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SCHWEINFURT: Gericht vergisst, Nebenkläger zu laden

SCHWEINFURT

Gericht vergisst, Nebenkläger zu laden

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    Das Leben der Schweinfurter Familie Yilmaz hat sich seit dem 12. Juni 2008 schlagartig verändert. An diesem Tag war Tochter Feyza (19) gegen 14 Uhr mit dem Rad in der Werkstraße unterwegs. Zur gleichen Zeit befuhr ein Sattelzug die Straße in Oberndorf. Beim Abbiegen auf das ZF-Sachs-Gelände übersah der Lenker (53) die junge Studentin auf dem Radweg. Sie starb noch an der Unfallstelle.

    Die Anteilnahme von ganz Schweinfurt am Tod Feyzas war groß. Unter anderem gedachten damals beim Public Viewing auf dem Marktplatz vor dem Anpfiff eines Türkei-Spiels über 800 Menschen mit einer Schweigeminute der jungen Türkin. Vater Dogan (53) und Mutter Sennur (50) kommen über den Tod ihres jüngsten Kindes – es gibt noch zwei ältere Söhne – aber nicht hinweg. Unversöhnlich macht die Familie nun ein Fehler der Justiz.

    Vom Prozess gegen den Unglücksfahrer wegen fahrlässiger Tötung haben die Eltern nämlich erst erfahren, als schon alles vorüber war. Der Grund: Richter Michael Wahler hatte vergessen, die als Nebenkläger auftretende Familie zum Termin am 14. Juli 2009 einzuladen.

    Ihr Anwalt Joachim Haas erfuhr das erst kürzlich, stellte sofort alle denkbaren Rechtsmittel. Es wurde ihm aber unter Hinweis auf die Strafprozessordnung mitgeteilt, dass eine Wiederholung oder gar Neuansetzung des Prozesses chancenlos ist. „Strafrechtlich ist da nichts mehr zu machen“, sagte Haas dieser Zeitung.

    „Unsere Tochter ist tot, sie kommt nicht wieder zurück, aber wir wollten dabei sein, beim Prozess, das hätte ein wenig entlastet“, sagt Mutter Sennur. Der Vater spricht von einer für die Familie wichtigen Trauerbewältigung. Man habe die Reaktion des Mannes, der Schuld am Tod der Tochter sei, „erleben wollen“. Auch der Ex-Ausländerbeiratsvorsitzende Ucar Cetin, der die Familie als Freund betreut, nennt ein Mitwirken am Prozess „einen wichtigen Teil Trauerarbeit“. So aber habe es den Anschein, dass man die Sache ohne großes Aufsehen „erledigen wollte“. Hinzu komme das Urteil, das viele Türken in Schweinfurt nicht verstehen könnten. Man frage sich, warum das Gericht noch unter dem Antrag der Verteidigung geblieben sei.

    Rückschaupflicht verletzt

    Laut Gutachten habe der Fahrer die junge Frau wegen des toten Winkels zwar übersehen können, er habe aber die „zweite Rückschaupflicht“ verletzt. Deshalb wurde er wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen. Der Ankläger hatte 110, die Verteidigung 80 Tagessätze zu je 35 Euro gefordert. Das Schöffengericht beließ es aber bei 60 Tagessätzen zu 30 Euro. Cetin nennt vergessene Einladung und Strafmaß eine „Schande für die Justiz in Schweinfurt“. Man will türkische Medien informieren und es mit einem anderen Anwalt noch einmal versuchen.

    Wahler ist wegen einer Schulung derzeit nicht erreichbar. Amtsgerichtsdirektor Günther Siebenbürger, der großes Verständnis für die Familie zeigte, wies die Vorwürfe aber zurück. Dass die Familie zum Prozess nicht geladen war, nennt auch Siebenbürger ein Versehen, das zu bedauern sei, aber passieren könne. Wahler habe im Übrigen einen Brief an die Familie geschrieben, was nicht selbstverständlich sei. „Mehr kann man nicht machen.“

    In diesem Schreiben bedauert Wahler sein Versehen, die Nebenklage nicht über den Prozesstermin informiert zu haben. Im Brief drückt er auch ausdrücklich sein Beileid aus.

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