehr vergessen: an diesem Tag wurde bei seiner damals fünfjährigen Tochter Diabetes diagnostiziert und die Welt der Familie gehörig auf den Kopf gestellt.
Der Schock war groß, sagt Vater Norbert Mohr heute; keiner in der Familie hatte bis dato mit Diabetes "etwas am Hut". Klar war allerdings: die Krankheit ist chronisch und wird Tochter Lisa ihr Leben lang begleiten. Von heute auf morgen, erinnert sich Norbert Mohr, war alles anders in der Familie: die eigentlich selbstständige Fünfjährige musste wieder rundum betreut werden. Alles drehte sich auf einmal um Blutzuckermessungen, Spritzen und die Berechnung von Broteinheiten (BE). Oft mussten die Eltern nachts aufstehen, um den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren; Essen und Trinken wurden gewissenhaft abgestimmt, Kindergarten, Freunde und Verwandte genaustens instruiert wie auch der zwei Jahre ältere Bruder, bei dem sich übrigens mit gut 20 Jahren ebenfalls Diabetes manifestierte.
Sofort gehandelt
Norbert Mohr war damals schnell bewusst: "Wir brauchen Unterstützung" und einen Erfahrungsaustausch, wie andere Betroffene ihren Diabetes handhaben und wo Tochter Lisa eine Gemeinschaft findet, die die gleichen Probleme hat. Und so dauert es "genau drei Tage", bis der "Pragmatiker" Mohr in einer kleinen regionalen Selbsthilfegruppe Unterstützung suchte und so den Grundstein für sein beispielhaftes ehrenamtliches Engagement legte, das erst kürzlich von Landrat Florian Töpper mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, gewürdigt wurde. Wie Töpper in seiner Laudatio feststellte (wir berichteten), ist Norbert Mohr ein "Vorbild für viele", ist doch unter Mohrs Ägide aus der damaligen Selbsthilfegruppe mit neun Familien eine der größten deutschen Selbsthilfegruppen (SHG) für Familien mit Kindern und Jugendlichen mit Diabetes und insulinpflichtige junge Erwachsene geworden.

Die Erfolgsgeschichte ist schnell erzählt: 1997 wird die SHG von 20 Mitgliedsfamilien in einen Verein umgewandelt, der sich professioneller strukturiert und organisiert aufstellt und mit vielen wiederkehrenden Ereignissen die heute durchschnittlich 200 Familien zusammenschweißt. Seit 1999 leitet Norbert Mohr die SHG und steht, wie auch ein Großteil der teils erwachsen gewordenen Diabetiker, in der Vorstandschaft bei den Neuwahlen im Herbst zur Wiederwahl bereit.
Der gemeinnützige Verein, der aus Unabhängigkeitsgründen ganz bewusst zu keinem Dachverband gehört, punktet mit einer ganz besonderen Philosophie: Auch wenn natürlich die Menschen im Mittelpunkt der Vereinsarbeit stehen, die direkt oder indirekt vom Diabetes betroffen sind, zirkelt nicht alles um das Thema bei den meisten Veranstaltungen und Aktionen. Wie Norbert Mohr schmunzelnd erläutert, ist die gemeinsame Krankheit zwar der "rote Faden", die Unterstützung der Betroffenen wird aber "geschickt verpackt" und gerne "durch die Hintertür" angeboten.
Spielerische Wissensvermittlung
Mohr und seine Mitstreiter – viele Jahre ist übrigens Reinhard Koch darunter, ehemals leitender Oberarzt der Kinderklinik im Leopoldina-Krankenhaus – setzen auf verschiedene Faktoren. Mit spannenden Aktionen und altersspezifischen Veranstaltungen, wie Mitmach-Zirkus oder Schulungsreisen wird das eigene Selbstbewusstsein, aber auch das Wir-Gefühl gestärkt; die Kinder und Jugendlichen dürfen sich einbringen, engagieren und Verantwortung übernehmen. Oft spielerisch wird das so wichtige Wissen über die Stoffwechselerkrankung vermittelt; seit Jahren gelingt Dank des nun prämierten Organisationstalentes von Norbert Mohr der Spagat zwischen fröhlichem Spaß und pädagogischer Wissensvermittlung – nicht mit dem "Hammer, sondern dem Feinwerkzeug", wie Mohr scherzt.
Ein großer Teil des Erfolges gründet auch in der Zusammenarbeit mit Reinhard Koch, der den Verein nicht nur in medizinischer Hinsicht unterstützte, sondern auch als Sportler und Ideengeber, wie ein umfangreiches Fotobuch belegt, diverse Schulungsfreizeiten von Schweden bis Istrien gemeinsam mit seiner Frau und Ursula und Norbert Mohr ehrenamtlich gestaltete.
Unermüdlich ist Mohr auch heute noch für die SHG im Einsatz, sucht Sponsoren, sammelt Spenden und stellt Programme auf die Beine. Er sagt: "Ich mach halt gerne was", das galt auch bis zur Pensionierung im Beruf als Polizist oder viele Jahre für die Freien Wähler im Gemeinderat Bergrheinfeld. Damit, bilanziert er zum Ende des Gesprächs, "gebe ich einen Teil von dem zurück, was mir das Leben so schenkt".