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Werneck: Gedenken an Opfer der Euthanasie: Warum Worte nicht reichen

Werneck

Gedenken an Opfer der Euthanasie: Warum Worte nicht reichen

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    Gedenken und Mahnung: Dr. Thomas Schmelter erinnerte im Wernecker Schlosspark an die Opfer der Patientenmorde im "Dritten Reich" - und warnte vor dem Wiedererstarken menschenverachtender Ideologien.
    Gedenken und Mahnung: Dr. Thomas Schmelter erinnerte im Wernecker Schlosspark an die Opfer der Patientenmorde im "Dritten Reich" - und warnte vor dem Wiedererstarken menschenverachtender Ideologien. Foto: Uwe Eichler

    Kalter Herbstregen fällt herab am Mahnmal für die Opfer von Euthanasie, Zwangssterilisierung und Verschleppung im Wernecker Schlosspark. Dass die Gedenkstunde am "Tag der Einheit", dem deutschen Nationalfeiertag, stattfindet, ist Zufall, aber nicht ohne Symbolik: Wie umgehen mit manch verbliebenem Tabu der eigenen Geschichte? Was (und wer) gehört dazu, zur nationalen Identität und Erinnerungskultur? Zwischen dem 3. und 6. Oktober 1940 ließen die Nazis die psychiatrische Klinik Werneck räumen. Von 760 Patienten wurden etwa 370 in "Tötungsanstalten" vergast. Insgesamt 70 000 Opfer forderte die reichsweite "Aktion T4", mit der die NS-Diktatur in einer ersten Welle körperlich und geistig behinderte Menschen als lebensunwert beseitigt hat.

    Bis Kriegsende gab es 200 000 Patientenmorde. Der sogenannte "Gnadentod" war zugleich Enthemmung vor dem Massenmord an Juden, Sinti und Roma und anderen vermeintlich minderwertigen Völkern im besetzten Europa. Die Gedanken gelten ihnen an dieser Gedenkstunde im Oktober 2019 in Werneck. Klaus Hofmann begrüßt an die 40 Besucher am 1996 eingeweihten Gedenkstein im Namen von "PAX an", einer Bürger-Initiative für Menschenrechte. Mit dabei sind der Grünen-Landtagsabgeordnete Paul Knoblach, Bürgermeisterin Edeltraud Baumgartl und der ehemalige Vizelandrat Paul Heuler.

    Thomas Schmelter hat die Geschichte erforscht – und warnt vor rechten Kräften

    Die Parole "Nie wieder" wirkt für viele Besucher schal, angesichts des neuerlichen Erstarkens von Rechtspopulismus und -Extremismus. "Nur zu sagen `Nie wieder´ reicht nicht", stellt Dr. Thomas Schmelter fest. Der ehemalige Arzt der psychiatrischen Klinik Werneck hat die Verbrechen von damals miterforscht. Er schlägt den Bogen ins Hier und Jetzt: Den rechten Flügel der AfD könne man nicht anders als Nationalsozialisten bezeichnen, sagt Schmelter. Seien Verfassungsschutz und andere Behörden auf dem rechten Auge blind? Dass sich ein Land wie Deutschland seiner Vergangenheit stelle, wäre kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke: "Erinnern braucht Mut." Schmelter erinnert sich an die Anfrage einer jungen Frau , die etwas über das Schicksal ihres in der Tötungsanstalt Pirna ermordeten Ururgroßvaters wissen wollte. Dessen Sohn, Soldat im Zweiten Weltkrieg, habe den Mord am Vater zur Entlastung verwendet in der "Entnazifizierung", aber gegenüber der Familie verschwiegen.

    Im Wernecker Schlosspark wurde an die Opfer der Patientenmorde im "Dritten Reich" erinnert - und vor dem Wiedererstarken menschenverachtender Ideologien gewarnt.
    Im Wernecker Schlosspark wurde an die Opfer der Patientenmorde im "Dritten Reich" erinnert - und vor dem Wiedererstarken menschenverachtender Ideologien gewarnt. Foto: Uwe Eichler

    Scham: Für den Sozialwissenschaftler Dr. Stephan Marks sei dieses Gefühl ein Grund für den Erfolg Hitlers gewesen. Der verlorene Erste Weltkrieg habe in Deutschland "Beschämung" ausgelöst, einen Minderwertigkeitskomplex. Durch die vermeintliche Zugehörigkeit zur "Herrenrasse" hätten sich die Deutschen als etwas Besseres fühlen dürfen. Nur musste es nach dieser Logik auch Menschen zweiter Klasse geben. Nicht alle AfD-Anhänger seien heute rechtsextrem oder Nazis, es gebe Wechselwähler, sagt Schmelter. Aber: "Ein Teil des Vergangenen ist wieder da". Auch außerhalb Deutschlands ist der Rechtsruck spürbar. Schmelter verweist auf den Bestseller von Didier Eribon, "Rückkehr nach Reims", in dem der französische Soziologe sich mit Homophobie und Rassismus in seiner Heimat, insbesondere der "schamvollen" Hinwendung früherer Linker zum Front National auseinandersetzt.

    Jörg Wiedersich begleitet musikalisch, unter anderem mit dem Flötenstück "Die Grastänzer" aus dem modernen Märchen "Das Land hinter den Wolken", über Heilkräfte gegen eine kollektive Zerstörung der Welt. Im Anschluss legen die Besucher weiße Rosen am Mahnmal nieder, das vom Vasbühler Bildhauer Julian Walter geschaffen worden ist. Dann fällt wieder kühler Regen aus den Wolken herab.  

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