Doch zurück zum Ursprung. Am 17. Juni 1956 trafen sich in der Gastwirtschaft Kaim in Oberschwarzach 52 Bürger, um eine Interessengemeinschaft für den Bau einer Tiefkühlanlage zu gründen. Damals war es durchaus nicht üblich, dass jeder Haushalt eine eigene Gefriertruhe hatte. Die Gemeinschaft baute die Anlage in Eigenregie, das Grundstück stellte Franz Heß zur Verfügung. Dem Vorstand gehörten Vorsitzender Paul Kaim, dessen Stellvertreter Valentin Ruppenstein, Schriftführer Clemens Russ und die fünf Kassiere Alois Zehner, Willi Fink, Adam Ruppert, Hans Reichert und Josef Berthold an.
Ein großer Fortschritt war der Vorkühlraum mit eigenem Aggregat. So konnte man nicht nur, wie üblich, im Winter schlachten, Schlachtzeit war jetzt das ganze Jahr über. Der Kostenvoranschlag belief sich für ein Kühlfach auf 460 D-Mark, der Anteil am Kühlraum kostete 30 D-Mark pro Einheit.
Mitten im Dorf gelegen war die Gefrieranlage nicht nur nützlich, sie war auch Treffpunkt der Oberschwarzacher. Dort tauschte man Geschichten aus sowie Rezepte und auch Dorftratsch. Es war immer etwas los am Gefrierhäuschen. Doch wie so oft, die Zeiten änderten sich. Die gemeinsame Anlage wurde hinfällig, eine Kühltruhe gab es mittlerweile in jedem Haushalt. Und dennoch war sie bis zum Jahr 2007 in Betrieb. „Hier lagerte man Lebensmittel, die nicht jeden Tag gebraucht wurden“, sagt Gastwirt Manfred Hoyer, der bis zuletzt noch zwei Gefrierfächer hatte.
Und dann, eines Tages, so Hoyer, gab der Motor seinen Geist auf, die Alarmanlage hat gequalmt und die Reparatur wäre zu teuer gekommen. Abgerissen wurde das Häuschen nicht. Bürgermeister Josef Radler lässt offen, was damit passieren soll.
„Das Schöne daran ist, unsere Anlage lebt weiter“
Manfred Hoyer, Gastwirt aus Oberschwarzach
In Dannenbüttel, im Norden, gibt es auch ein Kalthaus. Ein schöner alter Backsteinbau, der das Dorf ziert. Es hat sich eine Interessengemeinschaft Gefrieranlage Dannenbüttel e. V. gegründet, dessen Vorsitzende Ingelore Pasiciel heißt. „Aufgrund der guten Erhaltung wurde das gesamte Objekt Anfang März 2009 in das Verzeichnis der Kulturdenkmale aufgenommen (Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz)“, sagt Pasiciel bei einem Gespräch in Oberschwarzach.
Die Anlage mit 72 Kühlfächer ist nach wie vor in Betrieb – nur, und das ist des Pudels Kern: Wo die Ersatzteile herbringen? Die Vorsitzende recherchierte im Internet und fand einen Zeitungsartikel in der Main-Post über die Gefrieranlage in Oberschwarzach. Sie stellte fest, dass es haargenau die gleiche Anlage wie in Dannenbüttel ist. Sofort setzte sie sich per E-Mail mit Bürgermeister Radler in Verbindung und der wiederum schlug die Brücke zu Manfred Hoyer. Er schickte ihr Bilder und technische Daten und somit stand fest: Die Anlage ist quasi identisch.
„Ja, müssen wir denn da recht viel bezahlen für die Ersatzteile?“, fragte Ingelore Pasiciel vorsichtig bei Manfred Hoyer an. Diese Sorge konnte er ihr aber getrost nehmen. „Es kostet nix“, so seine Antwort.
1000 Kilometer an einem Tag, von Dannenbüttel nach Oberschwarzach und zurück, ist eine kleine Gruppe gefahren, um in Oberschwarzach die Gefrieranlage abzuwracken. Kühlfächer, Truhendeckel samt Scharniere, Bedientafel, Aggregat, Originalschlösser – alles was nicht niet- und nagelfest war, wurde eingeladen. Selbst der defekte Motor. „Der wird als Ausstellungsstück im Kalthaus stehen, unserer ist kein Original mehr“, sagt Ingelore Pasiciel.
Beide Seiten sind glücklich über diesen Deal. „Das Schöne daran ist, unsere Anlage lebt weiter“, sagt Manfred Hoyer.