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Gerolzhofen: Eine Wohngemeinschaft in alten Bäumen

Gerolzhofen

Eine Wohngemeinschaft in alten Bäumen

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    Einer der neu ausgewählten "Habitatbäume" steht am östlichen Eingang zum städtischen Friedhof in Gerolzhofen. Stadtgärtner André Ditterich zeigt Löcher und Risse in der Rinde, die am alten Obstbaum als Wohnstätte für Insekten, Vögel und kleine Säugetiere dienen.
    Einer der neu ausgewählten "Habitatbäume" steht am östlichen Eingang zum städtischen Friedhof in Gerolzhofen. Stadtgärtner André Ditterich zeigt Löcher und Risse in der Rinde, die am alten Obstbaum als Wohnstätte für Insekten, Vögel und kleine Säugetiere dienen. Foto: Klaus Vogt

    Aufmerksame Spaziergänger werden vielleicht schon die kleinen grünen Täfelchen an einigen Bäumen im Gerolzhöfer Stadtgebiet entdeckt haben: Die Stadtgärtnerei unter Leitung von André Ditterich hat begonnen, besonders wertvolle "Habitatbäume" mit diesen Schildchen zu kennzeichnen.

    Rund 6000 Bäume stehen derzeit im Zuständigkeitsbereich der Stadtgärtnerei. Die meisten von ihnen sind inventarisiert und tragen deswegen kleine graue Schildchen mit einer Nummernkombination. Im Gegensatz zu diesen kaum zu erkennenden Inventarschildchen sind die neuen Habitat-Täfelchen, die jetzt bei einigen Bäumen zusätzlich noch in die Rinde genagelt werden, gut zu erkennen. Der Begriff Habitat leitet sich vom lateinischen "habitare", sprich "bewohnen" ab.  Zwischen 300 bis 500 solcher "bewohnter Bäume" dürfte es auf der Gerolzhöfer Gemarkung geben, schätzt André Ditterich. Genauere Zahlen gibt es nicht. "Das ist ziemlich schwer zu sagen."

    Teil der Öffentlichkeitsarbeit

    Natürlich werde man nicht alle diese Wohn-Bäume jetzt mit dem grünen Schildchen versehen, sondern nur ausgewählte Exemplare – und zwar zumeist die, die für Spaziergänger gut einsehbar sind. Denn ein Hauptaugenmerk der Aktion liegt darauf, die Bevölkerung für Naturschutz zu sensibilisieren. "Der Schutz dieser Bäume ist uns ein wichtiges Ziel", sagt der Stadtgärtner. "Denn solche Bäume haben ein großes Spektrum für die Natur und die Tierwelt."

    Neben Bäumen, in deren Kronen Greifvögel, Raben, Reiher oder andere Vogelarten Horste und Nester gebaut haben, sind es in erster Linie die so genannten Höhlenbäume, die nun mit dem Habitat-Schildchen gekennzeichnet werden – egal, ob es sich um lebende oder bereits tote Bäume handelt. Die Höhlen im Baum entstehen entweder durch Astlöcher oder durch Spechte, Blitzschläge und Frostrisse. Neben seltenen Vögeln werden diese Höhlen in der Zweitnutzung gerne auch von kleinen Säugetieren wie Siebenschläfer, Fledermäusen oder Marder als Unterschlupf genommen. "Diese Bäume sollen als Wohnstätte der seltenen Tierarten langfristig erhalten bleiben", sagt André Ditterich. 

    Auch abgestorbene Bäume

    Mit solchen Schildchen werden die "Habitatbäume" gekennzeichnet.
    Mit solchen Schildchen werden die "Habitatbäume" gekennzeichnet. Foto: Klaus Vogt

    Auch ganz oder nur teilweise abgestorbene Bäume werden im Bestand belassen, da sie vielen Tieren als Wohn- und Aufzuchtstätte dienen. So brüten Rotkehlchen, Zaunkönig und Wasseramsel gerne in abgestorbenen Bäumen. Außerdem wird das sich zersetzende Holz von vielen Pilzarten bewohnt sowie von Käfern, Holzwespen, Wildbienen und Ameisen. Die Insekten wiederum dienen dem Specht, Kleiber oder Baumläufer als Nahrung.

    Die alten Obstbäume am östlichen Eingang zum städtischen Friedhof, die vermutlich noch vom ehemaligen Privatgarten des früher dort ansässigen, aber längst aufgelassenen Sägewerks Ach stammen, sind solche klassischen Habitatbäume, erklärt André Ditterich vor Ort. Die Wunden, die dort durch abgerissene oder abgebrochene Äste entstanden sind, werden ganz bewusst von der Stadtgärtnerei nicht behandelt. "Wenn die Sicherheit für die Fußgänger gewahrt ist, machen wir nichts am Baum." Es sehe zwar für Laien vielleicht nicht sonderlich ästhetisch aus, aber gerade solche Verletzungen des Baums würden neuen Lebensraum schaffen für viele andere Tierarten.

    Außerdem habe sich gezeigt, dass der Baum die menschliche "Wundversorgung" durch Baumwachs oder ähnlichem weniger gut verträgt, als wenn man die Stellen einfach unbehandelt lässt. Die Obstbäume am Friedhof waren in früheren Jahren an einigen Stellen noch nach alter Methode versiegelt worden, wie man erkennen kann.

    Eigenes Schutzholz

    Inzwischen weiß man aber, dass Laubbäume sich gegen Verletzungen mit der Bildung von "Schutzholz" wehren, die man an der dunklen Verfärbung des Holzes an der Wundoberfläche erkennt. In das Schutzholz werden vom Baum organische und anorganische Substanzen eingelagert, die das darunter liegende Holz vor Pilzbefall schützen. Es erfolgt eine Abschottung mit pilztötenden Stoffen. Außerdem werden dadurch Feuchtigkeitsverluste verhindert. Nadelbäume bilden im Bereich der Wundoberflächen Verharzungen, die ebenfalls eine Schutzfunktion ausüben. Im Gegensatz dazu lassen viele mit Baumwachs behandelte Stellen hingegen Feuchtigkeit durch. So werden unter dem eigentlich gut gemeinten Wundschutzmittel möglicherweise dann Feuchtigkeitsverhältnisse geschaffen, die das Wachstum holzzerstörender Pilze sogar fördern. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

    Auch Flechten sind wichtig

    Für Stadtgärtner André Ditterich zählen selbst unscheinbare Pflanzenarten zu den "Bewohnern" eines Habitatbaums, beispielsweise Flechten und Moose. Im Gegensatz zur Laien-Meinung, dass Flechten den Baum möglicherweise schädigen könnten, sieht Ditterich auch hier Vorteile: Flechten und Moose auf Stamm und Ästen sorgen für eine wichtige Beschattung des Baums und sind somit auch wichtig für dessen Feuchtigkeitshaushalt.

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