Bei der IG Metall soll jeder sein Stück vom großen Kuchen abbekommen. Es ging familiär zu, bei der Jubilarehrung für die Region Schweinfurt , im Großen Saal des Konferenzzentrums auf der Maininsel: 421 Mitglieder wurden zwischen Kaffee und Kuchen sowie einer kleinen Brotzeit geehrt, zu den Klängen der „Gaudiprofis“, die in die Fußstapfen der Seniorenband getreten sind.
Andrea Sicker, 32 Jahre junge Gewerkschaftssekretärin der IG Metall Schweinfurt, rechnete zusammen und kam auf 16 330 Jubeljahre, die auf der langen Ehrungsliste versammelt waren: davon immerhin 21 Gewerkschaftler, die seit 70 Jahren gewerkschaftlich organisiert sind. Den Löwenanteil stellen aber die knapp 300 Mitglieder, die vor 40 Jahren eingetreten sind, sowie zahlreiche „Fünfziger“ und „Sechziger“.
Nichts ist selbstverständlich
Sicker erinnert eingangs an Gerhard Tollkühn, ehemaliger Bevollmächtiger der IGM Schweinfurt, der unlängst im Alter von 80 Jahren verstorben ist. Die Botschaft der Feierstunde war klar: Kaum ein Arbeitnehmerrecht ist selbstverständlich, vieles musste in sieben Jahrzehnten hart erarbeitet, erkämpft und verteidigt werden.
Die Gewerkschaftssekretärin schaute zurück auf die symbolträchtigen Eintrittsjahre: 1947 war die Zeit der Demontage, der Abbau von Industriefirmen durch die Siegermächte, was zum ersten Protest der Nachkriegs-Gewerkschaften führte. 1957 endete der Lohnfortzahlungsstreik, mit dem „Gesetz zur Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall“, ab 1967 begann Unruhe unter den Studenten, 1977 herrschte der Deutsche Herbst, im Schatten des RAF-Terrors.
Thomas Höhn holte als 2. Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt mehrere Ehrengäste auf die Bühne: Matthias Fuchs ist Betriebsratsvorsitzender bei Preh IMA in Bad Neustadt, und 40 Jahre Mitglied. Egon Friedel ist unter anderem ehrenamtlicher Arbeitsrichter und 50 Jahre Gewerkschaftler. Davon hat er 32 Jahre für Preh gearbeitet, ein Automobilzulieferer, der mittlerweile chinesische Gesellschafter hat. Vor 60 Jahren, als Wilhelm Watamaniuk, und vor 70 Jahren, als Hubert Ogasa (beide Fichtel & Sachs) eingetreten, war Globalisierung noch kein Thema. S
ie alle haben aber heimische Industriegeschichte erlebt. Friedel selbst blickte zurück auf den „Marsch von Schweinfurt nach Bonn“, während der Wirtschaftskrise 1992.
Frank Firsching war dann Hauptredner beim „größten Klassentreffen in Unterfranken“, wie der Geschäftsführer der DGB-Region sagte. Firsching ging nicht auf aktuelle Probleme bei der Regierungsbildung ein, zog stattdessen die größeren Linien. Seine Rede drehte sich vor allem um Gerechtigkeit durch mehr Tarifverträge - ein Beispiel ist der Bad Neustädter Automobilzulieferer Jopp, wo die IGM jüngst zu einem Warnstreik aufgerufen hat.
Eine Gewerkschaft könne nicht der „ADAC der Arbeit“ sein, so Firsching, nach dem Motto „da kommt beim Unfall halt der Abschleppwagen.“ Man sei auch Selbsthilfeorganisation der Arbeiter, eine Werte- und Solidargemeinschaft: „Der Markt kümmert sich nicht um das Glück der Menschen“. Das müsse die Arbeitnehmerseite selbst übernehmen, um enorme Lücken zwischen tariflichen und nichttariflichen Löhnen zu schließen. Angesichts von tausend Menschen, die täglich in eine DGB-Gewerkschaft eintrete, sei man in jedem Fall noch auf der Höhe der Zeit.
Firsching kritisierte die heutige Deregulierung als Abbau von Arbeitnehmerrechten, ebenso wie Leiharbeit und Lohndrückerei. Statt immer mehr Niedriglohn, während Reiche immer reicher würden, müsse das „Normalarbeitsverhältnis“ wieder hergestellt werden.
Rente mehr als Grundsicherung
Auch eine Rente sollte mehr sein als Grundsicherung im Alter: „Wir fordern, egal welche Regierung wir demnächst haben, dieses Land wieder gerechter zu machen.“ Firsching erinnerte an die Uneinigkeit der Gewerkschaften vor 1933, die dann zu ihrer Zerschlagung durch die Nazis geführt habe: „Wir haben mit Rechtsextremen nichts am Hut.“
Insofern sei schon die Gründung des Bayrischen Gewerkschaftsbunds 1947, der zwei Jahre später im DGB aufgegangen ist, ein richtiger Schritt zur Einheit gewesen.
„Ein bisschen wie eine Familie“ sei für ihn die Gewerkschaft heute. Firsching schloss mit einem Klassiker: „Nicht betteln, nicht bitten, nur mutig gestritten. Nie kämpft es sich schlecht, für Arbeit und Recht.“