Der im Jahr 1988 errichtete Gedenkstein erinnert an die vielen jüdischen Einwohner der Stadt Gerolzhofen, deren Wurzeln schon auf das Jahr 1425 zurückzuführen sind, als der Fürstbischof von Brunn den ersten Israeliten erlaubte, in Gerolzhofen ansässig zu werden. Den einst 134 jüdischen Mitbewohnern widerfuhr in den Jahren zwischen 1933 und 1942 unsägliches Leid. Wer von ihnen nicht rechtzeitig die Stadt und Deutschland verließ, sollte diese Zeit nicht überleben.
1942 letzte Deportation
So wurden am 19. September 1942 die letzten vier Juden in der Stadt in das Lager Theresienstadt deportiert. Gerolzhofen war seit diesem Tag „judenfrei“, so wie es der Plan des nationalsozialistischen Regimes forderte.
Den Standort eines Gedenksteines in der Schuhstraße fanden die Verantwortlichen deshalb passend, da er unweit der ehemaligen Synagoge in der Steingrabenstraße liegt, die schon zur damaligen Zeit privatisiert war. Im vergangenen Jahr kam im Stadtrat auf Initiative von geo-net die Diskussion um die so genannten „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demling auf. Wie schon in Würzburg und anderen Städten wurde vorgeschlagen, auch in Gerolzhofen diese kleinen Messingtäfelchen zwischen den Pflastersteinen vor den einst von Juden bewohnten Häusern anzubringen und mit einer Inschrift an sie zu erinnern.
Viele der heutigen Hausbesitzer wünschten dies zwar nicht, aber die Diskussion um ein Symbol zum Gedenken an die jüdische Gemeinde der Stadt erreichte eine Eigendynamik, so Bürgermeister Hartmut Bräuer. Mit der Gestaltung des Platzes in der Schuhstraße wurde diese Erinnerung in würdiger Art und Weise geschaffen. In der Pflasterung ist eine Steintafel mit hebräischen Schriftzeichen und der deutschen Übersetzung „Friede, Friede den Fernen und Nahen!“ eingelassen. Neben dem Gedenkstein wurde eine Schautafel aufgestellt, auf der ein Zeitstrahl von 1933 bis 1942 mit Ereignissen dieser Jahre sowie ein Plan der Innenstadt mit den ehemals jüdisch bewohnten Häusern und den Namen der früheren Besitzer zu sehen sind.
Bürgermeister Hartmut Bräuer sieht den Platz auch als Mahnmal, wurden im letzten Jahr noch immer über 8000 antisemitische Handlungen in der Bundesrepublik registriert. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, Dr. Josef Schuster, erinnerte noch einmal an die unfassbaren Verbrechen, die an den einst elf Millionen Juden in Europa begangen wurden. Sechs Millionen von ihnen fanden damals den Tod.
Mehr Toleranz
Dekan Josef Kraft und der Geistliche der evangelischen Kirchengemeinde, Martin Oeters, riefen in ihrer Ansprache zu mehr Toleranz unter den Menschen auf, sehe der christliche Glaube Gott doch als Vater aller Menschen an. Ein ganz besonderer Gast fand sich ebenfalls zur Übergabefeier ein. Die Tochter des 1921 in Gerolzhofen geborenen und 1936 nach Israel ausgewanderten Juden Gustav Lichtenauer, Milka Zeiler-Lichtenauer, freute sich, in der Geburtsstadt ihres Vaters eine würdige Gedenkstätte – auch für ihre ermordeten Familienangehörigen – vorzufinden.
Im Anschluss an die Feierstunde in der Schuhstraße hielt Thomas Schindler vom Stadtarchiv Haßfurt einen Vortrag zur Vorgeschichte des nationalsozialistischen Antisemitismus in Ostunterfranken, der nicht ganz den Erwartungen des Publikums entsprach. In Anlehnung an die 1985 von Michael Pfrang herausgegebene Broschüre „Die jüdische Gemeinde von Gerolzhofen“ verdeutlichte der Vortrag den Ursprung antisemitischer Handlungen und ihre Folgen. Für die Zuhörer war es jedoch schwierig, die Geschichte der Juden in Ostunterfranken auf Gerolzhofen zu übertragen.