Wer denkt, dass das Fahren eines Einsatzfahrzeugs mit Blaulicht und Martinshorn einfach ist, weil ja die anderen Verkehrsteilnehmer schnell Platz machen, der irrt. Viele Autofahrer reagieren hektisch, wenn sie im Rückblick ein Feuerwehrauto oder einen Rettungswagen bemerken. Und oftmals sind ihre Reaktionen für den Fahrer des Einsatzfahrzeugs kaum vorhersehbar. Abruptes Bremsen bis zum Stillstand, das Ausscheren auf andere Fahrspuren oder das Dahinschleichen mit geringer Geschwindigkeit sind da an der Tagesordnung.
Für die Fahrer von Fahrzeugen mit Sondersignal bedeutet dies Stress pur. Besonders dann, wenn solche Einsatzfahrten nicht allzu oft vorkommen und deshalb die Routine fehlt. Dies betrifft häufig Feuerwehrleute, die – im Gegensatz beispielsweise zum Fahrer eines Krankenwagens oder eines Notarztfahrzeugs – vielleicht nur alle paar Wochen mal ernstfallmäßig ausrücken müssen. Da ist es gut, wenn man bestimmte Verhaltenstipps an die Hand bekommt, um im Spannungsfeld zwischen der Sicherheit im Verkehr und dem möglichst schnellen Ankommen bestehen zu können.
Sichtfeld von 200 Grad
Die Versicherungskammer Bayern und das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration haben in Zusammenarbeit mit dem Landesfeuerwehrverband Bayern je einen mobilen Einsatzfahrten-Simulator beschafft. In den beiden baugleichen Simulatoren im Wert von je 175.000 Euro, aufgebaut auf Anhängern, ist ein Fahrersitz mit Bewegungssystem montiert, die Fahrt wird auf drei großen Bildschirmen dargestellt. Das Sichtfeld im Fahrsimulator umfasst einen Winkel von 200 Grad, damit auch beim Blick aus den Seitenfenster die Verkehrssituation wahrgenommen werden kann. Und im virtuellen Rückspiegel und den beiden großen Außenspiegeln sieht man sogar den Verkehr hinter dem Einsatzfahrzeug. Damit lässt sich ein durchaus realistisches Fahrgefühl erzeugen.

Einer der beiden Simulator ist derzeit im neuen Feuerwehrhaus in Unterspiesheim aufgebaut. Drei Wochen lang vom 6. bis 25. Juli trainieren dort Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren und anderer Hilfsorganisationen aus dem Landkreis Schweinfurt die Fahrt mit Sondersignalen. Alexander Bönig, Kreisbrandinspektor aus Unterspiesheim und zuständig für die Abnahme der Feuerwehrführerscheine im Landkreis Schweinfurt, ist für die Trainingseinheiten am Simulator verantwortlich.
Sechs Teilnehmer pro Kurs
Jede Trainingseinheit dauert etwa vier Stunden, inklusive theoretischem Unterricht. Es können jeweils sechs Personen daran teilnehmen. Wenn alle Unterrichtseinheiten komplett ausgebucht wären, dann könnten bis zum 25. Juli maximal 250 Personen am Simulator geschult werden. Diese Zahl wird aber wohl nicht erreicht. Denn, so Alexander Bönig, "die Nachfrage könnte noch größer sein". Er rechnet am Ende mit rund 200 Teilnehmern. Für jeden werden 9,50 Euro als Aufwandsentschädigung fällig. Die Schulungen werden durch Mitglieder der Kreisbrandinspektion geleitet sowie durch weitere Feuerwehrleute aus dem Landkreis, die dafür extra an der Staatlichen Feuerwehrschule in Regensburg ausgebildet wurden.
- Hier gibt es eine Zusammenstellung der jüngsten Feuerwehreinsätze im Raum Gerolzhofen
Bei einem Pressetermin im Feuerwehrhaus in Unterspiesheim setzte sich Bürgermeister Horst Herbert in den Simulator. Der Sicherheitsgurt am Fahrersitz wird geschlossen, der Motor gestartet, das Fahrlicht eingeschaltet und die beiden Kippschalter für Martinshorn und Blaulicht betätigt. Und schon kann die Fahrt unter Ernstfallbedingungen beginnen. Das Computerprogramm generiert die Fahrt mit einem großen Einsatzfahrzeug, in der Realität wäre es ein Tanklöschfahrzeug oder eine Drehleiter. Zuerst absolvieren die Schüler eine so genannte Eingewöhnungsfahrt ohne große Zwischenfälle, um sich damit vertraut zu machen, wie die Simulation auf Lenkbewegungen reagiert oder wie die Gas- und Bremspedale beim fiktiven Gewicht des Fahrzeugs ansprechen.
Drei Programme zur Auswahl
Nach der Eingewöhnung stehen dann drei Simulationsprogramme zur Auswahl: die Fahrt im Stadtverkehr, eine Überlandfahrt oder eine Autobahnfahrt. Jedes dieser drei Programme gibt es in sechs Versionen, damit jeder der sechs Kursteilnehmer eine neue Aufgabe bekommt und nicht schon vorab sehen kann, welche Herausforderungen sich der Computer während der Fahrt ausdenkt.
Die sechs simulierbaren Einsatz-Szenarien sind laut Kreisbrandrat Holger Strunk "nah dran an der Realität, vor allem die kritischen Situationen, die bei der Blaulichtfahrt im Zusammenhang mit den anderen Verkehrsteilnehmern entstehen können". Zwar könne der Simulator ein echtes Fahrzeug und eine reale Einsatzfahrt nicht zu 100 Prozent ersetzen, aber "die Situationen werden sehr gut simuliert".
Problem an der roten Ampel
Bürgermeister Herbert entschied sich bei seinem Test für eine "Stadtfahrt": Vorsichtig steuerte er das schwere Fahrzeug vom Hof der Feuerwehrwache, Blick nach links, Blick nach rechts, Blinker setzen. Im Navi wird die Einsatzstelle angezeigt. Zunächst geht es geradeaus. Die ersten 100 Meter der Fahrt sind problemlos, die Straßen sind frei, einige Fahrzeuge vor ihm fahren zur Seite, so dass der Bürgermeister mit Martinshorn und Blaulicht an ihnen vorbeiziehen kann. Allerdings lässt es Herbert für einen Ernstfall recht gemächlich angehen. Gerade mal um die 30 km/h zeigt der Tacho. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Dann gibt es das erste Problem. Vor der roten Ampel an einer großen Kreuzung stauen sich auf beiden Fahrstreifen vor ihm die Autos, wegen Gegenverkehrs kann Horst Herbert zunächst nicht auf die Gegenfahrbahn ausweichen. Die Autofahrer vor ihm machen keine Anstalten, eine Gasse zu bilden. Deshalb entschließt sich Einsatzfahrer Herbert nach einigen Sekunden im Stau, auf die nun freie Gegenfahrbahn auszuweichen – und genau in diesem Moment weichen auch die Fahrzeuge vor ihm ebenfalls nach links aus, um eine Rettungsgasse zu bilden. Vollbremsung.
Der fluchende Fahrer
Dann geht es weiter zur nächsten Kreuzung. Wieder leuchtet die Ampel rot. Herbert tastet sich vorsichtig in die Kreuzung hinein, als von rechts eine Limousine mit einer älteren Person am Steuer kommt. Sie hält zunächst an, Herbert gibt Gas. Doch plötzlich fährt auch die Limousine wieder an. Herbert muss deswegen heftig ausweichen – und ihm rutscht etwas nicht Druckreifes heraus, so sehr ist er bereits in der Simulation angekommen.
Kurz vor dem Einsatzort, wo Rettungswagen und Polizei bereits auf die dringend benötigte Feuerwehr warten, gibt es noch eine weitere Klippe: einen dreispurigen Kreisel. Es herrscht dichter Verkehr. Obwohl sich Horst Herbert vorsichtig und langsam mit Sondersignalen hineintastet, gibt es plötzlich einen Schlag. Ein Auto ist hinten auf das Feuerwehrfahrzeug aufgefahren. Unfall.
Am Ende der Simulation gibt es immer eine Nachbesprechung. Die Fahrt ist aufgezeichnet worden und die Ausbilder können nun noch einmal die kritischen Situationen in verschiedenen Geschwindigkeiten abspielen, besprechen und dann Verbesserungsvorschläge machen.
Dank an Kolitzheim
Beim Termin in Unterspiesheim überzeugte sich auch Florian Zippel, Arbeitsbereichsleiter "Katastrophenschutz und Feuerwehrwesen" am Landratsamt Schweinfurt und selbst als einer der Kreisbrandinspektoren des Landkreises ehrenamtlich aktiv, von den Vorzügen des Simulators. "Ein besonderer Dank geht an die Gemeinde Kolitzheim, die unkompliziert im neuen Gerätehaus einen Stellplatz sowie einen Schulungsraum für das Training zur Verfügung gestellt hat", sagte Zippel.