Ein Gewehr hat Raimund R. Abele nicht dabei. Dafür ein zweites Fernglas für den Reporter, mit dessen Hilfe dieser wenig später auch ein paar Rehe zu sehen bekommt. Das mag dafür stehen, was Jagd für den neuen Vorsitzenden des Jagdschutzvereins Schweinfurt bedeutet. „Jagd ist in erster Linie Naturschutz“, sagt der 62-Jährige. Was freilich nicht bedeute, dass er immer wieder einmal ein Reh, ein Wildschwein oder einen Fuchs aus der Natur „entnehmen“ muss.
Wir sind am späten Nachmittag in Madenhausen unterwegs, im Revier von Wolf Pösl, der den Jagdschutzverein über Jahrzehnte geprägt hat und den Abele als Vorbild bezeichnet, nicht allein im Verein, sondern auch als Jäger.
Das 466 Hektar große Revier bei Madenhausen gilt als vorbildlich
Das 466 Hektar große Revier gilt als mustergültig. Es wird von der stark befahrenen Staatsstraße 2280 auf einer Länge von 2,5 Kilometern durchschnitten, was zu besonders vielen Wildunfällen geführt hat. Seit der Anlage von Wildäckern, Feucht- und Rückzugsgebieten wechseln die Tiere weniger die Straßenseite, hinüber zu den Feldern, wo der Raps steht. Zwei bis vier Tiere sind es im Jahr, die hier dem Verkehr zum Opfer fallen. 16 Prozent„Fallwild“ weist die Statistik für den Landkreis aus.
In den 60er-Jahren gingen im Zuge der Flurbereinigung Rückzugsflächen vor allem für das Niederwild verloren. Darum begann Pösl in den 80er-Jahren Flächen anzukaufen und „wildtiergerecht“ anzusäen beziehungsweise anzupflanzen.
Besonders idyllisch gelegen ist ein Teich aus dem Besitz der Stadt Schweinfurt, der renaturiert wurde und jetzt die Heimat vieler Wasservögel ist. Gerade einmal einen Steinwurf von der Straße entfernt geht es mit dem schweren Geländewagen einen steilen Weg bergab. Die letzten Meter gehen wir zu Fuß, während über uns die Zweige der Büsche zusammenschlagen. Durch Zufall findet man diesen Teich nicht, umso ungestörter leben die Tiere hier.
Kläranlage nicht mehr zu sehen
Ähnlich verfuhr Pösl auch mit der ehemaligen Madenhäuser Kläranlage. Der Beton wurde beseitigt, ein Zufluss geschaffen, der ursprüngliche Zweck des Baus ist nicht mehr zu erkennen. Hanna, Pösls Deutscher Drahthaar, ist nicht zu bremsen und nimmt ein Bad. Auf dem schmalen Weg dorthin sind oft Wanderer und Spaziergänger mit Hunden unterwegs. Er sollte eigentlich zu einem Radweg ausgebaut werden. Es hat viel Überzeugungskraft gekostet, dies zu verhindern. Die Radfahrer sind jetzt höher am Hang unterwegs.
Mit den Hunden übrigens gibt es kaum Probleme. „Wenn man die Herrchen freundlich bittet, die Tiere anzuleinen, dann tun sie es auch“, berichtet Vorstandsmitglied Sigmund Stadtler, der uns durchs Revier begleitet.
Hier, westlich der Ortschaft, wurden mehrere Wildäcker angelegt, auch Bäume gepflanzt, kleine Wälder neu geschaffen, „ohne Zäunung“, wie Pösl stolz sagt. Damit ist ein Thema angesprochen, das das Verhältnis zwischen Forst und Jägerschaft angespannt sein lässt. Die Verbissschäden. Die frischen Triebe schmecken dem Wild nun einmal. Nachdem inzwischen „Wald vor Wild“ gilt, gibt es immer wieder Streit um die Abschusszahlen. Abele verweist aber darauf, dass im Landkreis die Drei-Jahres-Pläne weitgehend eingehalten würden, was die Situation entspanne.
Ein gutes Verhältnis zu den Landwirten ist Wolf Pösl wichtig
Auch die Zusammenarbeit mit den Landwirten sei in der Regel gut. Bei 70 000 Hektar Jagdfläche im Landkreis seien 16 000 Euro Wildschäden eher gering. Fast immer könne man sich mit den Landwirten über die Entschädigung einigen. „Einen Streit habe es hier noch nicht gegeben“, sagt Pösl, der jeden Tag in seinem Revier unterwegs ist, nach dem Rechten schaut.
Die Zusammenarbeit gehe sogar so weit, dass er gefragt wurde, wo ihm die Stilllegungsfläche (fünf Prozent ihrer Fläche müssen Landwirte im Zuge des „Greenings“ brach liegen lassen) am liebsten wäre.
Spät den Jagdschein erworben
Abele, der studierte Betriebswirt, der 24 Jahre bei FAG beziehungsweise Schaeffler tätig war, hat erst 2010 den Jagdschein erworben und erste Erfahrungen als Jäger in seiner Heimat, der Schwäbischen Alb, und im Revier Pösls erworben. Mit Anton Stühler hat er seit vergangenem Jahr ein eigenes Revier in Reichmannshausen.
Fragt man Abele nach seiner besonderen Beziehung zur Jagd, dann spricht er von persönlicher Genugtuung, die es für ihn bedeutet, etwas für den Erhalt von Natur und Umwelt zu tun. Er sagt aber auch, „mir macht die Jagd einfach viel Freude“.
Für sein neues Amt bringt er die Erfahrung als Führungskraft in der Wirtschaft mit. Zwei bis zweieinhalb Tage die Woche investiert er ins Ehrenamt. Der Jagdschutzverein bietet für seine 550 Mitglieder drei bis vier Veranstaltungen im Monat an. Die Versammlungen der acht Hegeringe wollen besucht sein, es gibt die Hegeschau, das jagdliche Schießen, der Kontakt zu Ämtern und Verbänden ist wichtig. Und da sind auch die kleinen persönlichen Eitelkeiten, die immer wieder einmal zu schlichten sind. Wenn ein Bock zwischen Revieren wechselt, zum Beispiel.
Die Jagd ist keine Prestigesache mehr
Was Abele umtreibt, ist das hohe Durchschnittsalter im Verein. Zufrieden sieht er zwar, dass Nachwuchs nachkommt, „wobei die Jagd keine Prestigesache mehr ist“. Aber immer weniger der Jungjäger seien bereit, neun Jahre Verantwortung für ein Revier zu übernehmen.
So lange laufen die Pachtverträge. Zwischen drei und acht Euro beträgt der Pachtpreis pro Hektar, wobei der Waldanteil für die Höhe ausschlaggebend ist. Hinzu kommen Kosten für den Unterhalt.
Demgegenüber steht das Jagdergebnis. Bei Pösl sind es 15 Rehe im Jahr, hinzu kamen seit der Grenzöffnung 15 Wildschweine, heute sind es noch vier bis acht, die geschossen werden, zudem zehn bis 15 Stockenten. Hasen werden nicht mehr bejagt, auch Rebhühner nicht, wobei sich der Bestand dank der Pflanzungen im Revier auf vier Ketten erholt hat.
Inzwischen wird es langsam dunkel. Eigentlich will uns Pösl jetzt einen Rehbock zeigen, der meist gegen halb acht nordwestlich von Madenhausen zum Äsen kommt. Heute tut er ihm diesen Gefallen nicht.