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Entschleunigungsmotive

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Entschleunigungsmotive

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    Fritz Erler: Musikzimmer der Villa Neisser in Breslau, 1898 (Aufnahme von 1908).
    Fritz Erler: Musikzimmer der Villa Neisser in Breslau, 1898 (Aufnahme von 1908). Foto: FOTO MGS

    Der etwas sperrige Titel der Ausstellung im Museum Georg Schäfer enthält bereits eine ganze Menge Information: „Die Scholle. Eine Künstlergruppe zwischen Sezession und Blauer Reiter“, heißt die opulente Schau mit 70 Werken der Münchner Künstlervereinigung, die zwischen 1899 und 1911 bestand und als deren heute prominentester Vertreter Leo Putz gilt. Den Kern bildet die Sammlung Siegfried Unterberger aus Meran, dem Geburts- und Sterbeort von Leo Putz. Die zwölfköpfige Gruppe formierte sich nicht nur aus künstlerischer Verbundenheit, sie kam sogar vollkommen ohne Programm und Satzung aus.

    Entsprechend disparat – auch in qualitativer Hinsicht – ist die Ausstellung. Museumsleiterin Sigrid Bertuleit stellt sich mit ihrer Hängung den stilistischen und thematischen Klüften, kombiniert – fast durchweg in sattem Violett gestrichene – Übersichts- mit Themenräumen, verstellt bewusst Blickachsen mit effektvollen Einbauten und eröffnet dem Besucher so die Möglichkeit, entweder enzyklopädisch vorzugehen oder sich treiben zu lassen.

    Es ist eine Zeit im Umbruch, die hier in oft großformatigen Gemälden ihren Niederschlag gefunden hat. Die Maler der Scholle pflegen unterschiedliche Malstile, Einflüsse von den alten Niederländern über Biedermeier, Impressionismus bis Jugendstil klingen an. Und doch gewinnt man den Eindruck eines gemeinsamen Wollens, etwa in der Verklärung der Natur, der Skepsis angesichts der rasanten Technisierung der Welt. Die malerischen Mittel von Leo Putz, Fritz Erler, Erich Erler, Gustav Bechler, Adolf Münzer oder Max Feldbauer sind satte, warme Farben, pastoser Pinselstrich und eine verblüffende Vielfalt der Themen.

    Da sind die stimmungsvollen Kahnpartien – Bertuleit nennt sie „Entschleunigungs-Motive“ –, die persönlichen Frauenporträts und Akte, die verklärten Landschaften und vor allem die skurril bis unverhohlen erotischen mythologischen Szenen, in denen sich eine unbändige Lust an Jugend, Kraft und Freiheit Bahn bricht. In Einzelfällen speist die heroische Ästhetik auch den Fundus, aus dem sich später die Nationalsozialisten bedienen werden. Die Scholle selbst kommt ohne politische oder gesellschaftskritische Anklänge aus, sie entwirft vielmehr eine rein private, lichtdurchflutete (Gegen-)Welt, die weder vor Idealisierung noch Pathos zurückschreckt. Damit ist sie – auch dank einer großen Produktivität auf Betätigungsfeldern wie Raum- oder Möbelgestaltung – einige wenige Jahre lang so erfolgreich, so prägend, dass Franz Marc bei ihrer Auflösung 1911 die Hoffnung äußert, der Blaue Reiter möge von nun an „die neue Scholle werden“.

    „Die Scholle. Eine Künstlergruppe zwischen Sezession und Blauer Reiter“ – Museum Georg Schäfer, bis 1. Juni.

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