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Einfach nur ein schönes Wort

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    Die Köpfe hinter dem Penis: Jimij Günther und Wolfram Hanke, Macher des Fanzines mit dem kuriosen Namen.
    Die Köpfe hinter dem Penis: Jimij Günther und Wolfram Hanke, Macher des Fanzines mit dem kuriosen Namen. Foto: Foto: Katharina Winterhalter

    Auf dem Tisch im KulturPackt-Büro liegt der Titel-Entwurf der neuen Ausgabe des „Kosmischen Penis“, der am 29. Mai erscheinen wird, am Tag des Sängerwettstreits „Grand Prix de la Chanson de Penivision“: Ein Priester in vollem Ornat lächelt erwartungsfroh in die Kamera. Text: „Lasset die Kinderlein zu mir kommen.“ Noch bevor das Interview richtig startet, entwickelt sich eine Diskussion über die Frage, ob das nicht zu naheliegend sei. Jimij Günther findet es gut, Wolfram Hanke schlägt „Ab jetzt wird nur noch gebetet. Versprochen!“ vor. Schließlich liegt das Aufnahmegerät auf dem Tisch, und die beiden Macher des Fanzines mit dem schönen Namen und des „Grand Prix“, der jedes Jahr im Stattbahnhof steigt, stellen sich den Fragen, die Männer und Frauen bewegen.

    Männerfrage: So wie Ihr da sitzt, kommt Ihr beide uns gar nicht so schwanzgesteuert vor.

    Wolfram Hanke: Sind wir auch nicht. Für mich steht der Titel sowieso nicht für das männliche Geschlecht, sondern ist einfach ein Hinhorcher.

    Jimij Günther: So ist er ja auch entstanden. Hanke: Ich war ja nicht dabei, aber der Jimij hat's mir schon hundertmal erzählt. Überlegt mal, wenn's die „kosmische Waschmaschine“ geheißen hätte, wäre es doch lange nicht so aufsehenerregend gewesen. Viele denken übrigens, das ist ein Schwulenmagazin.

    Männerfrage: Wie ist der Name denn nun entstanden?

    Günther: Es war 1987, da gab es den Jugendclub „Cosmodrom 2000“ in der heutigen Disharmonie, Nachfolger des legendären „Sofas“. Da war eine recht aktive Bandszene. Peter Böhm, Hannes Gerber und ich hatten die Idee, ein Heft für diese Szene zu machen, in dem man sich austauscht, in das jeder was reinschreiben kann. Das ist immer noch das Prinzip. Jeder kann beim Penis mitarbeiten und schreiben. Das Wort „kosmisch“ musste rein, wegen des Clubs. Dazu haben wir einen Begriff gesucht, der auffällt. Da ist mir halt „Penis“ eingefallen. Das hatte keinen sexuellen Bezug, war einfach nur ein schönes Wort, das hängen bleiben sollte.

    Frauenfrage: Das ist Euch gelungen. Wie alt seid Ihr eigentlich?

    Hanke: Ich werde 39, und der Jimij sagt nicht, wie alt er ist.

    Also nicht zu alt für Spielchen?

    Hanke: Das ist relativ. Mein achtjähriger Sohn sagt „Papa, du bist ganz schön alt“. Im Vergleich zu meinem Vater bin ich jung. Man ist doch immer so alt, wie man sich vorkommt. Weil wir viel mit jungen Leuten zu tun haben, sind wir doch noch relativ jung für unser Alter, im Vergleich zu anderen 39-Jährigen, die machen doch andere Sachen als wir.

    Männerfrage: Aber Ihr verwahrt euch gegen den Vorwurf der spätpubertären Entgleisung, die euch jetzt – äh – sozusagen noch nachschleicht?

    Günther: Ja, da verwahren wir uns. Wir tragen den Namen ja auch mit Stolz. Es kommt immer wieder zu so schönen Wortspielen im Zusammenhang mit dem Begriff Penis, wie neulich bei dir, Mathias, als du am Telefon gesagt hast, „ich hab' mich mit dem schon lange nicht mehr beschäftigt“ oder so ähnlich. . .

    Wiedemann: Ich hab' gesagt, „Ich habe schon lange keinen mehr in der Hand gehabt – also euren.“

    (Gelächter)

    Günther: Ich erinnere mich an ein 17-jähriges Mädchen, ganz wohlerzogen, die kam mir in einer Disco entgegen und rief „Hast du den neuen Penis für mich dabei?“ Erst als sie die Reaktion der Umstehenden bemerkte, ist sie total rot geworden.

    Männerfrage: Also der Begriff Penis ist längst nicht mehr besetzt mit dem – äh – männlichen Geschlechtsteil, sondern ist zumindest in diesem Zusammenhang ein eigener Markenname geworden. Frauenfrage: Wisst Ihr denn, was die Kids heute dazu sagen, also zum – äh – männlichen Geschlechtsteil? Doch sicher nicht Penis.

    Günther: Das hat auch damals schon keiner gesagt. Das ist doch eher der medizinische Fachausdruck.

    Frauenfrage: Wo wir beim Thema sind. Stimmt es, dass die Trophäen beim Grand Prix de la Chanson de Penivision aus Pappmaschee sind? Wer stellt sie her und – äh – nach welchem Vorbild?

    Günther: Die Penisse sind wirklich aus Pappmaschee. Wir hatten mal welche aus Ton und Gips, aber die wurden zu schwer. Der goldene ist ja doch so lang (Jimij zeigt etwa 40 bis 50 Zentimeter). Erstaunlicherweise wird er seit Jahren immer von Frauen hergestellt. . .

    . . . aus Eurem Bekanntenkreis?

    Hanke: Ja, es gibt unterschiedliche Teams, die sich dann nachmittags in irgendeiner WG-Küche treffen, die Modelle formen und lustig bemalen.

    Männerfrage: Also ganz traditionelle Arbeitsaufteilung. Ihr macht das Management, und die Frauen die Handarbeiten.

    Günther: Das ist nur bei den Penissen so. Wir beide haben sonst auch alles in Handarbeit gemacht, vor allem unsere Hefte. Das war immer ein Event. Wir saßen zu fünft, sechst um den Kopierer, von mittags bis abends, haben die Dinger kopiert, sortiert und geklammert. Hanke: Inzwischen gehen wir in den Copyshop. Die Kopierer dort machen gleich alles. Aber der Spaß ist seither nicht mehr so groß.

    Frauenbemerkung: Nur noch beim Penismodellieren. . . Aber die Antwort auf die letzte Frage fehlt noch: Stichwort Vorbild.

    Günther: Die Frage wird uns jedes Jahr beim Grand Prix gestellt. Also, wenn Wolframs Freundin ihn macht. . .

    Hanke: Müsst Ihr die Frauen fragen, die ihn machen.

    Zwischen Hanke und Günther entwickelt sich eine kleinere Diskussion über die Frage, an wem eine gewisse Claudia Maß genommen hat, die schließlich damit endet, dass Jimij sagt, die Penisse von der Claudia hätten immer eine ganz komische Form.

    Hanke: Jeder Teilnehmer kriegt ja einen Penis, der erste in Gold, der zweite in Silber, der dritte hautfarben, dann werden sie immer kleiner. Der 18. Preis ist winzig. Preisgeld für den Ersten sind 100 Euro, der Dritte kriegt den Kasten Bier, der Zweite ein Musikinstrument, was wir irgendwo besorgen.

    Frauenfrage: Darf ich noch eine Hausfrauenfrage anschließen? Wie werden eigentlich die Penis-Plätzchen geformt?

    Günther und Hanke: Da gibt es Ausstechformen, zum Beispiel am Weihnachtsmarkt.Hanke: Manchmal findet man die auch in Erotik-Shops, glaub' ich. Günther: Beim ersten Grand Prix 1990 hat uns ein Bekannter, der bei Sachs arbeitet, extra so ein Ding gebastelt.

    Winterhalter: Leider gibt es heute zum Interview keine. . .

    Hanke: Es ist ja keine Weihnachtszeit. Die gibt's jetzt doch nicht. Also Plätzchen, mein' ich.

    Winterhalter: Wir wollen doch jetzt nicht unter die Gürtellinie gehen. . . Wiedemann: . . . nachdem wir uns 20 Minuten mit Penissen beschäftigt haben. Aber nun eine ernste Frage: Wie oft erscheint das Magazin?

    Günther: Zwei bis dreimal im Jahr. Früher haben wir fünf bis sechs Ausgaben gemacht. Die wichtigste Ausgabe erscheint an Weihnachten, weil da viele von früher zur Weihnachtsdisco in den Stattbahnhof kommen. Dann gibt es immer eine Ausgabe zum Grand Prix und eine im Oktober. Wir haben 20 Abonnenten – in Deutschland und sogar in Indien, Schottland und Südafrika.

    Frauenfrage: Gab es Zeiten, in denen Ihr keine Lust mehr hattet oder das Gefühl, wir kriegen nichts mehr zusammen?

    Hanke: Ne, das gab's nie. Günther: Stimmt.

    Hanke: Es gab Zeiten, in denen wir weniger Zeit hatten, gerade als wir beide aus der Stadt weggezogen sind und Häuser hergerichtet haben. Da stand was anderes auf der Tagesordnung. Günther: Deswegen gab es letztes Jahr auch nur zwei Hefte. Hanke: Aber keine Lust gab's nie.

    Wiedemann: Es sind ja viele Projekte aus den wilden Jahren eingeschlafen, eures nicht. Hat es sich verändert, ist es professioneller geworden? Hat sich Euer Humor verändert?

    beide: Der Humor hat sich nicht verändert.

    Günther: Das Heft ist ein bisschen professioneller geworden. Aber es ist nach wie vor schwarz-weiß, obwohl Farbe heute nicht teuer wäre. Es sind immer noch die gleichen Themen, Musik, Klatsch und Tratsch und Satire.

    Hanke: Diese Standards wollen wir nicht verändern. Der Schriftzug ist gleich geblieben, wir wollen auch keine Anzeigen, wir wollen unabhängig bleiben, dann kann man jeden in die Pfanne hauen. Auch der Stattbahnhof kriegt mal sein Fett weg, obwohl wir da gerne hingehen und die Leute gern mögen. Wenn die zu viele Coverbands bringen, machen wir schon mal einen bissigen Kommentar dazu.

    Günther: Woran es uns mangelt, sind die Nachwuchsautoren.

    Hanke: Wenn ein Junger journalistisch arbeiten will, schreibt der einen Blog. Der macht doch kein so selbstkopiertes Heft mehr. Wir sind damit großgeworden, mit dieser Fanzine-Kultur in den Achtzigern. Zum 20. Geburtstag 2007 haben wir zwar eine Homepage geschenkt bekommen, aber die pflegt niemand. Wir altern zusammen, irgendwann wird's auch Geriatrie-Seiten geben. Da steht dann, wer im Löhe-Haus mit wem knutscht.

    Wiedemann: In Schweinfurt, man sieht's auch an der Disharmonie, altert die ganze ehemalige Jugendszene gemeinsam. Muss man euch unter Denkmalschutz stellen?

    Günther: Gemeine Frage. Nein, wir haben noch genug junges Blut in uns. Hanke: Also, ich hätte nichts dagegen, wenn alle zwei Jahre einer kommt und mich neu anstreicht. Das Problem ist, dass die jungen Leute auswandern. Viele gehen nach Berlin. Die wollen nach dem Abitur nicht gleich Haus bauen und Familie gründen.

    Winterhalter: Es gibt ja durchaus eine neue Szene von kreativen jungen Leuten.

    Günther: Ja, Tonquadrat zum Beispiel. Wir beobachten schon, was die machen. Auch wenn's nicht unsere Musik ist.

    Hanke: Wir haben so etwas wie einen Dokumentationsauftrag über die Jugendkultur in der Stadt. Wenn Steffi List eine neue CD herausbringt, besprechen wir die im „Heimatspiegel“. Oder wenn die Rockfabrik wieder aufmacht.

    Wiedemann: Kommen wir mal auf den Grand Prix zu sprechen. Der wievielte ist es überhaupt?

    Günther: 1990 haben wir angefangen, aber dreimal haben wir ausgesetzt. Also, dann müsste es der 18. sein. Heuer fällt er zufällig wieder auf den Tag des anderen Grand Prix, aber danach können wir uns ja nicht immer richten.

    Hanke: Da könnten wir doch mal wieder einen Fernseher organisieren und im Nebenraum aufstellen.

    Günther: Der „Zündfunk“ des BR kommt fast jedes Jahr. Achim Bogdahn ist ein Fan, er hat schon mal eine Stundensendung darüber gemacht.

    Hanke: Da gibt es eine gute Geschichte. Der BR hat mal über den „Penis“ eine Stundensendung gemacht, zur 50. Ausgabe. Achim hatte ein Problem, das heißt, der BR hatte ein Problem mit dem Wort Penis. Also hat er ein Quietscheentchen mitgebracht und jedes Mal, wenn das Wort Penis gekommen wäre, hat er gequietscht. Günther: Das Tagblatt hat damit ja keine Probleme. Ich erinnere mich an die Schlagzeile „Oma Klara hat den Penis“.

    Hanke: Ist ja schön, dass wir so etabliert sind, obwohl wir das gar nicht wollen. Fakt ist: Wir haben eine echte Fangemeinde.

    Männerfrage: Es kam in den vergangenen Jahren immer mal der Einwand, der Grand Prix sei nicht mehr ganz so verrückt.

    Günther: Auf letztes Jahr bezogen stimmt das. Aber es sind fast immer verrückte Sachen dabei, manches lässt sich halt nicht toppen, wie der Auftritt von Else Admire aus Bamberg, der nackt auf die Bühne ist, nur mit der Gitarre bekleidet. Für dieses Jahr haben wir bis jetzt 14 Anmeldungen, wie immer Leute aus ganz Deutschland. Was die machen, wissen wir vorher auch nicht.

    Männerfrage: Wo sind für euch die Grenzen bei der Satire im Heft?

    Hanke: Es gibt schon Grenzen, manchmal diskutieren wir schon, vor allem, was in die Rubrik „Schlüsse und Küsse“ reinkommt. Das ist ja die Kolumne, in der wir Privates aus der Szene bringen. Da gibt es einerseits den meisten Ärger, aber es ist auch die Kolumne, wegen der die meisten Leute das Heft kaufen. Wir verzichten schon mal auf Sachen, die großen Gesprächswert hätten, wenn es zu privat wird.

    Günther: Bei Trennungen geht es ja inzwischen häufig um Kinder und Häuser, da kann man nicht mehr so locker sagen, der XY hat eine Neue – vor allem, wenn es die Frau noch nicht weiß.

    Außerdem gibt es das Presserecht. . .

    Hanke: Darum machen wir uns nicht so große Gedanken. Da sind wir eher Punkrock. Wir kriegen höchstens mal Anzeigen angedroht oder auch Prügel. Oder der Jimij kriegt ein Getränk über den Kopf geschüttet oder die Fahrradreifen zerstochen. Günther: Einmal hat jemand sogar die Restauflage des Hefts aufgekauft, damit eine peinliche Sache nicht weiterverbreitet wurde.

    Der kosmische Penis

    Das „Organ der freien Jugend“, so der Untertitel, erscheint seit 1987 zwei bis dreimal im Jahr. Die Redaktion, unangefochten von allen Neuerungen der Drucktechnik und des Internet, achtet streng auf das authentische Layout im Stile der 80er-Jahre-Fanzines: Schwarz/weiß, kopiert, kollagiert, jede Menge Schrifttypen, handschriftliche Einfügungen. Besondere Sorgfalt wird immer auf die Gestaltung der Titelseite verwendet Der Inhalt: Neues aus der Heimat, Satire, Szeneklatsch und Musikkritik. Die Redakteure: Jimij Günther ist Geschäftsführer des KulturPackts, Wolfram Hanke Journalist beim Bayerischen Rundfunk. Seit dem Umzug Günthers hat das Blatt übrigens eine standesgemäße Postadresse: „Der kosmische Penis“, Poppenhausen. Kontakt: derkosmischepenis@freenet.de

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