Fahrschule ist offenbar nicht gleich Fahrschule. Während solche, die ihren Schülerinnen und Schülern den Weg hinters Steuer oder auf den Sattel eines Motorrades ebnen, seit 22. Februar in Theorie und Praxis und unter Einhaltung eines Hygienekonzepts wieder ausbilden dürfen, sind für die Schweinfurter Bootsfahrschule von Gerhard und Kornelia Dietz nun wieder "die Schotten dicht".
Seit gut 30 Jahren gibt es die Bootsfahrschule in Schweinfurt, in der Sportbootscheine aller Klassen gemacht werden können. Sportbootfreunde, nicht nur aus der Region, nehmen unter Anleitung von Kornelia und Gerhart Dietz auf dem Main, mit Startplatz Gutermann-Promenade, erstmals das Steuer in die Hand. "Nach Teilbeendigung des Lockdowns habe ich beim Gesundheitsamt in Schweinfurt nachgefragt, unter welchen Bedingungen ich den Betrieb der Bootsfahrschule wieder aufnehmen darf", berichtet Gerhard Dietz. Er wurde an das Ordnungsamt verwiesen, wo man ihm mitteilte, dass sein Betrieb anderen Fahrschulen geleichgestellt sei, und er entsprechend der dort geltenden Regularien wieder schulen dürfe.
Gesagt getan! "Doch am 14. April kam die Wasserschutzpolizei bei der praktischen Ausbildung ans Boot und und untersagte mir den Betrieb", so Kornelia Dietz, die den Großteil der praktischen Ausbildung schult. Begründet wurde das, so Dietz weiter, mit einem Schreiben der Taskforce Corona des Bayerischen Gesundheitsministeriums für Gesundheit und Pflege.
Bootsfahrschule: "Ein außerschulisches Bildungsangebot"
In dem Schreiben des Gesundheitsministeriums, das der Redaktion vorliegt, wird das Verbot vor allem damit begründet, dass es sich bei einer Motorbootfahrschule um ein "außerschulisches Bildungsangebot" handelt, dass nur inzidenzabhängig in Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer 7-Tage-Inzidenz unter 100 in Präsenz stattfinden könne. Ein Vergleich mit den Kfz-Fahrschulen kommt nach Einschätzung der Task-Force nicht in Betracht.
"Die Lockerungen hinsichtlich der Kfz-Fahrschulen sind damit zu begründen, dass mit anhaltender Dauer der Beschränkungen einem zunehmend dringender werdenden Bedarf entsprochen wurde, zur Gewährleistung der persönlichen Mobilität und häufig auch zu beruflichen Zwecken, eine Fahrerlaubnis erhalten zu können. Ein vergleichbar dringendes Bedürfnis gibt es bei Schiffsführerscheinen nicht", heißt es in dem Papier, das damit dem Unterricht in der Bootsfahrschule ab einer Inzidenz von 100 einen Riegel vorschiebt.
Werden die Regeln unterschiedlich ausgelegt?
Prüfungen für den Erwerb des Bootsführerscheins wären möglich, aber "wen soll ich prüfen, wenn die praktische Vorbereitung auf die Prüfung untersagt ist", so Gerhard Dietz. Dass die Motivation für den Erwerb des Motorbootführerscheins sehr viel mit Freizeitgestaltung zu tun hat, räumt Dietz ein, allerdings gebe es auch Fahrschülerinnen und Fahrschüler, die den Schein für ihren Job brauchen oder selbst Bootsfahrlehrer werden wollen. Und: "Viele, die den Motorradführerschein machen, tun dies auch aus Spaß am Fahren".
Was ihn am meisten ärgert, ist der Umstand, dass dieser Erlass seiner Beobachtung nach nicht überall gleich umgesetzt werde. "Im Laufe der letzten Woche erhielt ich Anrufe von Kunden, die vom Ausbildungsvertrag zurücktreten wollen, weil in anderen Städten Bootsfahrschulen auch bei einer Inzidenz über 100 weiterhin Ausbildung durchführen", so Gerhard Dietz. Telefonische Nachfragen bei Kollegen, so Kornelia Dietz, hätten ergeben, dass dort tatsächlich Fahrstunden stattfänden. In Nürnberg so Gerhard Dietz, dürfe man aufgrund der hohen Inzidenz zwar privat zurzeit nicht Sportboot fahren, gewerblich wie in einer Fahrschule, sei es aber möglich. In Schweinfurt sei es bei ähnlicher Inzidenz genau anders herum – Privat geht, gewerblich nicht.
Finanzielle Verluste und abgesprungene Kunden
Auf welcher, wenn Grundlage dies jeweils geschieht, lässt sich im Einzelfall schlecht beurteilen. Möglichweise fährt im einen oder anderen Fall auch die Unkenntnis über die tatsächliche rechtliche Einordnung einer Bootsfahrschule mit. Die ist auch für Gesundheitsämter und Ordnungsämter nicht auf den ersten Blick zu durchschauen, denn das Dickicht "Was gilt gerade für wen?" lichtet sich mitunter nur auf Nachfrage.
"Grundsätzlich sind die örtlichen Unternehmen Ordnungsamt und Gesundheitsamt zuständig", erklärt Polizeihauptkommissar Udo Michel, stellvertretender Leiter der Wasserschutzpolizei Schweinfurt. "Wenn es dann fachlicherseits Regelungsbedarf gibt, dann wird das Fachministerium hinzugezogen". Das tut nicht etwa die Polizei, sondern die Ministerien unter sich. Dort werden dann die Verordnungen erarbeitet, die die Rechtsgrundlage für solche Spartenbereiche, wie es etwa eine Bootsfahrschule ist, bilden.
Für Gerhard und Kornelia Dietz, die vorerst auf dem Trockenen bleiben müssen und nur online schulen können, ist das Verbot eine mit finanziellen Verlusten und einigen abgesprungenen Kunden verbundene Wettbewerbsverzerrung. Besonders ärgerlich auch vor dem Hintergrund, dass man nach dem ersten Lockdown und auch heuer während der kurzen Zeit der Öffnung, von Anfragen förmlich überrannt worden sei. Der Freizeit-Boom, von dem zum Beispiel Fahrrad- oder Wohnmobilhändler profitieren, erstrecke sich auch auf den Wassersport.
Das Ansteckungsrisiko, da ist sich Gerhard Dietz völlig sicher, sei bei einer Fahrstunde auf dem Wasser auf jeden Fall deutlich geringer als zum Beispiel im Auto. "Man befindet sich an der frischen Luft, der Abstand ist größer als wenn Fahrlehrer und Schüler nebeneinander im Auto sitzen". "Nicht nachvollziehbar" ist für ihn, dass man im Auto schulen darf, auf dem geräumigen Boot dagegen nicht. Erst ab Inzidenz "unter 100" dürfen künftige Freizeit-Kapitäne in Schweinfurt auf dem Main wieder Schleifen fahren und "Schleusen üben".