Im Western würde ein rhetorisches Raubein wie Albert Deß vermutlich Farmer gegen Rinderbarone verteidigen. Im wirklichen Leben setzt sich der CSU-Mann im Europaparlament für die bestehende Landwirtschaft ein, gegen immer mehr Bürokratie oder – aus seiner Sicht – Enteignung der Bauern durch verschärfte Natur- und Tierschutzverordnungen. Auf Einladung der Kreis-CSU und deren Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaft sprach er in Werneck.
„Ich habe nirgendwo nachhaltigere Landwirtschaft gesehen als in Europa. Anderswo wird Raubbau betrieben“, betont Deß. Warum habe man hier das strengste Pflanzenschutzrecht, wenn man dann Importe aus Ländern mit niedrigeren Standards zulasse? Der Landwirt und Milchvermarkter wettert gegen die Vorstellung einer Klimaerwärmung. Seine eigene Wetterstation liefere andere Daten: „Die größte Volksverdummung“. Er schimpft auf die „Klima-Mafia“ und verspricht sich genüsslich bei zwei der größten Feindbilder: „Herr Künast, Frau Trittin“. Wo sei eigentlich deren Sachkunde-Nachweis, die sie von Landwirten forderten? Leute, die nie selbst ein krankes Kalb gepflegt hätten, anders als er.
Der EVP-Obmann im europäischen Agrarausschuss spricht auf Einladung der Kreis-CSU, für die „Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaft“. Es geht um die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2013. Der Saal ist voll. Der politische Aschermittwoch stimmungsmäßig nicht weit. Anja Weisgerber spricht die einleitenden Worte und betont, wie wichtig die Direktvertretung der Landwirte im EU-Parlament sei.
Die Landwirte und Bauernverbands-Funktionäre im Saal haben ihre Meinung, „grüne Umweltideologen“ kommen darin nicht gut weg. Viel Lob gibt es für die Europaabgeordnete Weisgerber und ihren Mitstreiter in der EVP-Fraktion, der sich im sogenannten Deß-Bericht mit dem Agrar-Kommissar angelegt hat: „Bremst Dacian Ciolos die produktive Agrarpolitik aus?“ nennt sich der launige Vortrag des Berngauers. Er setzt sich, anders als der Rumäne, für die Beibehaltung der Zuckermarktordnung bis 2020 ein, für bestehende Quoten und Preise. Ebenso für die Wahrung der Pflanzrechte im Weinbau.
In Deß Augen machen einheitliche Normen für ganz Europa wenig Sinn, etwa bei der Begrünung: „Was will man mit Greening in Sizilien anfangen, im Vergleich zu Island?“ Auch der Fruchtwechsel lasse sich so nicht vorschreiben. Was nicht regionalbezogen geregelt werde, bringe einen zu hohen Bürokratieaufwand: „Alles nicht zu Ende gedacht.“ Ciolos wolle sieben Prozent der Ackerflächen aus der Produktion nehmen, ein Unding, was die Versorgungssicherheit und bezahlbare Lebensmittel angehe: „Dafür wird dann in Brasilien der Regenwald gerodet.“
Eine kleinere Stilllegung pro Schlag, darüber ließe sich reden. Ein Karlstädter Agrarier verweist auf die Flurbereinigung: Warum jetzt noch mehr Begrünung? Auf der anderen Seite moniert Deß Wettbewerbsverzerrung durch uneinheitliche Ausgaben der Mitgliedsstaaten, bei Direktzahlungen an Landwirte und Förderung der ländlichen Entwicklung. Eine Sorge ist auch die mögliche Kürzung des Budgets für die gemeinsame Agrarpolitik.
Aber: „20 Prozent weniger Geld, 30 Prozent mehr Bürokratie, das wird das Parlament nicht dulden.“ Mit den anwesenden Landwirten ist er sich einig, dass man hierzulande längst eine nachhaltige Landwirtschaft habe. Anders als die Umweltschützer betreibe man aber zu wenig Lobbyarbeit, so der Agrarexperte: „Wir müssen übers Internet aktiver werden, E-Mails an die Kommission schicken.“