Die meisten Flüchtlinge wollen so schnell wie möglich hier arbeiten. Angesichts des Fachkräftemangels sind sie vor allem im Handwerk willkommen, wobei allerdings etliche bürokratische Hürden zu nehmen sind. Um einen Einblick in deutsche Arbeitsweise zu erhalten, bemühen sich viele Asylbewerber um einen der raren Praktikumsplätze. Auf dem Bio-Bauernhof von Herbert Krückel und Sabine Feddersen in Schleerieth ist der 24-jährige Afghane Ali Akbar Ayni für sechs Wochen aufgenommen worden.
3000 Hühner zu betreuen
3000 junge Bio-Hühner hat das Betriebsleiter-Paar soeben frisch eingestallt. Ihr Praktikant ist dabei, im neuen modernen Hühnerstall die Eier am Boden einzusammeln. „Die jungen Hühner müssen sich erst daran gewöhnen, in die Nester zu legen“, erklärt Sabine Feddersen das ungewöhnliche Vorgehen. Mehrmals am Tag läuft sie deshalb mit Ali Akbar durch den Stall und hebt die Eier vom Boden auf, damit das Federvieh nicht glaubt, dass sie dort hingehören – alles reine Erziehungssache.
Die Bitte um einen Praktikumsplatz wurde über die Euerbacherin Birgit Hirt an die Managerin der Öko-Modellregion, Anna-Katharina Paar, herangetragen. Diese wiederum fragte den Bio-Landwirt Herbert Krückel, der dort in der Steuerungsgruppe mitarbeitet. Ali Akbar wohnt seit acht Monaten in Euerbach, die Nachbarschaftshilfe um Birgit Hirt kümmert sich um die dort untergebrachten Flüchtlinge.
Flüchtlingen eine Chance geben
„Ich finde es wichtig, dass die Flüchtlinge eine Chance bekommen, Einblick in unsere Arbeitswelt zu erhalten“, sagt Sabine Feddersen. Der Afghane Ali Akbar, dessen Asylverfahren noch läuft, besucht einen 16-wöchigen Orientierungskurs beim bfz in Schweinfurt. Ein sechswöchiges Praktikum soll er in diesem Rahmen absolvieren.
Jeden Morgen und Abend fährt er nun mit dem Fahrrad die neun Kilometer zu seiner Praktikumsstelle, bis auf Freitag, da ist Deutsch-Unterricht in Schweinfurt. Kartoffel- und Apfelernte, Eier sortieren, Ausmisten des Hühnerstalls, Aus- und Einstallen der Hühner, aber auch Reparaturen von Maschinen erlebt er am Hof. Und auch ein deutsches Mittagessen, das er täglich mit den Betriebsleitern einnimmt. „Aber Schweinefleisch gibt es da nicht“, lacht Herbert Krückel.
Maschinen kennenlernen
„Für Maschinen interessiert er sich sehr“, weiß der Biobauer über Ali Akbar. Vielleicht weil in seiner afghanischen Heimat in der Nähe der Stadt Ghazni – rund 140 Kilometer südwestlich von Kabul an der Straße nach Kandahar – keine technischen Hilfsmittel in der Landwirtschaft vorhanden sind. Ali Akbar selbst hat dort in einer Fabrik als Schneider gearbeitet. Später war er für die amerikanische Firma Lesco tätig, weshalb er von den Taliban bedroht wurde. Fast täglich gibt es in seiner Heimatstadt Anschläge und Kämpfe der radikalen islamistischen Miliz.
Einfach ist die Verständigung mit Ali Akbar nicht, auch wenn der junge Ausländer mittlerweile einigermaßen Deutsch versteht, aber wenig sprechen kann. Mit Wiederholungen, mit Gesten und mit etwas Englisch behelfen sich die Gesprächspartner. „Man muss schon offen sein für andere Kulturen“, meint Herbert Krückel. Und Zeit für die Kommunikation mitbringen.
Sprache ist sehr wichtig
Der Bio-Landwirt unterstreicht, wie wichtig die deutsche Sprache für die Flüchtlinge ist. Und natürlich wäre ein Führerschein fürs Auto oder den Schlepper hilfreich, was Ali Akbar beides nicht hat.
Trotzdem ist das Paar, das alleine die viele Arbeit am Hof bestreitet, über die Hilfe des 24-jährigen froh. Und er selbst nickt heftig, dass es ihm gut auf dem Biobetrieb gefällt. „Er würde aber auch jede andere Arbeit machen“, wissen die beiden Schleeriether. Aufgrund ihrer positiven Erfahrungen mit ihrem Praktikanten wollen sie voraussichtlich im Frühjahr erneut einem Flüchtling einen Platz zum Schnuppern bieten.