Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadt Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

Einmal zu Fuß um die Welt

Stadt Schweinfurt

Einmal zu Fuß um die Welt

    • |
    • |
    In den USA: Robby Clemens goes to Hollywood.
    In den USA: Robby Clemens goes to Hollywood.

    Er ist einmal um die Welt gerannt, hat dadurch seine Probleme gelöst und zu sich selbst gefunden: Am Mittwoch, 28. November, wird Robby Clemens um 16 und um 19.30 Uhr in der Stadtbücherei im Ebracher über seine Erlebnisse rund um den Globus in Foto und Film berichten. Clemens brach am 3. Januar 2007 zu einer Weltumrundung zu Fuß auf und lief am 9. November in Berlin durchs Brandenburger Tor. Zwischen Start und Ziel lagen 13 262 Kilometer – mehr als 314 Marathons in 311 Tagen, vier Kontinente und 27 Länder. Er sah die Felsenstadt Petra, die ägyptischen Pyramiden, das indische Taj Mahal und den Grand Canyon, er überquerte am Bosporus die Grenze zwischen Europa und Asien, joggte durch die Hitze in Indien und Vietnam und traf unzählige Menschen. Den tiefsten Punkt auf seinem „Worldrun“ erreichte Clemens mit 420 Meter unter Null am Toten Meer, mit 51 Grad im Schatten war es im kalifornischen Death Valley am heißesten. Seinen persönlichen Kältepol erlief sich Robby Clemens, Jahrgang 1961, in der Türkei, als das Thermometer minus 17 Grad anzeigte.

    Frage: Sagen Sie mal, wie kommt einer dazu, um die Welt zu rennen?

    Robby Clemens: Das hat natürlich, wie in solchen Fällen immer, eine Vorgeschichte. Ich wog 125 Kilo und war alkoholabhängig. Ich habe jeden Tag drei, vier Schachteln Zigaretten geraucht. Ich hatte eine große Firma – Heizung und Sanitär – gehabt und war – auch wegen eines Immobilienspekulanten – in Leipzig pleitegegangen. Wir hatten 2,2 Millionen D-Mark offene Forderungen. Meine Eltern haben durch mich alles verloren, wir haben alles verloren, es war alles weg. Und dann habe ich angefangen zu saufen.

    Es hat also noch eine Weile gedauert, bis Sie angefangen haben zu laufen.

    Clemens: Richtig. Irgendwann hat mir ein Arzt gesagt, wenn ich weiter so lebe, werde ich krepieren und meiner Familie unsägliches Leid antun. Selbst sieht man das ja gar nicht. Das hat mir die Augen geöffnet. Im Internet bin ich auf zwei Fitness-Päpste gestoßen: Ulrich Strunz und Michael Spitzbart. Bei Spitzbart habe ich mit geborgtem Geld ein Seminar besucht. Ich hatte versucht, eine Woche lang keinen Alkohol zu trinken und saß zitternd mit Entzugserscheinungen da. Aber die anderen sind ganz toll mit mir umgegangen, niemand hat sich über mich lustig gemacht. Trotzdem habe ich kaum was mitbekommen. Aber eins hat er in dem Seminar immer wieder wiederholt: Kauft euch Laufschuhe und fangt an zu laufen. Ich habe das sofort beherzigt: habe mir gleich am Montag Laufsachen gekauft und bin losgerannt.

    War vermutlich ein harter Einstieg.

    Clemens: Ich habe im Stadion erstmal nur eine Runde geschafft. Aber am nächsten Morgen war ich wieder da. Und so ist es weitergegangen. Ich habe an diesem Montagmorgen auf einen Schlag mein Leben geändert. Habe keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken und keine Zigarette mehr angerührt, und so ist es bis heute geblieben. Nach einem Dreivierteljahr hatte ich von 125 Kilo auf 78, 79 Kilo abgenommen. Langsam habe ich mich ins Läuferleben reinentwickelt. Fünf Kilometer, zehn Kilometer. Nach anderthalb, zwei Jahren konnte ich schon einen Marathon in Angriff nehmen. Ich habe aber gemerkt, dass das Laufen gegen Zeit nicht mein Ding war. Und dann kriegte ich mit, wie schön das ist, 50, 60, 70 Kilometer am Stück zu rennen. Langsames Tempo, niedere Herzfrequenz. Das kam meiner Vorstellung vom Laufen entgegen.

    Wie ging's weiter?

    Clemens: Ich bekam Kontakt zur Sachsen-Anhaltischen Kinderkrebsgesellschaft und kam auf die Idee, einen Spendenlauf zu starten. Das Projekt hieß „493 Kilometer für Menschlichkeit und Toleranz“ und ging von Hohenmölsen, wo ich wohne, zu meinem Kumpel in Ludwigshafen. Ich merkte, wie toll das ist, wenn man durch Laufen helfen kann, und habe unheimlich viele Spendenläufe gemacht. Ich war 2003 während des Krieges im Irak und bin von Basra nach Bagdad gerannt, da gibt es spektakuläre Bilder. Das wurde immer mehr, aus 500 Kilometer wurden 600 und 700 und sogar über 2000, von Athen nach St. Michael im Salzburger Land. Und dann habe ich das Buch von Heine Stupp gelesen, der 1895 in München am Oberpollinger losgelaufen ist und einmal die Erde umrundet hat, mit Wanderstock und Maggiwürfeln im Gepäck. Da stand für mich fest: Das ist der nächste Traum, den du dir verwirklichst.

    Das Laufen muss man sich aber auch leisten könnten. Wie haben Sie daraus ein wirtschaftliches Lebensmodell gemacht?

    Clemens: Zunächst mal hatten wir gelernt, mit sehr wenig zurechtzukommen. Man steigt relativ schnell auf – Firma mit über 100 Beschäftigten, man verdient einen Haufen Geld, fährt die teuersten Autos, trinkt den teuersten Schnaps und entwickelt sich zum absoluten arroganten Arschloch. Das ist das, was Geld mit einem macht. Ich bin einfach dankbar, dass ich diese Entwicklung durchmachen konnte, sonst hätte ich all das später nicht mehr erlebt. Und dann könnte ich heute nicht bescheiden und bodenständig durchs Leben gehen. Natürlich hat man eine Familie zu versorgen und muss Geld verdienen, und das tun wir, indem wir Vorträge machen.

    Beim Laufen passiert ja etwas mit einem – geht es da auch um Grenzerfahrungen?

    Clemens: Ich bin jemand, der gerne an Grenzerfahrungen rangeht. Da lernt man sich am besten selber kennen. Man läuft auch zu sich selbst. Was kann dein Körper überhaupt leisten? Kannst du gegensteuern? Welche psychologischen Mittel gibt es, damit die weiterrennst, obwohl du eigentlich nicht mehr kannst. Das alles ist prägend für die Weiterentwicklung meines Lebens.

    Nun kann aber nicht jeder, der seine Probleme lösen will, um die Welt laufen. Was sagen Sie Menschen, die wissen wollen, wie das Laufen das Leben bereichern kann?

    Clemens: Ich sage, erfüllt euch eure Träume. Es ist ein wahnsinnig tolles Gefühl. Dieser Lauf um die Erde war nichts anderes. Wir haben einen völlig anderen Blick auf die Erde bekommen. Wir sind mit so vielen Klischees im Kopf gestartet. Und dann waren wir in den ärmsten Ländern dieser Welt unterwegs – in Indien, Pakistan oder Bangladesh kämpft ein Großteil der Menschen täglich ums Überleben. Und gerade die haben mir von dem Wenigen, das sie haben, abgegeben. Haben Mitleid mit mir gehabt, als ich verdreckt und verschwitzt angerannt kam.

    Nach solchen Erlebnissen ist es vermutlich nicht leicht, wieder ins normale Leben zurückzukehren?

    Clemens: Diese Situation habe ich völlig unterschätzt. Ich bin nach der Tour in ein ganz, ganz tiefes Loch gefallen, aus dem ich nur mit professioneller Hilfe eines Psychologen und meiner Familie wieder herausgefunden habe. Wir brauchten acht Wochen, bis ich wieder soweit war, alles wahrzunehmen, was mich umgibt. Der Körper war wie ein Pferd, er wollte jeden Morgen raus, um diesem Marathon zu erledigen. Ich hatte während des Laufs ja gar keine Zeit gehabt, all die Eindrücke zu verarbeiten, die jeden Tag aufs Neue auf mich eingestürmt sind.

    Gibt es schon ein nächstes Projekt?

    Clemens: Ja, das gibt es. Ich werde im Februar 2014 am Nordpol starten, werde versuchen, über Grönland Kanada zu erreichen, durch die USA, Mexiko, Chile bis in den Südzipfel Amerikas laufen, über Kap Hoorn in die Antarktis fliegen und dann in der Antarktis zum Südpol laufen.

    Wie finanziert man so etwas?

    Clemens: Mit Sponsoren. Aber darüber darf ich noch nichts sagen. Es wird Pressekonferenzen geben, wo sich diese Sponsoren, teilweise weltumspannende Firmen, vorstellen werden.

    Letzte Frage – kennen Sie den Film „Forrest Gump“?

    Clemens: (lacht) In den USA hat man mich meistens als Forrest Gump begrüßt. Und die Schauspielerin Ulrike Folkerts sagt immer zu mir, „Gump lebt.“

    Karten in der Stadtbücherei im Ebracher Hof, Montag und Freitag von 10–19 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 10–18 Uhr und Mittwoch von 13 bis 18 Uhr. Eintritt 7 Euro Erwachsene und 5 Euro Schüler und Studenten.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden