Am 65. Jahrestag des offiziellen Endes des Zweiten Weltkriegs, dem 8. Mai, wäre der Kolitzheimer Franz Herbert 125 Jahre alt geworden. Die Gemeinde Kolitzheim und der Bayerische Bauernverband nehmen dies zum Anlass, mit einer Gedenkfeier am Sonntag an die herausragende Persönlichkeit zu erinnern.
Der ehemalige Kolitzheimer Bürgermeister und Reichstagsabgeordnete kam Anfang Februar 1945 während der Verlegung vom Konzentrationslager Auschwitz ins KZ Mauthausen unter ungeklärten Umständen ums Leben. Er starb für seine christliche Überzeugung.
Der Kolitzheimer Ökonomierat gilt schon seit Jahren als Freund der Bayerischen Volkspartei (BVP) und erklärter Gegner der Nazis. Gleich nach der Machtübernahme 1933 beginnt seine politische Verfolgung. Die neuen Machthaber entziehen dem 1885 geborenen Landwirt, der 1919 erstmals zum Bürgermeister gewählt worden war, alle seine öffentlichen Aufgaben und Ämter.
Herbert muss sein 1920 angetretenes Mandat als Abgeordneter der BVP im Deutschen Reichstag ebenso niederlegen wie das Amt des Präsidenten des Unterfränkischen Christlichen Bauernvereins, das er seit 1924 bekleidet. Die Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg schreibt dazu 1933: „Im Einvernehmen mit dem Gauleiter von Unterfranken der NSDAP wird die Bestätigung der Wahl des Ökonomierats Franz Herbert zum ehrenamtlichen 1. Bürgermeister der Gemeinde Kolitzheim versagt, weil der Gewählte nach den Erhebungen politisch nicht tragbar ist und deshalb nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit rückhaltlos für den jetzigen nationalen Staat eintreten wird.“
Am 25. Juni 1933 wird Herbert in Würzburg „auf Weisung der Bayerischen politischen Polizei in seiner Eigenschaft als Funktionär der Bayerischen Volkspartei“ kurzzeitig in so genannte Schutzhaft genommen. Ein Rechtsmittel steht dem Verhafteten gegen diese Entscheidung nicht zu, heißt es. Danach lebt Herbert als Landwirt zurückgezogen in Kolitzheim, steht aber weiter unter ständiger Beobachtung durch die Gestapo.
Sein Widerstand gegen das NS- Regime zeigt sich am deutlichsten darin, dass er den Deutschen Gruß, besser bekannt als Hitler-Gruß, verweigert. Wegen Nichterwiderung wird Herbert zu einer Strafe von 20 Reichsmark verurteilt. In der polizeilichen Strafverfügung des Landratsamtes Gerolzhofen vom 20. Februar 1941 gegen Herbert steht:
„Durch Ihr Geständnis ist erwiesen, dass Sie am 6. 2. 1941 in den Räumen des Landwirtschaftsamtes ostentativ mit 'Guten Morgen' grüßten und trotz des Ihnen gebotenen Deutschen Grußes auch beim Verlassen dieser Räume Ihren eigenen Gruß wiederholten. Sie haben dadurch den Bestand der öffentlichen Ordnung gestört und bei den Angestellten des Wirtschaftsamtes erheblichen Anstoß erregt und Empörung ausgelöst. Ihr Verhalten erfüllt den Tatbestand des groben Unfugs."
Im Zusammenhang mit dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 wird Herbert vermutlich aufgrund einer Denunziation am 24. August des gleichen Jahres im Zuge der von Himmler angeordneten „Aktion Gewitter“ zusammen mit 5000 Gegnern des NS-Regimes von der Geheimen Staatspolizei verhaftet. Herbert landet zunächst im Gestapo-Gefängnis in Würzburg.
Der Weg führt den herzkranken Kolitzheimer Mitte November 1944 in einem Sondertransport über Nürnberg in das Konzentrationslager Dachau und eine Woche später in das Konzentrationslager nach Auschwitz. Später wird er von dort in die Außenstelle Monowitz in Oberschlesien überstellt. Als Häftling mit der Nummer 200306 arbeitet er in einer Fabrik, die synthetisches Benzin und Gummi produziert.
„Ihr Verhalten erfüllt den Tatbestand des groben Unfugs.“
Das Landratsamt zu Herberts Verweigerung des Hitler-Grußes
Die Briefe Herberts aus dem KZ zwischen dem 16. November 1944 und dem 7. Januar 1945 an seine Frau Therese sind seine letzten Lebenszeichen und zeugen von seiner tiefen christlichen Grundhaltung.
Kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 wird Herbert mit tausend anderen Häftlingen von den SS-Wachmannschaften zwangsevakuiert: Im Zuge eines später als „Todesmarsch“ bekannt gewordenen Räumungsunternehmens müssen die Häftlinge zu Fuß die Strecke bis ins weiter westlich, vorerst außerhalb der Reichweite der Roten Armee gelegene Lager Mauthausen bei Linz zurücklegen. Herberts Spuren verlieren sich im Schnee der Wintertage. Weder sind seine letzte Ruhestätte noch sein genauer Todestag und die Umstände seines Todes bekannt. Der Suchdienst setzt den 7. Februar 1945 als wahrscheinlichen Todestag an. Vermutlich stirbt Herbert an den körperlichen Strapazen des Marsches. Eine offizielle Entschädigung für alles Unrecht, das ihnen in der NS-Zeit widerfahren ist, werden seine Witwe und seine Familie nie erhalten.
Vergessen ist der NS-Gegner indes nicht. Davon zeugen etwa die Gedenktafeln an seinem Wohn- und Geburtshaus in Kolitzheim, an der Landwirtschaftsschule Würzburg und am Platz der Republik in Berlin, wo Tafeln an die 96, vom NS-Regime ermordeten Reichstagsabgeordneten erinnern.
Die Gemeinde Kolitzheim und der Bayerische Bauernverband/Bezirksverband Unterfranken nehmen an diesem Sonntag, 13. Juni, die Tatsache, dass Herbert am 65. Jahrestag des Kriegsendes 125 Jahre alt geworden war, zum Anlass, um mit einer Gedenkfeier an den Landwirt, Politiker und Widerstandskämpfer zu erinnern. Das Programm: 9 Uhr Gottesdienst in der Pfarrkirche, anschließend Zug zum Geburts- und Wohnhaus von Franz Herbert, dort um 10 Uhr Gedenkfeier.