Der Himmel ist dem Gernacher Glockenweg offensichtlich gewogen. Er meinte es gut mit den Gästen, die an der Segnung des Gernacher Glockenwegs und dem Festakt teilnahmen, und schickte Sonnenstrahlen.
Die Segnung des Glockenwegs begann an der Friedhofstraße an der Glocke "O Maria flehe". Mit einem feierlichen Choral eröffnete die Musikkapelle Gernach unter Leitung von Alfred Glos die Segensfeier. Pfarrer Amrehn leitete über zum Lied "Hört ihr alle Glocken läuten", das die Kinder von Komm-In mit ihren Betreuerinnen Elke Dressel, Nicole Schneider, Aileen Berchtold und Franziska Heck vortrugen.
Die Marienglocke läutete nach alter Tradition dreimal am Tag, um an die Botschaft des Engels Gabriel zu erinnern. Gott will Mensch werden. Nicht am Menschen vorbei, sondern im Dialog mit ihm. Das Klingen der Glocken hält die Grundstimmung der Freude für Glaubende fest, die Freude, die auch in schweren Zeiten nicht verloren gehen soll. Der Priester besprengte die Glocke mit Weihwasser und segnete sie mit Weihrauch.
Die zentrale Botschaft Jesu
Der Zug bewegte sich dann weiter zur Glocke "Herz Jesu rette" am Bühl. Dort trugen die Kinder ein Lied vor, das auf den ersten Blick gar nicht zu dem Geschehen der Segnung passte: Man begann mit "Kling-Glöckchen klingelingeling", dann ging es im Text weiter mit "draußen vor dem Fenster, sitzen die Gespenster, drinnen sind die Geister, schmiern´ sich voll mit Kleister" - offensichtlich ein Bezug auf Halloween.
Der Seelsorger nahm diesen Bezug auf. Die Bedeutung der christlichen Feste wie Allerheiligen sei vielen Menschen nicht mehr bekannt. Dabei werde übersehen, dass die zentrale Botschaft Jesu darin besteht, den Menschen, seine Individualität, seine Geschichte und seine Bedürfnisse wahrzunehmen. Vielfach werden Werte wie Solidarität und Verantwortung der Besitzenden ausgeblendet im Streben nach Macht und Gewinnmaximierung
Dies sei auch schon im 19. Jahrhundert so gewesen: Die Folgen der Industrialisierung führten zur Verarmung ganzer Volksgruppen. Immer mehr Menschen lebten in prekären Lebensverhältnissen, es bildete sich das Proletariat. Die Herz Jesu- Verehrung sei in der Frömmigkeitsgeschichte eine Geschichte des einfachen Volkes. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sie weite Verbreitung, was wohl dazu führte, eine Glocke dem Herzen Jesu zu weihen. Wendet man sich dem Menschen zu, widerfährt ihm Heil - dies ist die Botschaft Jesu, und auch die Botschaft der Herz-Jesu-Glocke.
Menschliche Schwächen
Mit dem Lied "Bruder Jakob, Bruder Jakob, schläfst Du noch - hörst Du nicht die Glocken", vorgetragen von den Komm-In-Kindern, begann die Segnung der Aegidius-Glocke am Aufgang zur Aegidius-Kirche. Die Übersetzung des bekannten Kinderliedes sei jedoch sinnentstellend, wie der Priester feststellte. Der Originaltext erzählt von einem Mönch, der zum Nachtgebet der Mönche hätte läuten müssen, aber verschlafen hat und nun von einem Mitbruder geweckt wurde.
Der Originaltext zeige, dass auch in der klösterlichen Gemeinschaft menschliche Schwächen zu Tage treten, wodurch die klösterliche Ordnung durcheinander kommt. So gebe es auch in der Gemeinschaft der Kirche menschliche Schwächen. Die Aegidius-Glocke vor der Tür der Gernacher Kirche erinnert bei jedem Gottesdienst daran, dass die Gemeinschaft der Kirche - wie alle Gemeinschaften - vom Einsatz der Einzelnen lebt. Aber auch in der Kirche komme es zu menschlichem Versagen, Versäumnissen und Schuld, dass Chancen zur Versöhnung vertan werden. Die Aegidius-Glocke möge daran erinnern, wachsam zu sein, damit Versöhnung gelingt, Gemeinschaft lebendig bleibt.
Nach der Segnung der Glocke mit Weihwasser und Weihrauch stimmte der Priester zum Abschluss das feierliche Te-Deum an. Mit dem festlichen Läuten der Glocken endete die Segnungsfeier.




