Die drei Typen auf der Bühne zeigen dem Publikum die kalte Schulter. Dröhnend ihre Gitarren, das Schlagzeug. "Ihr geht uns am A…. vorbei", ist wohl gemeint. Die Grundhaltung einer Generation, die von den legendären 60ern nicht mehr erreicht wurde und auf dem flachen Land (und möglicherweise nicht nur dort) vor sich hin langweilt.
Zwischen der ätzenden Disco, dem mäßig erfolgreich frisierten Moped (Zündapp!), der "Palette Hansa" (es geht dabei um ein eher niedrigpreisiges Bier) und reichlich anderem Stoff ("Kröver Nacktarsch"), den eine Frau heimlich über den Tresen schiebt, gehen die Tage für die gerade der Pubertät Entwachsenen dahin.
"Schweinfurt", brüllt der Schlagzeuger in den sich nur zögerlich, nicht wirklich füllenden Theaterraum im Evangelischen Gemeindehaus. Lautstark verzerrt, ein Hinweis darauf, dass das Stück, das Dominik Günther für das Landestheater Tübingen auf der Basis des 2004 entstandenen Romans von Rocko Schamoni bearbeitet hat, kaum an seine Heimat Schleswig-Holstein gebunden ist.

"Dorfpunks" ist nicht, wie angekündigt, ein Schauspiel. Zwischen den drei mitreißenden Schauspielern (Gilbert Mieroph, Justin Hibbeler, Rosalba Simon), die sich die Rolle des Erzählers teilen, findet nämlich kaum eine Interaktion statt. Gezeigt wird Erzähltheater. Das aber gut, szenisch, mit viel Tempo und musikalischem Drive immer wieder auf den Punkt gebracht. Das Publikum geht begeistert mit.
Fliegender Stahlhelm und halbstarkes Getue auf dem Land
Es beginnt auf dem öden Land, in die "totale Leere", wo sich der zugezogene Großstädter erst einmal seinen Platz erobern muss. Mit militärischem Gehabe, einem fliegenden Stahlhelm, halt halbstarkem Getue, Diebstählen formiert sich eine eigene Szene: saufen bis ins Koma, Mädchengeschichten… Im Zentrum stehen eine handbetriebene Drehbühne, eine Müllhalde der Punkgeschichte: Teile eines Mofas, ein Koffer mit der Aufschrift "Scheiße", Bierpaletten, Instrumente, Schallplatten, Kofferradio… Klar, dass der Programmzettel rotzig-schlampig zusammenkopiert ist.
Es geht nach London, das Zentrum des Andersseins, und später via erhobenem Daumen (trampen nannte man das einmal) nach Berlin, wo sich die Dörfler schnorrend durchschlagen. Dabei laufen sie Campino und den "Toten Hosen" in die Arme. Dürfen als Vorgruppe spielen. Scheitern als "Die Amigos" in ihren irren Kostümen kläglich.
Und so kehren sie zurück in die Heimat, wo sie die Asche von Hitler, Jesus und anderen verkaufen. Sie sind nun doch angekommen, im Leben der Punks, noch ohne Irokesenschnitt und Ratte auf der Schulter. Für den Protagonisten bleibt die Töpferlehre. Dennoch: Punk möchte er für immer sein.
Noch ein Hinweis. Aktuell gibt es ein neues Buch von Rocko Schamoni: "Pudels Kern". Es geht um sein Liebesleben. Auch für das Theater? Warum nicht?