Im Kesselhaus hat es sich Bodo Wartke gemütlich gemacht, sein Wohnzimmer auf die Bühne gestellt, den Flügel, ein Metronom, eine Stehlampe, ein Bücherregal, eine Sitzecke. Lässig sitzt der Schlaks da, graukariert der Anzug, grell bunt Hemd und Socken.
Bunt, aber nicht grell ist das Programm, das er beim zweiten Abend des Nachsommers auf dem ZF-Gelände präsentiert. "Was, wenn doch?", damit ist er seit 2015 erfolgreich auf Tournee und löst dann doch vor allem Begeisterung mit den Stücken aus, die inzwischen dazu gekommen sind und im nächsten Jahr das neue Programm - das auch in Bamberg und Lohr zu erleben sein wird - prägen werden. In diesem zweiten Teil des rund zweistündigen Klavierkabarettabends wird es nämlich politischer, bissiger.
Vor der Pause widmet sich der großartige Pianist und Wortakrobat den großen Gefühlen, der Liebe, dem Sex, einer Ménage à trois, die letztlich enttäuscht, dem Trennungsschmerz, der Sehnsucht nach einem Kavalier. Die scheiternde Liebe findet er in Jever und Uefa und reimt auf Auweia.

Vermutlich ein bisschen autobiografisch wird er, wenn er von der Hoffnung seiner Arzteltern erzählt, die ihn doch so gerne in den eigenen Fußstapfen gesehen hätten. Es musste sie enttäuschen, brach "zweimal erfolgreich ein Studium ab". An Bachs Präludium ist er gescheitert. Er unterlegt die Musik mit einer schmerzhaften Liebesbeziehung – zu einer Sehnenscheidenentzündung. Er ist dennoch Künstler geworden, "weil es geiler ist, so zu interpretieren wie es sich nicht gehört". Das ist seine Botschaft: "Unserem Herzen folgen, nicht mehr tun, was unsere Alten für richtig halten."
Mit der Oper ( = "wo dicke Frauen schreien") hat Wartke nie etwas anfangen könne, weil er die Texte nicht verstand. Er hat sich informiert, festgestellt, wie flach das Libretto Johann Emanuel Schikaneders zu Mozarts Zauberflöte ist, und unterlegt, für ihn folgerichtig, Helene Fischers "Atemlos" mit der Hass-Arie der Königin der Nacht.
Was Wartke politisch umtreibt, sind die Despoten, die demokratisch gewählt an die Macht kommen. "Es wird Zeit, dass wir auf die Straßen gehen." Bei den Zugaben widmet sich der Berliner dem Hambacher Wald der RWE ("Wald soll weichen für eine sterbende Technologie"), greift mit einem Gangsta-Schlager spitzentlarvend die Scheinlösungen von Nationalisten, Islamisten, Fundamentalchristen und Rapper auf.
Da gibt es dann richtig begeistert Beifall, für einen souveränen Entertainer.