Sorgfältig bearbeite ich mit 180er Schmirgelpapier den dünnen Holzschaft, um die letzten rauen Flächen zu beseitigen, ohne die Federn zu beschädigen oder mich an der scharfen Spitze zu piksen. Nach sechs Stunden Arbeit bekommt die eingesägte Nocke ihren Feinschliff. Ein letzter Kontrollblick, auch auf die Spitze des Pfeils, und endlich liegen sie vor mir auf dem Tisch: sechs Holzpfeile aus Kiefernholz, etwa 75 Zentimeter lang, mit einer mittelalterlich anmutenden Spitze und geklebten und gewickelten schwarz-gelben Federn. Nach der intensiven Arbeit beim eintägigen Pfeilbaukurs teste ich in der Scheune im Steigerwald Bogenparcours meine neu gebauten Pfeile. Das Trefferbild sieht sehr gut aus. Und beinahe wäre mir sogar der Robin-Hood-Schuss gelungen, bei dem ein Pfeil einen bereits abgeschossenen spaltet. Das allerdings hätte mich wohl zur Verzweiflung gebracht.
Denn in jedem einzelnen dieser Pfeile steckt mein ganzes Herzblut – und eine Stunde Arbeit pro Pfeil. Es wäre einfacher gewesen, sie für fünf Euro das Stück im Internet zu bestellen. Aber „einfach ist doch Mainstream“, bekam ich von meiner Tochter zu hören. Da kommt der Pfeilbaukurs vom Bogenparcours ganz recht. Leiter des Kurses ist Oliver Pfister, Jäger, Sozialpädagoge und Bogenschütze aus Leidenschaft.
Mit seiner Frau Sandra besitzt er den Steigerwald-Erlebnishof, einen Bauernhof samt Tieren und einem gut besuchten Bogenparcours. Seit einigen Jahren betreibe ich Bogenschießen, vereinslos als Hobby, und bin Besitzer eines englischen Langbogens. So wie der legendäre Robin Hood oder der Elb Legolas aus „Herr der Ringe“. Gut, meine Treffgenauigkeit reicht an keinen der beiden heran. Und es ist ja nur ein Hobby. Aber eines, das Entspannung und Spannung zugleich ist, wenn ich meinen Bogen in die Hand nehme, einen Pfeil auflege, den Bogen spanne und sämtliche Anspannung samt Pfeil mit 150 Stundenkilometern Richtung Ziel schicke, nur weg von mir.
Meistens bin ich alleine auf dem Parcours. Auch beim eintägigen Kurs sind wir eine überschaubare Gruppe. Zunächst messen wir bei jedem Holzschaft meiner Pfeile den Spine-Wert. Spine, übersetzt Rückgrat, ist eine Messeinheit für die Steifigkeit des Pfeils, und das ist wichtig für das Zusammenspiel zwischen dem Bogen und dem Pfeil.
„Eigentlich ist der Pfeil noch wichtiger als der Bogen selbst.“
Oliver Pfister Kursleiter und Bogenschütze aus Leidenschaft
„Eigentlich“, sagt Oliver, „ist der Pfeil noch wichtiger als der Bogen selbst.“ Er zeigt einen Film, der den Abschuss von Pfeilen zeigt. In Superzeitlupe sehen wir, wie sich das Geschoss in Wellenbewegungen, wie ein Fisch in Richtung Ziel bewegt. Beim Abschuss windet sich der Pfeil am Bogen vorbei, ohne ihn zu berühren.
Ein zu harter Pfeil windet sich nicht weit genug weg und geht links, ein zu weicher Pfeil geht rechts vorbei – oder er zersplittert beim Schuss. Also wird meine Bogenstärke gemessen, und die liegt bei 45 Pfund. Es finden sich sechs passende Schäfte für mich, die ich oben für die Spitze und unten für die Nocke anspitze. Der Pfeil wird an der Pfeilauflage an den Bogen angelegt, und damit der Impuls beim Schuss den Pfeil nicht beschädigt, darf ich entweder eine Nocke selbst aufkleben oder sie sägen.
Ich entscheide mich fürs Sägen, ohne zu wissen, worauf ich mich einlasse. Denn es wird nicht einfach eine Kerbe eingesägt, sondern auch ein sogenanntes Horn-Inlay aus Büffelhorn. Das sorgt dafür, dass der Pfeil beim Schuss nicht in Zahnstocher zerlegt wird. Ich muss den Nockenschaft zweimal ansägen, einmal für das Horn-Inlay, dann im 90-Grad-Winkel für die Sehne. Das dauert eine gefühlte Ewigkeit, denn ich säge mit einer kleinen Handsäge mit Rundsägeblatt. Das Aufkleben der Spitze geht schnell und Oliver und ich testen die Schäfte.
Schon beim Probeschießen, noch bevor der Pfeil seine Federn bekommt, passiert mir das erste Missgeschick: Ich halte den Bogen etwas zu hoch, und der Pfeil knallt gegen ein Hartholzbrett. Die noch nicht ganz festklebende Spitze verschiebt sich um gut zwei Zentimeter auf den Schaft. „Kein Problem, das kriegen wir wieder hin“, sagt Oliver. Ich erhitze die Spitze wieder, ziehe sie vom Schaft, den ich erneut anspitze, und klebe die Spitze wieder auf.
Zwischendurch wird immer wieder über das Bogenschießen fachgesimpelt. Carl Müller, Diakon, Erzieher und Kursteilnehmer aus Nürnberg, muss „seinen Geist komplett freimachen“, sagt er. „Dann weiß ich, dass ich treffe. Ein blöder Gedanke reicht und der Schuss geht daneben.“
Sandra Pfister ist Erzieherin, schmeißt aber jetzt den pädagogischen Bauernhof. Natürlich ist auch sie Bogenschützin und leitet beim Kurs ihre Kinder, den sechsjährigen Paul und den achtjährigen Lukas beim Pfeilbau an.
„Oft kaufen Eltern ihren Kindern einfach so einen Bogen, ohne genau darauf zu achten, womit ihre Kinder da schießen“, sagt sie. Auf dem Parcours dürfen Kinder nur unter Aufsicht von Erwachsenen schießen. Oliver hat die Beobachtung gemacht, dass Eltern oft die Kraft eines Bogens unterschätzen. Oft lasse er Kinder einfach nur weit schießen. Die Eltern seien dann erschreckt, wenn sie sehen, dass ein Pfeil schon mal 120 Meter weit fliegt.
„Ein blöder Gedanke reicht und der Schuss geht daneben.“
Kursteilnehmer Carl Müller
Jetzt kommen die Federn an den Schaft. Ich entscheide mich für die üblichen drei Federn. Eine ist die Führungsfeder, sie zeigt beim Auflegen vom Bogen weg. Um sie gleich zu erkennen, hat sie meist eine andere Farbe als die anderen. Carl klebt sechs Federn auf einige Pfeile. „Die sind für das Schießen von einem galoppierenden Pferd“, erklärt er. „Dann muss der Schütze nicht auf den Pfeil schauen, sondern kann ihn einfach auflegen und schießen.“ Mit einer speziellen dünnen Schnur wickle ich die Federn an den Schaft. Als meine Pfeile endlich fertig sind, probiere ich sie gleich aus – und bin begeistert.
Pfeilbaukurs – Kosten und Rechtliches
Bogenschießen:
Kosten für die Ausrüstung: Holzbogen ab 100 Euro, Holzpfeil 5 Euro/Stück, Köcher ab 20 Euro, Finger- und Unterarmschutz je ab 15 Euro;
Empfehlung: Probeschießen beim Bogenparcours Michelau, Leihgebühr für Bogen, Pfeile und Zubehör 10 Euro/Tag; Parcoursbenutzung (Tageskarte): 8 Euro für Erwachsene, 5 Euro für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre, Kinder bis 8 Jahre (in Begleitung eines Erwachsenen) frei, Familientageskarte 20 Euro.
Info: www.steigerwald-bogenparcours.de
Waffenrecht:
Ein Bogen besitzt eine Abschussvorrichtung (Bogen, Pfeilauflage, Sehne) und ein Geschoss (Pfeil). Sobald die Energie für den Abschuss vorbereitet und mit einer Sperrvorrichtung gespeichert werden kann, spricht man von einer Waffe. Somit ist eine Armbrust eine Waffe, ein Bogen nicht. Deshalb gilt ein Bogen als Sportgerät und darf ohne Altersnachweis erworben werden. Allerdings sollte man zum Beispiel eine Bank nicht mit Pfeil und Bogen betreten. Sobald sich ein Kunde oder Mitarbeiter bedroht fühlt, wird Alarm ausgelöst. Im Einzelfall entscheidet der Staatsanwalt über mögliche weitere
rechtliche Schritte.