Mit- und füreinander. Partner sein und nicht im Kind ein Objekt der Pflege und Liebe sehen. Zeit haben - damit nicht das Lächeln schon erstirbt, bevor es den Weg aus dem Innern auf das Gesicht eines Kindes geschafft hat. Auf Signale achten, genauso wie auf Sprache. Rauschmann und Bonse-Olsen finden viele Merkmale, die Arbeit und Geist des Förderzentrums mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung, kurz und liebevoll K-Schule genannt, beschreiben.
"Der Lehrer ist hier kein reiner Wissensvermittler", sagt Karin Bonse-Olsen, die 1999 als Rauschmanns Stellvertreterin nach Schonungen kam und ihn 2001 ablöste. Das sei wohl die größte Motivation, fügt sie hinzu. Das Wichtigste aber sei die Begegnung mit Menschen. Von den Einrichtungen der Schweinfurter Lebenshilfe sei Schonungen der Ort, an dem sich die Menschen am besten kennen und am meisten berühren, ergänzt Vorgänger und Gründer Rauschmann.
Wie achtlos Sprache sein kann und welche Bedeutung die richtigen Worte haben, zeigt Josef Rauschmann an Beispielen: "Wir füttern keine Kinder, das tut man mit Tieren". Und: Auch Sprachlose möchten angesprochen werden. Nicht, dass über sie geredet wird, während sie unbeteiligt daneben sitzen. Antworten kommen, aber sie dauern, wissen die beiden Pädagogen. Nicht funktional, intentional funktioniert Lernen.
Heimelige Atmosphäre
Rauschmann war 1976 Vorsitzender des Lebenshilfe-Vereins Schweinfurt. In dem Jahr entstand die Schule für Körperbehinderte in Schonungen. Im März zogen 30 Kinder in die ehemalige Grobe-Mühle in der Bachstraße. Die Unterrichtsräume der vier Klassen verteilten sich auf die Jugendstilvilla, ehemaliges Wohnhaus des Mühlenbesitzers, und die Mühle.
Bis dahin gab es keine Einrichtung für körperliche Behinderte, nur geistig Behinderte konnten in eigenen Einrichtungen betreut werden, erinnert sich Rauschmann. An der Schweinfurter Pestalozzi-Schule für Lernbehinderte gab es zwar eine Sonderklasse, Bedingung für eine Aufnahme war aber, dass ein Schüler rechnen, lesen und schreiben lernen kann. Wer sich schwer tat, galt als bildungsunfähig und waren von der Schulpflicht entbunden.
Vorläufer der Schonunger K-Schule waren zwei Gruppen mit Körperbehinderten im Kindergartenalter. Seit 1971 waren diese in der Feuerwache im Hof der Schillerschule in Schweinfurt betreut worden, bevor der Umzug in den Landkreis anstand. Heute besuchen die K-Schule 120 Kinder und Jugendliche - vom Kindergartenkind bis zum 20-Jährigen im Berufsschulalter. In der Jugendstilvilla, der alten Mühle und Nebengebäuden wie dem Montessori-Haus werden zehn Schulklassen und fünf schulvorbereitende Gruppen unterrichtet.
Josef Rauschmann erinnert sich an den ersten Besuch der Grobes-Mühle, die er aus der Konkursmasse der Familie erstand: "Eine heimelige und trotzdem funktionale Atmosphäre". Und er denkt gerne zurück an das "Glück, am Bach mit vielen Obstbäumen" zu leben. Die Baustile - Jugendstil, Fabrik und skandinavisch - seien für die Menschen förderlich: "Die Ideen sprudeln hier eher und individueller", als sie es in einem geradlinigen Neubau tun, ist sich Rauschmann sicher. Er liebe diese Schule, gesteht Rauschmann - und findet, die Schulfamilie sei "eingebettet ins Paradies". Das Ambiente komme auch von den flachen Hierarchien, vom Miteinander zwischen Therapie, Pflege und Pädagogik.
Erst später hinzugekommen ist die "Tierbeobachtungsstation": Das Montessori-Haus hat Fenster bis zum Boden, für Rollstuhlfahrer die richtige Perspektive. Ganz nebenbei lässt sich so die Natur beobachten: brütende Tiere, wachsende Blumen und Eichhörnchen auf der Suche nach Futter. Als 1999 bekannt wurde, dass die Farbenfabrik Sattler ein gefährliches Erbe hinterlassen hat, durften die Obstbäume und -sträucher nicht mehr geerntet werden. Heute gärtnern die Kinder in Hochbeeten.
Der Alltag für die ungelernten Hilfskräfte, die Lehrer, Heil- und Sozialpädagogen, Erzieher, Kinderpfleger und Krankenschwestern ist nicht leicht. "Aber", so Josef Rauschmann, "man lernt auch viel". Für das eigene Leben. Geradlinig denken, warten, sich in Gesten üben etwa. "Im Grunde ist der Umgang untereinander vergleichbar mit dem zweier Liebender", sagt Rauschmann.
Daten & Fakten
Lebenshilfe-Schule Schonungen
Die Schüler sind körperbehindert, ein großer Teil schwer mehrfach mit Lern- und psychischen Proble- men. Rund ein Drittel hat von Ge- burt an Schäden, viele haben schwere Unfälle überlebt. 72 Kräfte (entspricht 35 Vollzeitstel- len) betreuen die Kinder in Schule, Tagesstätte und Kindergarten. Die einzige öffentliche Veranstaltung im Jubiläumsjahr ist im Herbst eine Podiumsdiskussion zu "Qualitäts- management" und der Frage, in- wiefern und ob sich der Begriff mit den Inhalten des Alltags der K-Schule verträgt. Der Termin steht noch nicht fest.