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Geschichten zum Blühen bringen

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    Geschichten zum Blühen bringen

    Das Schauspiel „Der blaue Engel“ nach dem Roman „Professor Unrat“ von Heinrich Mann hat am Samstag, 21. Januar, im Theater Schweinfurt Tourneepremiere. Wir sprachen während der Endproben dieser Landgraf-Produktion mit dem Berliner Regisseur Frank Matthus. Schon vor seinem Berufsstart als Schauspieler am Berliner Ensemble brannte der heute 48-jährige Künstler für das Theater, seine Inszenierungen packen und berühren das Publikum.

    FRAGE: Nach dem Abitur begannen Sie Ihre künstlerische Laufbahn mit zwei Topadressen: Schauspielstudium an der Hochschule Ernst Busch, das erste Engagement mit 24 Jahren am Berliner Ensemble.

    Frank Matthus: Das war eine glückliche Zeit. Ich habe den Schweizer Kas in „Mutter Courage“ spielen dürfen, den Moritatensänger in der „Dreigroschenoper“, mit der wir auch in Israel und Südamerika gastierten. Das BE war eine große Chance: Ich konnte berühmte Kollegen wie Jaecki Schwarz, Martin Seifert oder Carmen-Maja Antoni genau bei ihrer Arbeit beobachten, und ich konnte in der Meisterklasse des BE Regie studieren.

    Anscheinend war die Arbeit des Regisseurs für Sie schon sehr früh ein erstrebenswertes Ziel?

    Matthus: Der Wunsch, in die Regie zu gehen, stand bei mir schon vor dem Entschluss, Schauspieler zu werden. Regisseur kann man ja über ein theoretisches Studium von Theaterwissenschaft, Philosophie oder Germanistik werden, oder über den praktischen Weg als Schauspieler. Ich wählte die zweite Variante. Darüber bin ich heute auch froh: Ich weiß sehr viel über die handwerkliche Seite des Berufes, ich kann mich gut in einen Schauspieler einfühlen und ich kann beurteilen, was kann der eine, was kann der andere.

    Sicher geht es auch um mehr Selbstständigkeit, mehr Kreativität?

    Matthus: Natürlich. Die Idee ist schon, als Regisseur eigene Abende mit eigenen Aussagen und größerer Verantwortung in der Hand zu haben. Mein eigenes Kunstwerk, wenn man so will. Das war schon immer mein Vorhaben. Eine Chance ergab sich 1990 nach der Wende, als ich am Brandenburger Theater mit 26 Jahren meine erste Schauspielregie machte. Später folgte auch Opernregie, 1995 inszenierte ich „Lucia di Lammermoor“ und „Rigoletto“ für die Canadien Opera Company in Toronto. Parallel arbeite ich als Schauspieler für Theater, Film und Fernsehen.

    Seit 2001 prägen gerade Sie mit Ihren anspruchsvollen Schauspiel-Inszenierungen das Renommee des Euro-Studios Landgraf (Hexenjagd, Zauberberg, Schachnovelle, Buddenbrooks). Gelten für den Regisseur einer Tournee-Produktion besondere Regeln?

    Matthus: Die Arbeitsabläufe sind anders. Der Vorteil ist, dass man immer sehr intensiv probt, man kann seine Truppe zusammenschweißen. Außerdem arbeiten für Landgraf ja sehr gute Schauspieler. All das sieht man später auch auf der Bühne. Das macht Freude. Wenn die Tournee dann läuft, ist es ja auch verrückt: Jeden Abend müssen die Schauspieler in einer anderen Stadt ihr Publikum neu erobern. Das sind – trotz aller Beschwernisse des Tourneebetriebs – besondere Erlebnisse, ja Abenteuer, die ein fest engagierter Schauspieler nicht hat.

    Kommen wir zum „Blauen Engel“, zu Professor Emmanuel Rat und seiner schönen Lola. Was hat die Geschichte uns heute noch zu sagen?

    Matthus: Ich glaube, dass das ein ganz archaisches Thema ist: Alter Mann – junge Frau ist eine klassische Konstellation. Dieser Gedanke stellt sich ja wohl jedem Mann einmal, frei nach dem Spruch: „Man wird ja selber nicht älter, aber die Zwanzigjährigen werden immer jünger“. Professor Rat ist ein Mensch in einem Korsett, den Lola eigentlich erst zum Leben erweckt. Er legt seinen Schutzpanzer ab, wird verletzbar. Und da er derjenige ist, der liebt – nicht sie – geht er am Ende kaputt.

    Das tragische Schicksal dieses einsamen Mannes steht natürlich im Fokus. Heinrich Mann schrieb diesen Roman 1904. Betonen Sie Parallelen zu heute wie Kapitalismus- und Finanzkrise, soziale Ungerechtigkeit?

    Matthus: Ein Stück ist ein Stück. Ein Roman, ein Film hat ein Thema, das man natürlich mit Assoziationen besetzen kann. Wenn man ein Stück zur Finanzkrise machen will, bitte. Aber man muss dazu nicht Professor Unrat bemühen. Hier so fette Parallelen rausstreichen, ist da nicht drin. Das ärgert mich auch manchmal bei meinen Kollegen, wenn sie bei Schiller oder Shakespeare aktuelle Bezüge reinschaufeln. Ich sehe den Beruf des Regisseurs eher als einen Vermittler zwischen den Schauspielern und dem Autor – das muss ich am Abend zum Blühen bringen. Ich möchte die Vorlage, hier von Heinrich Mann, in eine Fassung bringen, die die Zuschauer berührt, sie zum Lachen oder zum Weinen treibt.

    Welche Aufgabe sollte Theater heute haben?

    Matthus: Theater und Kunst sind zwei Seismographen an dem Gesundheits- oder Krankheitszustand einer Gesellschaft. Ich glaube durchaus, dass Theater auch politische Aussagen treffen sollte. Nicht im falsch verstandenen ideologischen Agitprop-Sinn, sondern einfach von der Kraft der Aussage. Theater muss auch verführen können, jungen Menschen Lust machen, es selber auszuprobieren: Auf einer Bühne zu stehen, Rollen zu spielen, sich auszudrücken. Dass die Theater aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen werden, sich immer mehr zu kommerzialisieren, ist bedauerlich: Weil sich dadurch diese wunderbare breite Theaterkultur, die wir in Deutschland haben, auf längere Sicht abschafft. Dieses Kulturerbe sollte eigentlich nicht verloren gehen.

    Frank Matthus

    Der 1964 in Berlin geborene Frank Matthus studierte an der Hochschule Ernst Busch Schauspiel, in der Meisterklasse des Berliner Ensembles Regie. Mit 26 Jahren macht er am Brandenburger Theater seine erste Schauspielregie. Inzwischen umfasst Matthus‘ Werkliste mehr als 60 Regiearbeiten. Unter dem Pseudonym Anton Perrey hat er unter anderem ein Opernlibretto für Michael Endes „Die unendliche Geschichte“geschrieben. Als Gründungsmitglied des Theatersommers Netzeband ist er auch dessen Festivalmanager.

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