Was für ein Anblick: Es ist ein malerisches Panorama, das sich dem Betrachter bietet, im Kleingarten von Thorsten Weinsdörfer – oder sich an weniger grauen Tagen bieten würde. Das Maintal liegt einem an sonnigen Tagen in ganzer Pracht zu Füßen, dahinter der südliche Landkreis. Wie Spielzeug ragen die Sennfelder Häuser aus dem Nebeldunst, in der Mitte der Kirchturm. Gerade eben hat sich ein Frachtschiff den Fluß hinab geschoben, an Schloss Mainberg vorbei. „Früher mussten wir uns schon an die Mauer stellen, um etwas vom Main zu sehen“, sagt Thorsten Weinsdörfer. „Unten am Weg war alles dicht.“
Der Gartenbesitzer ist Gründungsmitglied im noch jungen, 2014 aus der Taufe gehobenen Mainleite-Verein: Ein Zusammenschluss von Anwohnern und Ehrenamtlichen, der sich um die Wiederherstellung des einstmals weinreichen Naherholungsgebiets zwischen der Stadt und Schonunger Gemeindegebiet kümmert – wo sich vor dem Krieg hoher Industrieadel und einfaches Volk gleichermaßen verlustierte.
An diesem Vormittag mischt sich dichter Rauch in den verbliebenen Morgennebel: 26 Vereinsmitglieder, Freunde und Bekannte jeder Altersgruppe sind angetreten, um das Dickicht zwischen Winzerklause und Sachswiese zu roden, unterhalb des Jägerpfads, mit Rasen-Trimmer, Astscheren und kleinen Motorsägen. Das Gestrüpp verschwindet in prasselnden Feuern. Im Herbst haben hier, auf knapp anderthalb Hektar schrundiger Hangfläche, 30 Ziegen gegrast und das wildwuchernde Grün schon deutlich zurückgestutzt.
Die geländegängigen Landschaftspfleger hatten ihr Soll erfüllt
Nun sorgt der Mensch für mehr Durchblick, in der Nachbearbeitung, wie schon zuvor, bei einer Entbuschungsaktion im Februar. Weinsdörfer war mit seinen neuen, vierbeinigen Nachbarn zufrieden, da gab es wenig zu meckern. Die Herde sei sehr ruhig gewesen, und man habe sich irgendwie in Gesellschaft gefühlt. Vor allem gelten die geländegängigen Landschaftspfleger, aus dem Stall von Rhönschäfer Dietmar Weckbach, als äußerst effizient: Innerhalb weniger Wochen, früher als erwartet, hatten sie ihr Plansoll erfüllt, heißt es. Im Frühjahr sollen sie zurückkehren und die Knospen des jungen Grüns wegfressen.
Die Entbuschung erfolgt im Zusammenspiel mit der Stadtverwaltung und soll vor allem der Wildschweinplage in den Steilhängen Einhalt gebieten. Die Leute vom Mainleiten-Verein legen Wert auf die Feststellung, dass trotz Maschineneinsatz und der „Brandrodungsbilder“ kein Widerspruch zum Naturschutz besteht: Zwar ist das Areal seit 1956 Landschaftsschutzgebiet, aber Anrainer Weinsdörfer kann sich noch an einen alten Zeitungsartikel erinnern, nach dem es damals ausdrücklich um den Erhalt der selten gewordenen Weinberge gegangen sei. Vereinsvorsitzender ist der Winzer Jürgen Dahms.
Magerrasten, Streuobstwiesen und vielleicht der ein odere andere Weinberg
Nun sollen Magerrasen, Streuobstwiesen, vielleicht auch noch mal der eine oder andere Weinberg das Buschland ablösen, das sich hier in Jahrzehnten ausgebreitet hat, gerade um seltene Schmetterlinge und Vögel zu fördern. Fünf Jahre lang wird die Offenhaltung vor allem die Aufgabe von Ziegen und Schafen sein. „Wir werden einzelne Bereiche stehen lassen“, sagt Friedel Tellert als Vizevereinsvorsitzender, der in der Mittagspause die Versorgung übernimmt. Hauptsache, die Wildschwein-Rotten, deren Spuren hier überall sichtbar sind, finden keine Verstecke mehr. Die Eindämmung durch die Jagd ist hier, im steilen, teils sehr unwegsamen, teils aber auch bewohnten Gelände schwierig.
Thomas Horling ist als Landeshistoriker ebenfalls sehr um eine Aufwertung der vielerorts verwahrlosten Mainleite bemüht. Er zeigt die Hinterlassenschaften der Schwarzkittel in den Kleingärten, wo sie nach Engerlingen, Würmern, Fallobst, Pilzen, Pflanzen, einfach allem Freßbaren wühlen – und mit ihrem „Gebrech“, wie vandalierende Jugendliche, ganze Maschendrahtzäune aufbiegen, zum Durchschlüpfen in die Schrebergärten.
Der Verein und die Anwohner schieben hier Riegel vor, in Form fester Sperrgitter in Bodennähe. Letzten Endes zieht die Wildsauen das gleiche liebliche Mikroklima an wie einst die Winzer und Erholungssuchenden: „An der Mainleite ist es einfach wärmer und milder als oben im Wald“, meint Horling.