Am liebsten würde der 22-Jährige aus Afghanistan gleich eine Ausbildung mit dem Friseursalon „Hair Express“ vereinbaren. So schnell geht's dann doch nicht. „Ein Praktikum ist schon wichtig“, sagt Meral Yildirim. Er müsse schließlich erst mal den Salon kennenlernen, die Kolleginnen, die Kunden und sehen, ob der Beruf auch etwas für ihn ist. Der Interessent lässt seine Kontaktdaten bei Meral Yildirim. Er soll sich's überlegen. Vielleicht wird's ja was, mit dem Praktikum.
Friseurin mit Kopftuch – geht das?
Ein paar Minuten nur dauert das kurze Kennelernen – und schon sitzt eine junge Frau vor ihr, aus Syrien stammend, mit Kopftuch. Ob es ein Problem sei, wenn sie mit Kopftuch arbeiten würde? Grundsätzlich nicht, sagt die Salonleiterin. Unter dem Aspekt, dass eine Friseurin quasi auch „Verkäuferin“ des Produkts sei, nämlich einer attraktiven Frisur, sei das Kopftuch wenig hilfreich. Viele Kundinnen wählten ihre Friseurin auch danach aus, welche selbst die schönste Frisur trägt.
Und: Sie müsse wissen, dass sie auf jeden Fall auch Männer frisieren muss, sagt Salonleiterin Yildirim. Das sei kein Problem, sagt die Noch-Schülerin. Dann erzählt sie, dass sie am liebsten Hebamme werden wolle – ein Beruf, der an diesem Montagmorgen im Berufsinformationszentrum (BIZ) der Agentur für Arbeit aber nicht im Informationsangebot ist.
Einen Tisch weiter erklärt Marcel Keller von Riedel Bau einem 20-jährigen aus Nigeria, wie man Beton- oder Stahlbetonbauer wird: drei Jahre Ausbildung, schulischer Blockunterricht. „Wir bauen Häuser, Betonbauer legen die Fundamente.“ Der Interessent ist seit 20 Monaten hier, spricht ziemlich gut Deutsch. „Wir arbeiten immer im Freien und im Team“, sagt Keller. Das gefällt dem Jugendlichen. Wenn er Interesse hat, eine Bewerbung schickt und ein, zwei Wochen Praktikum absolviert, könnte das etwas werden mit einem Ausbildungsvertrag.
Viel lernen und gut Deutsch sprechen
Bei Axel Feyh, Geschäftsführer der Firma Bechert, sitzt gerade ein 20-jähriger Syrer. Ab September könnte der Schüler eine Ausbildung beginnen zum Elektriker oder Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung, Klimatechnik. Beides seien keine leichten Berufe, sagt Feyh, „man muss viel lernen, in Mathe mindestens Note Drei mitbringen, das Sprachniveau mindestens P1 sein“. Voraussetzung für ein Ausbildungsverhältnis: als Berufsvorbereitung ein mehrwöchiges Praktikum über die Innung (gefördert vom Bildungsministerium), bei dem auch schon branchenspezielle Deutschkenntnisse vermittelt würden, sowie im Betrieb.
In zwei je zweistündigen Runden haben an diesem Montagmorgen im BIZ 120 Schüler/innen mit Migrationshintergrund ein „Speed-Dating“ mit Firmenvertretern aus dem Handwerk. Wenige Minuten haben sie, den Arbeitgeber zu überzeugen, dass sie der oder die Richtige für die Ausbildungsstelle ist. Die Betriebsvertreter bekommen ihrerseits durch das Gespräch einen Eindruck, wer für den Beruf geeignet sein und zum Team passen könnte.
Stellensuche mal umgekehrt: Erst kommt die Person, dann folgt das (Bewerbungs)-Papier. Auch die Handwerksbetriebe sind interessiert an dem Experiment, mangelt es ihnen doch zunehmend an Fachkräften – und so schnell und niedrigschwellig kommen sie kaum an potenziellen Nachwuchs. Axel Feyh sagt, von 15 „Speed-Dating“-Partnern aus dem ersten Durchlauf seien immerhin zwei bis drei dabei gewesen, die eine Perspektive als Elektriker oder Anlagenmechaniker haben könnten. Einen Mann aus Syrien habe er schon im Betrieb, „der ist sehr motiviert, der will's unbedingt schaffen“.
„Wenn einer kommt, hat sich's schon gelohnt“
Überschaubar ist der Andrang am Tisch von Volker Röder, Geschäftsführer der Leopoldina Service GmbH. Aber immerhin, vier Interessenten für eine Ausbildung im Gebäudereinigerhandwerk hat er sich notieren können. „Wenn einer von ihnen kommt, hat sich so ein Tag schon gelohnt“, sagt er. Den Koch-Beruf hat er auch im Angebot und fünf Interessenten gefunden – aber dann scheitert's an einem einzigen Produkt: Die jungen Leute, alle aus muslimischen Ländern, wollen oder dürfen mit Schweinefleisch nichts zu tun haben, doch das wird in der Leopoldina-Service-Küche ständig verarbeitet.
Nach vier Stunden ist das erste „Speed-Dating“ der Arbeitsagentur zwischen Schülern der Schweinfurter Berufsinformationsklassen und sechs Handwerksbetrieben beendet. Ein Versuch, der sich gelohnt habe, meinen die Chefs, insbesondere angesichts zunehmenden Nachwuchsmangels. Ob er zu Ausbildungsverhältnissen führt, muss sich noch zeigen. Dass dies so kommen möge, wünschte sich Agenturleiter Thomas Stelzer eingangs bei der Begrüßung der Teilnehmer.
Ein erstes „Speed-Dating“ hatte die Handwerkskammer schon mal 2016 durchgeführt – für potenzielle Maurer, Elektriker, Friseurinnen, Schreiner und Metallbauer. Dieses am Montagmorgen wurde von der Arbeitsagentur und HWK-Vertretern für Schüler von Berufsintegrationsklassen der Berufsschulen 1 bis 3 und der Adolph-Kolping-Schule organisiert. Was im Vergleich zum ersten „Dating“ aufgefallen ist: Die Sprachkenntnisse der jungen Migranten hatten sich in der Zwischenzeit deutlich verbessert.