Bayern ist das Land mit den größten Windflächen. 79 Prozent der Bevölkerung im Freistaat unterstützen einen weiteren Ausbau der Stromgewinnung durch Wind, nur 20 Prozent sind dagegen. Hans Josef Fell, lange Jahre Bundestagabgeordneter der Bündnisgrünen und Vater des Erneuerbaren Energie Gesetzes, bringt deshalb für die „Wende von der Wende“ von Ministerpräsident Horst Seehofer keinerlei Verständnis auf. Mit der Abstandsregelung für den Neubau großer Windräder (10 H) habe er den Windausbau „praktisch beendet“.
Wenn Seehofer gleichzeitig gegen die Nord-Süd-Trassen sei, „dann nimmt er es mit der Energiewende nicht so genau“, polemisierte Fell im Alexander-von-Humboldt-Gymnasium. Ende 2015 wird das Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld abgeschaltet. Alle Indizien der Politik Seehofers deuteten daraufhin, den Atomausstieg in Deutschland zu sabotieren, sagt Fell. Denn: „Die Windkraft ist aber das Rückgrat der Erneuerbaren Energien.“
Bis 1998 war der Hammelburger am AvH Lehrer für Physik und Sport. Dann wurde er Bundestagsabgeordneter. Am Mittwochvormittag sprach er vor rund 150 Schülern aller zehnten Klassen, am Abend kamen rund 50 Eltern, Lehrer, Schüler und Bürger zu Fells Vortrag. Schulleiter Christoph Zänglein hatte ihn eingeladen, weil gerade in einem naturwissenschaftlich geprägten Gymnasium und angesichts der aktuellen Energie-Debatten eine Frage besonders oft gestellt werde: „Wie kann die Energiewende gelingen?“
Laut Fell ist eine Vollversorgung mit Ökostrom entgegen der Prognosen der Bundesregierung schon 2030 möglich. Die Regierung will bis 2025 eine Quote von 45 Prozent, bis 2035 eine von 60 erreicht haben. Das sei gleichbedeutend mit dem gesetzlich garantierten Schutz von mindestens 40 Prozent Strom aus fossilen Kraftwerken, so Fell. Da der Atomausstieg dann längst verwirklicht sein soll und Erdgasgaskraftwerke wegen hoher Gaspreise nicht mehr wettbewerbsfähig seien, bedeute dies ein Festschreiben des Kohlestromanteils mit schweren gesundheitlichen Folgen.
Bei 100 Prozent Ökostrom gebe es „keine Belastungen“, sagte Fell und listete, Regionen und Projekte auf, die dieses Ziel beschlossen oder bereits realisiert haben. Als Paradebeispiel präsentierte er Großbardorf. Vor sieben Jahren hätten die Rhön-Grabfelder begonnen, bauten auf Solarstrom, nachdem Windkraft nicht genehmigt wurde. Heute „produziert“ Großbardorf 475 Prozent seines benötigten Stroms, bei der Wärme ist man nahe an 100 Prozent.
Das „tolle Beispiel kann eigentlich jedes Dorf“, so Fell. Derzeit gebe es in Deutschland 888 solcher Energiegenossenschaften. In der Region könnten viele hinzukommen, Schweinfurts Industrie könne ihren Strom „dann aus der ländlichen Umgebung bekommen“. Die Kampagnen der Atomkraftlobby und anderer Größen der Branche gegen die Energiewende seien verständlich, Slogans wie „Hilfe, die Energiewende wird zu teuer“ aber falsch. Deutschland produziere trotz gestiegener EEG-Umlage günstigen Strom, sei trotz acht 2011 stillgelegter Atommeiler Exportweltmeister.
Laut Fell sind Erneuerbare Energien die einzige Möglichkeit zur Lösung der zentralen Probleme – wie Klimawandel, Energiepreisanstieg oder Ressourcenverknappung. Verursacher der Klimaerwärmung seien vor allem CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Eine Verminderung der Emissionen reiche nicht aus. Notwendig sei eine völlige Abkehr von fossilen und atomaren Energieträgern. Die Klimaerwärmung müsse gestoppt werden – durch Null-emission, also 100 Prozent Erneuerbare Energien, Energieeinsparung und durch Kohlenstoffreinigung der Erdatmosphäre. Das werde möglich durch mehr Bio- statt Intensivlandwirtschaft und Biokohle. Der Input sind Pflanzenabfälle. Biokohle ist billiger Brennstoff (8 Euro/MwH; Steinkohle 22 Euro/MwH) und verbessere erodierte Böden.
Am Ende präsentierte Fell die von ihm initiierte Klagegemeinschaft Pro Windkraft. Der 2000-Meter-Abstand von Windkraftanlagen zu Wohnbebauung sei willkürlich beschlossen, mache gerichtliches Vorgehen nötig. Eine rege Diskussion schloss sich an.