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Gewaltschutz muss auch für Flüchtlingsfrauen gelten

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Gewaltschutz muss auch für Flüchtlingsfrauen gelten

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    34 Jahre:So lange leitet Gertrud Schätzlein das Frauenhaus. Das Foto entstand im Beratungszimmer. Foto: Katharina Winterhalter
    34 Jahre:So lange leitet Gertrud Schätzlein das Frauenhaus. Das Foto entstand im Beratungszimmer. Foto: Katharina Winterhalter Foto: Katharina Winterhalter

    Das Frauenhaus Schweinfurt besteht seit 35 Jahren. Eine Erfolgsgeschichte, kein Zweifel. Aber zum Feiern war den Mitarbeiterinnen nicht zumute, sagt Gertrud Schätzlein im Interview. Weil alle so tief in der Arbeit stecken, weil viele Probleme wie Platz- und Geldmangel nach wie vor ungelöst sind und weil viele Frauen, die Schutz suchen, psychisch sehr belastet sind.

    Frage: Sie führen das Schweinfurter Frauenhaus fast von Anfang an, seit 34 Jahren. Sind Sie manchmal müde über Geld zu reden und um Geld zu kämpfen?

    Gertrud Schätzlein: Ja sehr. Von Anfang an kämpfen wir um Geld und Anerkennung. Das ist das einzig Anstrengende an meinem Beruf. Die Arbeit mit den Frauen ist wunderbar. Gerade heute war wieder ein Ehemaligentreffen. Es findet immer dienstagvormittags statt, fällt nie aus. Wir wissen nie, wer kommt. Manchmal Frauen, die vor 30 Jahren im Frauenhaus waren. Die kenne ich alle noch. Viele melden sich auch nach Jahren, wenn sie ernste Probleme haben oder um zu zeigen, dass es ihnen gut geht.

    Bleiben wir beim Thema Geld. Bei unserem letzten Gespräch Ende 2014 ging es um die Finanzierung der Wirtschafterin. Die Stadt Schweinfurt und die vier Landkreise hatten sich nach Monaten noch nicht geeinigt. Wie ging das aus?

    Schätzlein: Es gibt immer noch keine Einigung. Stadt und Landkreis Schweinfurt haben zwar signalisiert etwas zu tun, aber derzeit ist noch alles offen. Sie erinnern sich vielleicht: Das reiche Bayern schnitt 2012 bei der großen Frauenhaus-Analyse, die das Bundessozialministerium in Auftrag gegeben hatte, sehr schlecht ab. Es stand an vorletzter Stelle von 16 Bundesländern, was die Zahl der Frauenhausplätze und Beratungsstellen angeht.

    Wie reagiert die Politik?

    Schätzlein: Das Sozialministerium hat eine Bedarfsanalyse in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im Herbst vorliegen sollen. Außerdem gibt es regionale Planungstreffen. Bleibt die Frage, was am Ende herauskommt. Die Richtlinien für Frauenhäuser müssen verändert werden. Es braucht eine Wirtschafterin, mehr Personal im Kinderbereich – wir hatten im vergangenen Jahr 84 Kinder im Haus. Und vor allem, die Rufbereitschaft nachts und am Wochenende muss bezahlt werden. Wenn das gesetzlich geregelt wäre, müssten sich die Kommunen an der Finanzierung beteiligen.

    Sie selbst fordern seit Langem einen gesetzlichen Rahmen, der Mindeststandards für eine gute Arbeit ermöglicht. Wer sollte den Rahmen schaffen, der Bund?

    Schätzlein: Das kann nur der Bund. Die unterschiedliche Finanzierung in den Ländern macht uns Probleme. Wir hatten eine Frau aus Berlin aufgenommen, die bedroht war und deswegen fast ein Jahr bei uns lebte. In vielen Bundesländern, auch in Bayern, bezahlt die Kommune, aus der die Frau kommt. Aber Berlin zahlte nicht. Bundesweit laufen Gerichtsverhandlungen über solche Fälle. Manchen Frauenhäusern wird von ihrer Kommune inzwischen untersagt, Frauen aus einem anderen Bundesland aufzunehmen. Uns glücklicherweise nicht. Aber wir brauchen den gesetzlichen Rahmen.

    Sie haben die vier Landkreise in Main-Rhön und eine Stadt als Geldgeber. Das macht es nicht einfacher.

    Schätzlein: Wenn nicht alle zustimmen, passiert in der Regel nichts. Das müsste jemand in die Hand nehmen, müsste sich verantwortlich fühlen wie seinerzeit Oberbürgermeister Kurt Petzold. Der hatte erreicht, dass die fünf kommunalen Träger eine Vereinbarung über die Finanzierung abschließen. So jemand fehlt. Wir werden hin und her geschoben. Die Kommunen sagen, das Land müsste mehr tun, die Richtlinien müssten geändert werden, dann würden wir mehr zahlen. Das Land sagt, Frauenhäuser sind eine kommunale Aufgabe.

    Die zwölf Plätze im Schweinfurter Haus sind, das sagen Sie seit Langem, viel zu knapp bemessen. Hat sich die Situation durch die Flüchtlingsströme verschärft?

    Schätzlein: Ein großes Thema auch für uns. Es kamen ja schon immer Asylbewerberinnen ins Frauenhaus oder in die Beratungsstelle. Das nimmt zu. Das Personal in den Unterkünften schaut inzwischen genauer hin. Wir haben gerade eine Reservierung für eine Frau aus einem Kriegsgebiet mit sechs Kindern. Das Gewaltschutzgesetz gilt natürlich auch für Flüchtlingsfrauen. Aber es ist viel schwieriger, sie zu schützen. Wenn Frauen aus sicheren Herkunftsländern, die Gewalt erfahren haben, abgeschoben werden, kann es passieren, dass sie von der Familie ihres Mannes umgebracht werden. Diese Frauen haben dort keinen Schutz. Sie sind so traumatisiert, sie haben so viel Angst, dem wieder ausgeliefert zu sein. Und uns sind die Hände gebunden, das übersteigt unsere Hilfsmöglichkeiten.

    Wäre die Lösung die Anerkennung?

    Schätzlein: Ja, häusliche Gewalt im Heimatland muss als Grund für ein befristetes Aufenthaltsrecht anerkannt werden.

    Flüchtlingsfrauen haben meistens viele Kinder. Ist das Frauenhaus darauf eingerichtet?

    Schätzlein: Sagen wir so, wir haben reagiert. Lange mussten Frauen mit mehreren Kindern bei uns in einem Zimmer leben. Aber das geht über Wochen und Monate nicht. Deswegen haben wir entschieden, Frauen mit mehreren Kindern eine Wohnung zu geben. Obwohl wir dann insgesamt weniger aufnehmen können. Übrigens haben nicht nur Flüchtlingsfrauen viele Kinder, derzeit sind drei Frauen bei uns, die mehr als zwei Kinder haben.

    Bei Ihrem schriftlichen Rückblick haben sie die Zusammenarbeit mit vielen Stellen in Schweinfurt, vor allem aber mit der Polizei erwähnt.

    Schätzlein: Die Polizei hat von Anfang an stark für ein Frauenhaus plädiert. Sie wussten damals nicht, wohin mit den bedrohten Frauen. 1998 startete in Schweinfurt das Modelprojekt „Sachbearbeiterin Häusliche Gewalt“, das nach zwei Jahren in allen Polizeiinspektionen in Bayern eingerichtet wurde. Die erste Sachbearbeiterin arbeitet noch und macht einen großartigen Job. Aber: Von sich aus geht kaum eine Frau zur Polizei. Oft und glücklicherweise rufen die Nachbarn die Beamten. Bei einer Anhörung wird den Frauen gesagt, welche Hilfsmöglichkeiten es gibt.

    Das reicht aber nicht, viele brauchen eine begleitende Beratung. Deswegen wurde 2008 die Kooperation mit dem Polizeipräsidium Unterfranken zur sogenannten pro-aktiven Beratung bei häuslicher Gewalt vereinbart. Das heißt, die Frauen werden gefragt, ob sie einverstanden sind, dass wir mit ihnen Kontakt aufnehmen, um sie zu beraten.

    Haben Sie den 35. Geburtstag des Hauses mit Ihren Mitstreiterinnen gefeiert?

    Schätzlein: Daran haben wir gar nicht gedacht. Was mir aber in diesem Zusammenhang wichtig ist: Ich mache diese Arbeit nicht alleine und deswegen möchte ich ganz deutlich meine engagierten Kolleginnen nennen, die hauptamtlichen und die kleine Gruppe Ehrenamtlicher, die im vergangenen Jahr 5772 Stunden Rufbereitschaft geleistet haben.

    Finanzierung des Frauenhauses

    Das Land Bayern fördert seit 2003 jedes Frauenhaus mit einem Festbetrag, der bislang nur einmal erhöht wurde und 2014 7,3 Prozent der Gesamtausgaben des Schweinfurter Frauenhauses deckte. Stadt und Landkreis Schweinfurt und die Landkreise Bad Kissingen, Haßberge und Rhön-Grabfeld tragen den größten Teil der Kosten, insgesamt 67 Prozent. Sie sind die unmittelbaren Ansprechpartner für den Trägerverein „Frauen helfen Frauen“.

    Die Bewohnerinnen zahlen Miete, das sind im Schnitt zehn Prozent der Kosten. 2014 musste der Verein noch 15,2 Prozent der Gesamtkosten aufbringen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Gelder stammen aus Spenden und Bußgeldeinnahmen, die aber nicht planbar sind.

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