Es ist irgendwie alles anders an der Ludwig-Derleth-Realschule Gerolzhofen. Sie hat ihr 60-jähriges Bestehen gefeiert, was eigentlich kein echtes Jubiläum ist. Und doch wird diese Feier einen Ehrenplatz in der bewegenden Geschichte der Schule erhalten.
Während nämlich bei vielen Festakten, nicht nur in einer Schule, die Zuhörer bei der Festrede gelangweilt in der verteilten Chronik blättern und die ersten Gäste anfangen, heimlich von ihren Smartphones SMS verschicken oder Sudoku spielen, ist dieser Festakt erfrischend kurz und überraschend anders. Der stellvertretende Schulleiter Michael Rückel wird von einer hereinplatzenden Schülerin gestört, die ein vermeintlich von der Post geliefertes Paket bringt, drinnen ist ein lieber Gruß eines verhinderten Ehrengastes.
Da ist die Festrede von Horst Karch, Ministerialbeauftragter für die Realschulen Unterfrankens, der das Einzigartige der Schule herausstellt. Die Schule hat nämlich etwas geschafft, was eigentlich unmöglich ist: Sie ist zum zweiten Mal ins Comeniusprogramm, einem von der EU geförderten internationalen Schüleraustausch, aufgenommen worden (wir berichteten).
Da sind die Lehrer, die, für die Schüler ungewohnt, in Anzug und Krawatte erscheinen. Da sind die Namensschilder für die Ehrengäste, Gäste, Schüler, Lehrer, Sekretärinnen und Pressevertreter. Da ist ein kurzes Grußwort, das seinem Namen alle Ehre macht, vom stellvertretenden Landrat Paul Heuler, und da ist ein Grußwort seitens der Schüler, Eltern, Lehrer, Förderverein, vorgetragen als Stammtischgespräch mit der Konrektorin Christine Seufert-Erhard. Dann ist da der Vorsitzende vom Förderverein, Hartmut Bräuer, der der Schule ein hochwertiges Saxophon schenkt.
Und dann ist da der Höhepunkt des Abends: der Rückblick auf 60 Jahre LDR. Kein langweiliger Powerpoint-Vortrag mit Namen, Zahlen und Fakten, bei dem man dem Redner statt der Uhr einen Kalender wünscht. Sondern das Musical „Die Schutzengelprüfung“, für das das von Mary Poppins erfundene Kunstwort „Superkalifragilistischexpialigetisch“ gerade eben so ausreicht, um es auch nur annähernd beschreiben zu wollen. Eigentlich kann man es gar nicht beschreiben, man muss das von Stephanie und Alexander Beck geleitete Musical erleben.
Vom kalten Buffet in der Schule nach dem Festakt, von den Schülern serviert, stehen Schüler zwischen der Realschule und der Dreifachturnhalle mit brennenden Fackeln Spalier. Von der Tribüne aus genießen die Gäste ein eineinhalbstündiges Musical. Eingetaucht sind sie in 60 Jahre Geschichte der Realschule, mit Musik, Gesang, Tanz, Sport und Theater. Dreh- und Angelpunkt sind die beiden Schutzengel Michi und Raphaela. Michi steht kurz vor der Aufnahme in den Schutzengeldienst der Schule. Dazu aber ist noch eine Prüfung notwendig, die Michi nur mit Hilfe seiner Lehrmeisterin, Schutzengel Raphaela, bestehen kann. Dabei erfährt Michi, die liebenswerte Klassenletzte, von der lobenswert geduldigen Raphaela allerlei Wissenswertes aus 60 Jahre Geschichte. Soweit die genial einfache Grundidee des Musicals, das von der ersten Idee bis zur Premiere anderthalb Jahre lang vorbereitet worden war.
Beteiligt sind die Schulband, das Schulorchester, die Tanzgruppe, die Sportler, mehrere Solisten am Mikrofon und die Theatergruppe auf der Bühne. Von den Anfängen, mit drei Lehrern und zwei Schulräumen als Mittelschule bis in die Gegenwart mit der Großbaustelle ist der Bogen gespannt. Es ist kurzweilig, spannend und hochinteressant. Bekannte Songs wie „What a Feeling“ von Irene Cara oder „Männer sind Schweine“ von den Ärzten sind umgedichtet und erzählen von markanten Ereignissen. Jongleure treiben ein munteres Spiel mit Bällen, die „Flygins Trolls“ zeigen atemberaubende Sprünge über Kästen und verdrehen ihre Körper beim Breakdance, Tänzerinnen bezaubern mit eindrucksvollen Tänzen, und die Lehrer sind sich nicht zu schade, den Modetanz der 80er Jahre, den Macarena, zu tanzen. Rock'n'Roll der 50er und 60er, mit Gesang und Tanz, drei computergesteuerte Großbildschirme mit Fotos aus 60 Jahre Schulgeschichte, eine professionelle Licht- und Bühnentechnik, eine im Kunstunterricht entstandene und teilweise mit Hilfe von Eltern gebaute Kulisse, ein ausgefeiltes Bühnenbild – leider reicht der Platz hier nicht aus, um auch nur annähernd zu beschreiben, was alles in anderthalb Stunden passiert ist. Wie gesagt, man muss es erleben.
Schade, dass es nur drei Vorstellungen gibt: Die Premiere beim Festabend, eine Aufführung für die Schüler und eine für die Öffentlichkeit.